Italien will die Kriegsmarine nach Libyen entsenden
Libyen. Die libysche
Bevölkerung kocht. Saif al-Islam und Heftar verurteilen das italienische
Vorgehen aufs schärfste. Heftar droht einen Angriff auf die italienische Marine
an.
Am 2. August hat das italienische Parlament hat für einen
Einsatz der italienischen Marine in libyschen Hoheitsgewässern gestimmt.
Saif al-Islam Gaddafi verurteilt den Einsatz der
italienischen Marine in libyschen Hoheitsgewässern als erneuten Versuch
Italiens, Libyen zu kolonialisieren. Italien hätte wohl Sehnsucht nach den
alten Zeiten, als Libyen noch italienische Kolonie war. Schon 2011 habe Italien
einen Verrat an den zwischen den beiden Ländern bestehenden Beziehungen
begangen als es die Erlaubnis gab, von italienischen Militärstützpunkten aus
Angriffe auf Libyen zu fliegen.[1]
Nun würde Italien aufgrund des verantwortungslosen Verhaltens einiger libyscher
Politiker das NATO-Szenario wiederholen und die libysche Souveränität erneut
missachten. [2]
Auch das Parlament von Tobruk verurteilte die Entsendung der
Schiffe als einen Angriff auf die Souveränität Libyens und rief den
UN-Sicherheitsrat an. Diesbezügliche Absprachen zwischen dem Präsidialrat und
Italien würden nicht anerkannt.
Die italienische Verteidigungsministerin Roberta Pinotti
sagte, die Schiffe würden nur auf Bitte der libyschen Behörden auslaufen. Nach
seinem Treffen mit Macron und Heftar in Paris hatte der Vorsitzende des
Präsidialrats, Sarradsch, in Rom dem italienischen Premierminister Paolo
Gentiloni einen Besuch abgestattet. Anschließend verkündete Gentiloni,
Sarradsch hätte die Italiener darum gebeten, Militärschiffe in libysche
Hoheitsgewässer zu entsenden.
Dies wurde am nächsten Tag von Sarradsch dementiert: Er habe
die italienische Marine nicht ermächtigt, auf libysches Territorium
vorzudringen, ebenso wenig wie Kampfflugzeugen oder anderen italienischen
Flugzeugen dies erlaubt würde. Daraufhin meldete sich der Verteidigungsminister
der ‚Einheitsregierung‘, Mohamed Siala, der bei dem Gespräch mit dabei war, zu Wort
und meinte, die Bitte um „logistische, technische und operative Unterstützung“
hätte auch „die Anwesenheit von Teilen der italienischen Marine im Hafen von
Tripolis beinhaltet, aber nur für diesen Zweck und nur falls nötig.“[3]
Noch am gleichen Tag ankerte das italienische
Patrouillenboot Commandante Borsini im
Hafen von Tripolis. An Bord befand
sich eine sogenannte ‚Expertengruppe‘, die zu einem fünftägigen Arbeitsbesuch
in Tripolis bleiben wollte.
Sarradsch hat nicht die Legitimation, fremde Truppen ins
Land zu holen. Im Abkommen von Skhirat wurde ausdrücklich festgelegt, dass eine
‚Einheitsregierung‘ erst mit der Annahme durch das libysche Parlament (Tobruk)
in Kraft tritt. Diese Annahme ist nie erfolgt.
Zwischenzeitlich werden die Proteste in der libyschen
Bevölkerung immer lauter. Unter Hinweisen auf den Nationalhelden Umar
al-Muchtar, der Jahrzehnte gegen die italienischen Kolonialherren kämpfte, wird
massenhaft zum Widerstand gegen die Neokolonialisierung aufgerufen.
Am 3. August drohte General Heftar gar damit, italienische
Nichthandelsschiffe in den libyschen Hoheitsgewässern anzugreifen. Die
Luftwaffe und die Marine der LNA wurden angewiesen, sich gefechtsbereit zu
halten.
Den Italienern wird vorgeworfen, die Migrantenkrise
‚exportieren‘ zu wollen, indem sie die schwarzafrikanischen Flüchtlinge in das
Transitland Libyen zurückschicken. Schließlich hat aber nicht zuletzt Italien
das Flüchtlingsproblem durch den NATO-Krieg 2011 und die Ermordung Gaddafis
geschaffen. 2011 wurden auch mit der Hilfe Italiens die staatlichen Strukturen
zerstört und Libyen zum failed state.
Eine Rückführung der Migranten nach Libyen würde die Sicherheitslage in Libyen
noch mehr destabilisieren.
Der Migrantenstrom über das Mittelmeer ist aber nur ein Grund
des Einsatzes der italienischen Marine in libyschen Hoheitsgewässern. Er würde
auch die Stärkung der islamistischen Milizen in Tripolis bedeuten, die im
Moment auf Seiten des Präsidialrats und Sarradsch stehen. General Heftar hatte vor
Kurzen angedroht, auch in Tripolis einmarschieren zu wollen. Eine italienische
Militärpräsenz in der Stadt würde dies erschweren. Die italienischen
Kriegsschiffe würden in der Marinebasis Abu Sita ankern, in der Sarradsch und
seine ‚Regierung‘ ihren Sitz haben und diese so schützen.
Sollten sich die Italiener wirklich trauen, Kriegsschiffe in
die Hoheitsgewässer Libyens zu entsenden und sollte General Heftar diese
wirklich angreifen, könnte dies zu einem neuerlichen Krieg in Libyen führen. Um
ihren NATO-Partner zu unterstützen, könnte der Westen von neuem das bereits am
Boden liegende Land bombardieren.
Angelika Gutsche, 7.8.2017
[1] Seit
dem 30. August 2008 bestand zwischen Italien und Libyen ein
Freundschaftsvertrag. Dieser sah Entschädigungszahlungen
in Höhe von mehreren Milliarden Euro für die 30 Jahre währende Kolonialzeit
vor. Im Gegenzug verpflichtete sich Libyen, den Flüchtlingsstrom über das
Mittelmeer zu stoppen. Seitdem hatten sich die Beziehungen zwischen beiden
Ländern stetig verbessert, Italien wurde zum wichtigsten libyschen Handelspartner.
[2] www.libyaherald.com/2017/08/06/saif-qaddafi-says-italian-deployment-is-attempt-at-recolonisation-report/
[3] www.libyaherald.com/2017/07/30/siala-says-serraj-did-invite-italian-warships-into-libyan-waters/
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