Waffen für Libyen: Kampf um den ‚Erdölhalbmond‘
Das
Waffenembargo, das nie eines war.
Zum dritten Mal wurde von den dschihadistischen Bengasi Defense Brigades (BDB) versucht,
Ras Lanuf und Sidra, also wichtige Erdölanlagen des libyschen ‚Erdöl-Halbmondes‘,
von der libyschen Nationalarmee (LNA) zurückzuerobern. Nach kurzer Zeit
startete die LNA einen Gegenangriff und konnte Ras Lanuf wieder unter eigene
Kontrolle bekommen. Die LNA flog auch verstärkt Angriffe auf BDB-Ziele.
Laut dem Sprecher der LNA, Ahmed Mismari, war es den BDB mit
einem Überraschungsangriff zunächst gelungen, Teile der Stadt Ras Lanuf unter
ihre Kontrolle zu bringen. Inwieweit auch das 16 Kilometer entfernte Sidra von
BDB-Milizen besetzt werden konnte, ist umstritten. Die LNA beklagt 15 tote
Soldaten und zehn Verwundete. Wie Fotos belegen, sind verwundete LNA-Soldaten
nach der Eroberung des Krankenhauses von BDB-Milizen mit Kopfschuss getötet
worden.
An dem Angriff waren auch Milizen der ehemaligen Petroleum Facilities Guard von Ibrahim
Dschedhren[1]
beteiligt. Bilder in den sozialen Netzwerken zeigen Ibrahim Dschedhren und
seinen Bruder Osama Dschedhren, einen Hardcore-Islamisten, neben BDB-Kommandanten
Mustafa Scharksi. Unklar ist, wie sich Ibrahim Dschedhren, der mit der
‚Einheitsregierung‘ in Tripolis unter Sarradsch verbündet war und dem immer
gute Kontakte zu Dschihadisten nachgesagt wurden, gegenwärtig verortet.
Vermutlich immer dort, wo Macht und Geld locken.
Die BDB haben nach ihrer Vertreibung aus Bengasi ihren
Hauptstandort in der Militärbasis Dschufra, die unter Verwaltung von Misrata
steht. Die Stadt Misrata ist Hauptverbündeter und festes Standbein der Türkei
in Libyen.
Die LNA beschuldigen die Türkei und Katar, die dschihadistische
und mit Terrormethoden kämpfende BDB erneut ausgestattet und bewaffnet zu
haben. Auch ein neuerliches Aufflackern von Unruhen in Bengasi durch
dschihadistische Schläfer soll durch die von der Türkei und Katar gelieferten
Waffen, Munition und Fahrzeuge ermöglicht worden sein.
Das 2011 durch die UN-Resolution 1970 verhängte
Waffenembargo gegen Libyen ist eine Farce, denn zwei Zusatzresolutionen erlauben
die Versorgung mit nicht-tödlichen Waffen, technische Hilfe, Ausbildung und
finanzielle Unterstützung. Wer aber Geld hat, der kann sich in Libyen jede
Waffe besorgen. Die Küste ist ebenso wenig zu überwachen wie die saharischen
Grenzgebiete. Und schon seit Jahren ist bekannt, dass zum Beispiel die Türkei
per Luftfracht Waffen und Ausrüstung nach Misrata fliegen lässt, von wo sie an
dschihadistische Milizen weiterverteilt werden.
Der Präsidialrat und die ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis
waschen ihre Hände in Unschuld und behaupten, sie hätten mit dem Angriff der
BDB auf die Erdölanlagen nichts zu tun. Kaum hatten die BDB jedoch Ras Lanuf
besetzt, forderte der Präsidialrat einen sofortigen Waffenstillstand, das
heißt, die LNA sollte darauf verzichten, Ras Lanuf von den Dschihadisten
zurückzuerobern. Sollten die Kämpfe anhalten, drohte ihr
‚Verteidigungsminister‘ al-Bargathi, eigene Milizen zu schicken. Bargathi hatte
immer beste Kontakte zu den dschihadistischen BDB. Als diese im Dezember 2016
schon einmal einen militärischen Versuch unternahmen, die Kontrolle über
Erdölanlagen zu erlangen, unterstützte er sie.
Inwieweit der streng islamistische ‚Ministerpräsident‘
Khalifa Gweil (Tripolis) und sein National
Salvation Government (NSG) in die Militärangriffe auf den Ölhalbmond
verstrickt sind, bleibt undurchsichtig. Seine Leute hatten den Hauptstandort
der Nationalen Ölgesellschaft in Tripolis gestürmt und von dort per Rundfunk
verbreiten lassen, dass die Ölgesellschaft jetzt dem NSG unterstellt sei. Dies
wurde umgehend vom Chef der nationalen Ölgesellschaft (NOC), Mustafa Senella, scharf
dementiert.
Der neuerliche Angriff erfolgte nicht nur, nachdem der Stadtteil
Ganfouda in Bengasi quasi komplett von der LNA erobert und so gut wie alle
dschihadistischen Kämpfer aus der Stadt vertrieben wurden, sondern auch,
nachdem der Chef der Ölgesellschaft, Senella, bekannt gegeben hatte, dass die
neuen Fördermengen im Februar die Zielmarken von 700.000 Barrel pro Tag
erreicht hatten. Letzte Woche erst unterzeichnete Senella mit der staatseigenen
russischen Ölgesellschaft Rosneft einen Vertrag in der Hoffnung, dies würde
auch andere internationale Ölgesellschaften anspornen, wieder mit Libyen
Geschäfte zu machen.
Vor dem NATO-Krieg und dem Sturz der Regierung im Jahr 2011
hatten russische Erdgasunternehmen mit Libyen etliche Konzessionen
abgeschlossen. Der Bau der Sirte-Bengasi-Eisenbahnstrecke durch das russische Bahnunternehmen
liegt seit dem Krieg 2011 auf Eis. Es heißt, Libyen schulde Russland auch noch
vier Milliarden Dollar für Militärausrüstung.
Es ist also kein Wunder, dass Faiez Sarradsch, Vorsitzender
des Präsidialrats und sein Stellvertreter Ahmed Maetig am 2. März zu Gesprächen
mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow in Moskau waren. Es sollte Russland
wohl versichert werden, dass seine Interessen in Libyen auch gesichert bleiben,
falls die von der ‚Einheitsregierung‘ geförderten dschihadistischen Kräfte, sprich
Libyan Islamic Fighting Group (LIFG)
und die Moslembrüder von Libyan Dawn
die Macht übernehmen würden. Mit dieser Zusicherung wollte man Moskau das
Abrücken von General Hefter erleichtern und die Sorgen Moskaus hinsichtlich des
bevorstehenden militärischen Vorgehens gegen die LNA im libyschen
‚Erdölhalbmond‘ zerstreuen.
Lawrow hielt sich bedeckt und stellte bei den Gesprächen
klar, dass Moskau ausnahmslos zu allen politischen Parteien in Libyen Kontakt halte.
Jede den Libyern von außen aufgezwungene Lösung sei zum Scheitern verurteilt. Eine
Lösung für das Land müsse auf der Grundlage der Resolution des
UN-Sicherheitsrates getroffen werden, d.h. in Übereinstimmung mit dem Skhirat
Abkommen von Dezember 2015. Weiter meinte Lawrow, nur die Libyer selbst könnten
die gegenwärtige Krise überwinden. Dem libyschen Volk, das vielleicht gerade
den schlimmsten Prozess seiner Geschichte durchmache und dessen Einheit und
territoriale Integrität angegriffen werde, versicherte er seine Solidarität.
Erst im Januar hatte General Hefter auf dem Flugzeugträger
„Admiral Kusnezow“ eine Videokonferenz mit dem russischen Verteidigungsminister
Schoigu abgehalten, bei der es unter anderem um den Kampf gegen den Terrorismus
ging. Klar ist, dass die libysche Nationalarmee schwere Waffen wie Panzer,
Artillerie und moderne Kampfflugzeuge braucht, die nicht so leicht über den
Schwarzmarkt zu bekommen sind. Moskau könnte bei der Schulung für den Gebrauch
dieser Waffen und deren Instandhaltung behilflich sein. Tatsächlich scheint
Russland vermehrt auf General Hefter, die LNA und deren Verbündete, also auf
ein säkulares Libyen, zu setzen. Ob das Gerücht stimmt, Russland hätte der LNA
eine in Einzelteile zerlegte MiG-23 geliefert, um deren Reichweite zu erhöhen,
darf allerdings bezweifelt werden.
Wo die USA zukünftig stehen, ist noch nicht absehbar. Trump
kämpft im eigenen Land, sogar im eigenen Lager darum, sich an der Macht zu halten.[2]
Für größere außenpolitische Manöver bleibt im Moment kein Spielraum. Kann sich
Trump im Sattel halten und werden im Verhältnis zu Russland versöhnliche Wege
eingeschlagen und wird der Kampf gegen die Dschihadisten ernsthaft betrieben,
bleiben den Kriegskräften in den USA, in Europa, in der Türkei und in Katar nur
ein schmales Zeitfenster, um ihre Proxy-Regierungen an die Macht zu bringen.
Dieses Zeitfenster versuchen sie im Moment zu nutzen.
Der in Europa und insbesondere Deutschland so verfemte
türkische Präsident ist in Libyen ein geschätzter Mitstreiter gegen Hefter, die
LNA und dessen Verbündete. Denn nichts wird von diesen Kräften mehr gefürchtet
als ein souveränes und unabhängiges Libyen.
A. Gutsche
[1] https://www.freitag.de/autoren/gela/libysche-nationalarmee-uebernimmt-erdoelanlagen
https://www.freitag.de/autoren/gela/ibrahim-dschedhren-und-seine-pfg
https://www.freitag.de/autoren/gela/ibrahim-dschedhren-und-seine-pfg
[2] http://www.voltairenet.org/article195529.html
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