Donnerstag, 19. November 2020

 

Skandalöser Versuch des Stimmenkaufs bei LPDF

Libyen. Das Libysche Politische Dialog Forum (LPDF) in Tunesien oder: Ist der Ruf erst ruiniert...

Angelika Gutsche |

Am Montag, den 09. November begann das auf sechs Tage angesetzte Libysche Politische Dialog Forum in Tunesien. Ziel dieses Forums sollte es sein, eine neue Übergangsregierung mittels 75 von der UN-Sondermission für Libyen (UNSMIL) unter Leitung der amtierenden Vorsitzenden Stephanie Williams handverlesenen Dialogteilnehmern einzusetzen. Dem LPDF vorangegangen waren der Abschluss eines Waffenstillstandsabkommens zwischen der ‚Einheitsregierung‘ (Government of National Accord / GNA) und der Libyschen Nationalarmee (LNA) im Rahmen von 5+5-Militärgesprächen.

Bereits am Abend des 14. November endete die Sitzung ohne Konsens und mit tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Kandidatur, der Auswahl der in die Regierungsämter zu wählenden Personen der auf eine neue Regierung und auf den Präsidenten zu übertragenden Befugnissen. https://twitter.com/ObservatoryLY/status/1327750193274638336/photo/1

Am Morgen des 15. Novembers platzte dann eine richtige Bombe als zwei LPDF-Teilnehmer bestätigten, dass ihnen 200.000 US-$ angeboten wurden, damit sie für Ali Dabaiba als neuen Premierminister stimmen. Das Angebot kam von Familienmitgliedern und Helfern von Ali Dabaiba, die im Tagungshotel anwesend waren.

Wer ist Ali Dabaiba?

Ali Dabaiba war in der Gaddafi-Zeit der hoch korrupte Bürgermeister von Misrata, der schon damals Gelder auf seine Privatkonten im Ausland scheffelte. Misrata, das der Dschamahirija und Gaddafi schon immer feindlich gesonnen war, unterstützte 2011 die sogenannten ‚Aufständischen‘, ebenso wie sein Bürgermeister Dabaiba. Es floss sogleich viel Gelder für die Moslembrüder in Misrata, bestimmt nicht von, sondern über Dabaiba, und ganz sicher waren es nicht seine eigenen Gelder, auch wenn das behauptet wurde.

Die SüddeutscheZeitung deckte 2016 die Machenschaften einer Kanzlei in Panama auf, die half, schmutziges Geld zu verstecken, und wusste im Verlauf der Recherchen über Ali Dbaiba zu berichten: „Obwohl der verrufene Dabaiba auf dem Höhepunkt des libyschen Bürgerkriegs die Seiten wechselte und die Rebellen in seiner Heimatstadt Misrata finanzierte, fror die neue Regierung dennoch sein Vermögen ein und setzte seinen Namen auf eine Liste von Männern, die im Verdacht standen, staatliche Gelder veruntreut zu haben. Er zog schließlich nach London, wo seine Familie einige wenige wertvolle Besitztümer besitzt. Libysche Ermittler beschuldigen Dabaiba, Verträge im Wert von mehreren Millionen Dollar an Firmen ausgeteilt zu haben, die entweder von ihm oder einem seiner Verwandten geleitet wurden. Die Gewinne aus diesen Geschäften soll er über ein Netz von Strohfirmen ins Ausland geschmuggelt haben. Bis heute haben die Ermittler rund 100 in den Britischen Jungferninseln, Malta, Lichtenstein und Großbritannien registrierte Unternehmen bis zu Dabaiba, seinen Söhnen oder mutmaßlichen Komplizen zurückverfolgt. Die wahren Eigentümerstrukturen dieser Firmen bleiben bestenfalls verschwommen.“
https://panamapapers.sueddeutsche.de/

Dabaiba wurde über Interpol wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder, Geldwäsche, Machtmissbrauch und Korruption gesucht und laut einer libyschen Nachrichtenseite wurde er 2014 auch verhaftet. Allerdings wurde der Haftbefehl unverzüglich wieder außer Kraft gesetzt und Dabaiba von der Interpol-Fahndungsliste gestrichen. Geheimdienste der westlichen Ländern dürften den Nutzen eines absolut skrupellosen, aber gut vernetzen Libyers erkannt haben. Auf Nachfrage von Organiced Crime And Corruption Reporting Project (occrp) im Jahre 2018 über die Gründe der Aussetzung des Haftbefehls wollten weder Interpol noch die libyschen Behörden Auskunft geben. Selbstverständlich florierten Dabaibas krumme Geschäfte immer weiter. Zu dieser Zeit soll Dabaiba laut occrp seinen Wohnsitz in Istanbul gehabt haben. https://www.occrp.org/en/investigations/8366-cyprus-records-shed-light-on-libya-s-hidden-millions
https://twitter.com/ibnthabit/status/1328023059660419072/photo/1

Der wahre Skandal

Mit Sicherheit ist Ali Dabaiba nicht der einzige, der versucht, sich mit Geld im „neuen Libyen“ Posten und damit Macht und Zugriff auf die staatlichen Fleischtöpfe zu erkaufen. Pech für ihn, dass es an die Öffentlichkeit kam. Seine Persönlichkeit war wohl etwas zu schillernd.

Der wahre Skandal ist jedoch, wie eine dermaßen durch und durch korrupte Person wie Ali Dabaiba es schaffte, überhaupt auf die Teilnehmerliste des LPDF gesetzt und auch noch als neuer libyscher Premierminister gehandelt zu werden. Es ist undenkbar, dass es bei der UNSMIL nicht bekannt war, mit wem man es hier zu tun hat.

Auch wenn Stephanie Williams jetzt eine Untersuchung einleiten will, ist nicht nur das LPDF, sondern die gesamte UNSMIL kompromittiert und jedes Vertrauen zerstört. Zuerst die unter völlig intransparenten Umständen zustande gekommene und erst im letzten Moment veröffentlichte LPDF-Teilnehmerliste mit dem unsäglichen Überhang an Moslembrüdern, dann die wiederholte Hinauszögerung von Wahlen und jetzt dieser Fauxpas. Dann war der Beschluss, erst bis Ende 2021 Wahlen abhalten zu wollen, ein Witz, und die Festsetzung des Wahltermins auf den 24.12.2021, also praktisch am letztmöglichen Termin vor Ablauf der Frist und unter Ausschluss der westlichen Öffentlichkeit – denn wer interessiert sich an Weihnachten für Libyen – ein Affront gegen das libysche Volk. Das schnelle und scheinbar problemlose Zustandekommen von Beschlüssen zeigte auch, dass die Ergebnisse bereits vorher feststanden und die LPDF-Teilnehmer nur noch als Staffage dienen. https://twitter.com/LibyaDesk/status/1328014687489888257
https://twitter.com/smmlibya/status/1327528427549765632

Inzwischen haben 25 LPDF-Teilnehmer aus allen Landesteilen in einer Petition gefordert, die LPDF zumindest auf den 18. Dezember zu verschieben. Die Statthalter der Moslembruderschaft schlossen sich diesem Appell selbstredend nicht an. Was soll eine Verschiebung auch bringen, wenn die Ergebnisse schon im vorab feststehen beziehungsweise gekauft werden. Die Glaubwürdigkeit des LPDF wird auch eine Verschiebung nicht wieder herstellen.
https://twitter.com/ObservatoryLY/status/1327989063182397442

Laut einem Tweed auf Twitter, der mit Fotos belegt ist, nehmen am LPDF nicht nur der Korruption beschuldigte Kriminelle teil, sondern auch ein wegen Mord und Entführung Verurteilter, der im Gefängnis von Surman einsaß und aufgrund eines Luftangriffs freikam.
https://twitter.com/Libyancitizen6/status/1327967783506894848

Ist dies das Klientel, das Libyen Freiheit und Demokratie bringen soll? Mit welchen kriminellen Elementen macht sich die UNSMIL hier eigentlich gemein? Wer wird Stephanie Williams für das, was sie Libyen antut, jemals zur Rechenschaft ziehen?

Kann es da noch überraschen, dass die LPDF-Teilnehmer gegen das Verbot der Kandidatur gegenwärtiger und ehemaliger Amtsinhaber für die neue Regierung und den Präsidentenrat stimmten? Alles bleibt wie es seit 2011 immer war. Alle Scham ist gefallen.
https://twitter.com/LibyaReview/status/1328067922816864257

Nimmt Dabaiba noch immer am LPDF teil? Oder ist der Einfluss der Moslembruderschaft so groß, dass sie Dabaiba trotz seiner Bestechungsbemühungen bei den Verhandlungen halten können? Jedenfalls interessant zu wissen, dass die künftige UNSMIL-Regierung für Libyen nicht gewählt, sondern gekauft wird.

Ja, da freut sich der Emir von Katar und gratuliert Tunesien für den großartigen Verlauf des LPDF!
http://en.alwasat.ly/news/world/301442

16.11.2020

 

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