Kurznachrichten Libyen – 25.11.2020
Libyen. Schlammschlacht zwischen Institutionen / IRINI ohne Befugnis, Waffeninspektionen auf türkischen Frachtern durchzuführen / Besatzung Libyens durch die Türkei
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Eskalation des Streits zwischen NOC und CBL
+ 23.11.: Schlammschlacht zwischen Chefs der libyschen
Institutionen. Der Chef der National Oil Corporation (NOC),
Mustafa Sanella, beschuldigt den Chef der Libyschen Zentralbank (CBL),
Siddiq al-Kebir, der Wechselkursmanipulation. Dem vorausgegangen waren
Beschuldigungen der CBL, die NOC liefere seit vielen Jahren „ungenaue“ Daten.
Es geht dabei um Unstimmigkeiten zwischen der Menge des verkauften libyschen
Erdöls über die NOC und den dafür bei der CBL eingegangenen Geldern. Es besteht
der hinreichende Verdacht, dass mehr Öl verkauft wurde, als auf den Konten der Libyschen
Auslandsbank (LFB) als Erlös einging und an die CBL weitergeleitet wurde,
d.h. Gelder flossen in andere Taschen.
Sowohl Sanella als auch al-Kebir weisen alle Vorwürfe weit von sich.
https://almarsad.co/en/2020/11/23/noc-cbl-conflict-sanallah-accuses-al-kabir-of-manipulating-exchange-rates/
Es dürften wohl alle Vorwürfe auf Tatsachen beruhen.
+ 23.11.: NOC/CBL. Die Streitigkeiten zwischen NOC (Mustafa
Sanella) und CBL (Siddiq al-Kebir) werden auch gewaltsam ausgetragen. Es kam zu
Scharmützeln zwischen der 92. Infanterie-Brigade und der 444. Kampfbrigade in
Tripolis als Bewaffnete versuchten, in das Gebäude der NOC einzudringen; der
Angriff konnte abgewehrt werden.
https://almarsad.co/en/2020/11/23/noc-accuses-outlaw-armed-gangs-of-failed-attack-amidst-growing-crisis/
Die libysche Bevölkerung beobachtet diese unglaublichen Vorgänge in ihrer
Hauptstadt mit Verzweiflung und Wut.
Besatzungsmacht Türkei
+ 22.11.: Türkische Besatzung/LPDF/Libysche Stämme. Der Sprecher des Obersten Rates der Scheichs und Honoratioren von Libyen, Muhammad al-Misbahi, bestätigte, dass die libyschen Stämme angesichts der türkischen Besatzung voll hinter ihrer Armee stehen und eine Kontrolle des Landes durch die Moslembruderschaft ablehnen. Diese versuche, die Sozialordnung Libyens und den Einfluss der Stämme zu zerstören und nutze Libyen für weiterreichende politische Ziele in Afrika. Die Hauptgründe für das Scheitern der LPDF sehen die Stämme in dem Versuch der Moslembrüder, eine Passage in den Text des Abkommens aufzunehmen, welche die getroffenen Abkommen der Regierung Sarradsch mit der Türkei und Katar schützt sowie in dem Versuch, Delegierte zu bestechen.
+ 22.11.: Türkische Besatzung/‘Einheitsregierung‘. Muhammad
Gununu von der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis sagte, die Ausbildung von
libyschen Soldaten innerhalb des Omar al-Mukhtar-Ausbildungszentrum
durch türkisches Militär geschehe im Rahmen des „rechtmäßigen“ Abkommens
zwischen der ‚Einheitsregierung‘ und der Türkei und solle fortgesetzt werden.
Tatsächlich wurde das Abkommen zwischen der Türkei und der ‚Einheitsregierung‘
unter Sarradsch niemals vom libyschen Parlament ratifiziert und steht auch im
Widerspruch zum Waffenstillstandsabkommen, demnach sich alle ausländischen
Militärs aus Libyen zurückziehen sollen.
https://almarsad.co/en/2020/11/22/gununu-our-training-activities-with-turkey-will-continue-to-protect-february-revolution/
+ 24.11.: Türkische Besatzung/‚Einheitsregierung‘. Der
Verteidigungsminister der ‚Einheitsregierung‘, Salah ad-Din an-Nimroush lobte
in den höchsten Tönen die „heldenhafte Geschichte des osmanischen Reiches in
Libyen“.
https://twitter.com/LyWitness/status/1330889754561441792
+ 25.11.: Mobilisierung/Sirte. An der Front bei Sirte
mobilisiert eine Misrata-Miliz die türkische T-155 Fırtına (mobiles Geschütz).
Auch ein unter Waffen stehender Konvoi verließ Misrata in Richtung Sirte.
https://twitter.com/MstrMax11/status/1331561059052875777
Diese Vorgänge zeigen, wie heuchlerisch das LPDF agiert und rein dazu
dient, Sand in die Augen der Beobachter zu streuen, während die Türkei und die
mit ihr verbündeten libyschen Milizen wie jene aus Misrata die Verhandlungen
dazu nutzen, ihre Stellungen auszubauen.
Operation IRINI ohne Befugnisse
+ 23.11.: IRINI als Farce. Die Türkei hat den Abbruch eines
Bundeswehr-Einsatzes zur Kontrolle des UN-Waffenembargos gegen Libyen auf einem
Frachtschiff erzwungen. Nachdem die Soldaten schon einen Teil der Ladung, die
auf dem Weg von der Türkei nach Misrata war, untersucht hatten, meldete die
Türkei Protest an, woraufhin sich die deutschen Soldaten zurückzogen. Der
IRINI-Einsatz stand unter griechischem Befehl. Tageschau: „Nach
Angaben des Bundeswehr-Einsatzführungskommandos ist es nämlich grundsätzlich
nicht möglich, Schiffe gegen den Willen des Flagge führenden Staates zu
durchsuchen. Folgerichtig kam denn auch im Fall des türkischen
Frachters die Anweisung des EU-Hauptquartiers aus Rom, die Durchsuchung zu
stoppen.“
https://www.tagesschau.de/ausland/bundeswehr-untersuchung-tuerkei-gestoppt-101.html
Damit ist die ganze IRINI-Aktion zur Durchsetzung des Waffenembargos ad
absurdum geführt. Welcher Staat wird sein Schiff durchsuchen lassen, wenn sich
darauf Waffen befinden und es ausreicht, dem Betreten des Schiffes durch IRINI-Marinesoldaten
nicht zuzustimmen?
+ 23.11.: IRINI/Türkei. Das türkische Außenministerium
bestellte die Botschafter der EU und Italiens sowie den Geschäftsträger der
deutschen Botschaft ein und überreichte eine Note, mit der gegen die
Durchsuchung des Frachtschiffs protestiert wurde. Die Marinesoldaten hätten das
Schiff ohne das Einverständnis der Türkei betreten. Die EU schloss sich der
türkischen Ansicht an.
https://deutsch.rt.com/international/109579-irini-einsatz-vor-libyen-tuerkei-ruft-botschafter-ins-aussenministerium/
https://www.tagesschau.de/ausland/bundeswehr-untersuchung-tuerkei-gestoppt-103.html
+ 23.11.: IRINI/Bundeswehr. Die Bundeswehr schreibt auf
ihrer Website zum Unopposed Boarding: „Das Unopposed Boarding stellt
die unterste Stufe der Boardingarten dar. Sofern das Hailing Verdachtsmomente
eines Verstoßes gegen das vom VN-Sicherheitsrat gegen Libyen verhängte
Waffenembargo ergibt, kann die EU-Operationsführung eines ihrer im
Operationsgebiet stehenden Schiffe mit einem Boarding beauftragen. Hierfür
müssen grundsätzlich sowohl das Einverständnis des zivilen Kapitäns, als auch
die Zustimmung des Flaggenstaats vorliegen. Die Besatzung verhält sich
kooperativ und Widerstand ist weder erkennbar, noch zu erwarten. Üblich ist das
Ausbringen einer Lotsenleiter bei Transfer über Speedboot und die Abholung des
Teamleiters durch den Ersten Offizier des Schiffes. Nach Anbordgehen wird das
Schiff unter Eigensicherung durch das Boardingteam in Kooperation mit der
Besatzung intensiv durchsucht. Die Besatzungsmitglieder werden fotografiert und
identifiziert. Ergänzend werden sämtliche Papiere und Dokumente gesichtet und
ausgewertet. Zur Sicherheit des Boardingteams wird der Besatzung ein
gemeinsamer Aufenthaltsort zugewiesen.“
https://www.bundeswehr.de/de/einsaetze-bundeswehr/zentrales-mittelmeer-eunavfor-med-irini/irini-boarding-eunavfromed-libyen-2340954
+ + 23.11.: Erdogan/EU. Angesichts der Spannungen, die
aufgrund der türkischen Operationen im Mittelmeer zwischen verschiedenen
EU-Ländern bestehen, fordert Erdogan die EU auf, der Türkei die
Vollmitgliedschaft in der EU zu gewähren.
https://deutsch.rt.com/europa/109537-erdogan-tuerkei-ist-integraler-teil/
Insbesondere Frankreich, Griechenland und Zypern werden von dieser
Frechheit begeistert sein.
+ 24.11.: IRINI/Türkei: Türkische Zeitungen titeln
„Deutsche Piraterie im Mittelmeer“ und bilden Bundeskanzlerin Merkel als
Piratin ab.
Die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat die
Beschwerden Ankaras zurückgewiesen. Sie bestand darauf, dass die deutschen
Truppen beim Boarding des türkischen Schiffes korrekt gehandelt hätten.
https://deutsch.rt.com/europa/109619-karikatur-nach-schiffskontrolle-tuerkische-zeitung-bildet-angela-merkel-als-piratin-ab/
+ 24.11. Frankreich/Türkei. Der französische
Außenhandelsminister, Frank Richer, sagte, die EU werde gegen die türkische
Politik im Mittelmeerraum eine entschlossene Haltung einnehmen. „Frankreich
fordert die Türkei auf, ihre Feindseligkeiten und ihre Expansionspolitik,
insbesondere im östlichen Mittelmeerraum, einzustellen und die europäische
Souveränität zu respektieren“. Und: „Wir werden beim nächsten Europäischen Rat
mit unseren europäischen Freunden zusammenarbeiten, um Wege zu finden, unseren
Willen zur Verteidigung unserer Souveränität zu bekräftigen und einige
türkische Praktiken im östlichen Mittelmeerraum, in Libyen und in Syrien zu
beenden“.
https://libyareview.com/8278/
Deutschland changiert ständig zwischen der Türkei und Frankreich.
Irgendwann wird es sich entscheiden müssen.
Weitere Nachrichten
+ 23.11.: Bashagha und seine Schläger. Der Vizepräsident
und amtierende Leiter des libyschen Geheimdienstes, Emad at-Tarabulsi, hat bei
der Staatsanwaltschaft Anzeige gegen den Innenminister der ‚Einheitsregierung‘,
Fathi Bashagha, dessen Bewacher und Protokollarbeamte erstattet. Sie werden
beschuldigt, zwei Geheimdienstmitarbeiter, die im Auftrag von as-Sarradsch
arbeiten, am 18. November auf dem Mitiga-Flughafen beleidigt, geschlagen und
verletzt zu haben. Bashagha war auf dem Weg nach Paris.
Die Geheimdienstmitarbeiter seien ihren Aufgaben der Überprüfung der Pässe
nachgekommen. Auch Minister der ‚Einheitsregierung‘ müssen sich Auslandsreisen
genehmigen lassen. Bashagha habe dagegen angeordnet, dass seine Reisegruppe
nicht dokumentiert werden solle.
Es liegen sowohl Zeugenaussagen über den Vorfall als auch ärztliche Atteste
vor, die bestätigen, dass den Angegriffenen schwere Verletzungen und
Knochenbrüche zugefügt wurden.
https://almarsad.co/en/2020/11/23/al-tarabulsi-files-legal-complaint-against-bashagha-and-his-personnel-for-mitiga-assault/
Wildwest in Libyen!
+ 24. 11.: Korruption. Gegen den stellvertretende
Bildungsminister der ‚Einheitsregierung‘ wurden wegen Pflichtverletzung und
Korruption Ermittlungen aufgenommen.
https://libyareview.com/8272/
+ 21.11.: Migranten. Der libysche Rote Halbmond barg die
Leichen von fünf ertrunkenen Migranten an der Küste vor Misrata.
https://libyareview.com/8222/
+ 24.11.: Parlamentariertreffen in Tanger (Marokko). Erste
Konsultationen zwischen verschiedenen Gruppen von Parlamentariern fanden in
Marokko statt. Daran nahmen Parlamentarier aus Tobruk und welche aus Tripolis,
die das offizielle Parlament in Tobruk verlassen hatten, teil.
https://twitter.com/smmlibya/status/1331523406928470016
Dieses Treffen ist bedeutungslos, wird aber von UNSMIL als weiterer Erfolg
verbucht.
+ 24.11.: 5+5-Militärgespräche. Die Kommission stimmte
einem Gefangenaustausch zwischen LNA und den Milizen der ‚Einheitsregierung‘
zu.
https://libyareview.com/8248/
Es wurde bisher zwar viel beschlossen, aber fast null umgesetzt.
+ 24.11.: Parlamentspräsident Aguila Saleh in Moskau.
Erörtert werden wirtschaftliche, diplomatische und militärische Fragen, u.a.
die türkische Aggression gegen Libyen.
https://libyareview.com/8245/
+ 25.11.: Kani-Miliz/Sanktionen. Die USA sanktionierten
Mohamed al-Kani und die Kaniyat-Miliz (7. Brigade), die während des Kampfes um
Tripolis von der ‚Einheitsregierung‘ zur LNA überlief, wegen Entführungen,
Folter und Tötungen von Menschen, deren Leichen in Massengräbern in Tarhouna
gefundenen wurden.
https://twitter.com/Oded121351/status/1331625472682242049
+ 23.11. USA/Berber. Der US-Botschafter in Libyen, Richard
Norland, versicherte dem Obersten Berberrat, dass die Amazigh (Berber) und ihre
Interessen als Ureinwohner Libyens geschützt werden müssen. Die US-Botschaft
werde die Gespräche mit allen Führern der Amazigh in Libyen und in der
libyschen Diaspora fortsetzen.“
https://libyareview.com/8258/
Den libyschen Berbern stehen alle Minderheitenrechte zu. Erwähnt sollte
jedoch werden, dass sie sich während der Gaddafi-Zeit von den USA missbrauchen
ließen, die erfolgreich versuchten, die Berber gegen die
Dschamahirija-Regierung aufzuwiegeln. Sie beteiligten sich 2011 auch maßgeblich
am Sturz Gaddafis, um sich bedauerlicher Weise anschließend im Westen Libyens
im großen Maßstab im Schleuser- und Schmuggelgeschäft zu betätigen.
Die USA sollten sich lieber um ihre eigenen Ureinwohner, die Indianer,
kümmern, die in Reservaten verelenden.
+ 24.11.: Frankreich/Deutschland/Libyen. Der französische
Außenminister Jean-Yves Le Drian und sein deutscher Amtskollege Heiko Maas
diskutierten u.a. die neuesten Entwicklungen in Libyen und im östlichen
Mittelmeer.
Maas forderte eine nachhaltige Beilegung des Libyen-Konflikts auf der Grundlage
des Völkerrechts, einschließlich der Resolutionen des UN-Sicherheitsrates und
der Berliner Konferenz.
https://libyareview.com/8256/
+ 24.11.: Erwartungen an USA unter Biden. Der Vorsitzende
des Beirats des National Council on US-Libya Relations (NCUSLR),
Wolfgang Pusztai, sagte, dass die Biden-Administration einen neuen
Sondergesandten für Libyen ernennen werde. Er erwarte aber in naher Zukunft
keine bedeutsamen US-amerikanischen Schritte. Es sei nicht wahrscheinlich, dass
ausländischen Kräften das Recht zugestanden werde, über die Zukunft Libyens zu
bestimmen. Von der Regierung Biden werde erwartet, dass sie die
Selbstbestimmungsrechte des libyschen Volkes unterstützt.“
https://almarsad.co/en/2020/11/24/pustzai-biden-administration-will-support-libyan-peoples-self-determination/
25.11.2020
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