Die Zerstörung Libyens im Spiegel der sich ändernden geopolitischen Machtverhältnisse
Libyen. Ohne Rücksicht
auf die betroffenen Völker und deren Menschen werden rücksichtslose und
gefährliche Weltmachtspielchen ausgetragen.
Wie bekannt, standen Gaddafis Bemühungen um die Schaffung
einer afrikanischen Währungsunion und der Einführung eines goldgedeckten
afrikanischen Dinars bei seinem Sturz 2011 kurz vor der Vollendung. Afrika
sollte aus seiner finanziellen Abhängigkeit gegenüber dem Westen mit Hilfe der
Schaffung dreier Institutionen befreit werden: der African Investment Bank im
libyschen Sirte, den African Monetary Fund (Afrikanischer Währungsfonds/AFM)
mit 42 Milliarden US-Dollar Einlagen in Yaoundé (Kamerun) und mit der
Afrikanische Zentralbank im nigerianischen Abuja. Die Guthaben der libyschen
Zentralbank in Höhe von rund 30 Milliarden US-Dollar standen zu diesem Zweck
zur Verfügung. Daneben besaß Libyen Gold im Wert von sechs Milliarden US-Dollar
und ebenso viel Silber, die seit dem Sturz Gaddafis verschwunden sind und in
den USA vermutet werden.
Diese für 2011 geplanten Vorhaben hätten voraussichtlich
das Ende des westafrikanischen CFA-Franc bedeutet, mit dem Frankreich seine
dreizehn ehemaligen afrikanischen Kolonien eng an sich bindet. Der von der
französischen Zentralbank kontrollierte CFA-Franc (Franc de la Communauté
Financière d’Afrique) war das Ergebnis der Verhandlungen von Bretton Woods, bei
denen 1944 das Weltwährungssystem neu geordnet wurde. „Dieses System sichert
Frankreich einen ungehinderten Zugang zu den afrikanischen Märkten und die
Versorgung mit billigen und strategisch wichtigen Rohstoffen (Öl, Uran,
Diamanten, Gold). Der freie Kapitalverkehr sorgt für die ungehinderte
Repatriierung von Profiten und Korruptionsgeldern.“[1] Und
weiter: „Das Regime des CFA ist die Grundlage für das Fortbestehen jenes
‚Francafrique‘ genannten Systems der Ausplünderung Afrikas und der kriminellen
Praktiken französischer Konzerne, die, flankiert von der Politik, von Korruption
bis zu Waffenschmuggel und Mord reichen. Abgesichert wird die Dominanz
Frankreichs durch Militärbasen in zahlreichen seiner ehemaligen Kolonien.“ Die
Abkommen, die diesbezüglich mit den aus den Kolonien hervorgegangenen Staaten
getroffen wurden, sind größtenteils immer noch geheim.
Nur zwei Monate, nachdem die afrikanischen Länder eine
Beteiligung Frankreichs am AFM abgelehnt hatten, begannen die Aufstände gegen
Gaddafi in Libyen. Am Ende des Krieges stand das Einfrieren von 30 Milliarden
Dollar auf westlichen Konten, die dem libyschen Staat gehört hatten und zur
Finanzierung eben dieser drei Projekte gedacht waren.
Rückblickend frage man sich, was geworden wäre, hätte
Gaddafi seine Politik verwirklichen können. Hätte dann nicht der heute so viel
beschworene wirtschaftliche Aufschwung und damit einhergehend die verbesserten
Lebensgrundgrundlagen der afrikanischen Bevölkerung dafür gesorgt, dass nicht
mehr unzählige Migranten den Weg nach Europa suchen? Hat nicht der Sturz
Gaddafis genau die Lösung, die heute händeringend gesucht wird, verhindert,
nämlich eine allgemeine Anhebung der Lebensverhältnisse in weiten Teilen
Afrikas?
Von Anfang an setzten die USA, Frankreich und Großbritannien
auf Krieg und den Sturz Gaddafis. Um erst gar nicht die Möglichkeit für
Verhandlungen aufkommen zu lassen, wurden unverzüglich die Botschafter aus
Tripolis abgezogen. Vermittlungsangebote, unter anderem von der Türkei und der
Afrikanischen Union, wurden abgelehnt. Joschka Fischer erklärte, die südliche
Gegenseite des Mittelmeers gehöre zur unmittelbaren Sicherheitszone der EU.[2]
Am 1. Mai 2011 sagte Moussa Ibrahim in der BBC: „Wir haben
immer wieder unsere Verhandlungsbereitschaft erklärt. Wir sind bereit für einen
Friedensplan, für eine politische Übergangszeit, bereit für Wahlen, bereit für
ein Referendum“.
Doch daran hatten Frankreich, Großbritannien und die USA
natürlich kein Interesse. Es galt, die postkolonialen Einflusszonen zu schützen
und Libyen zu zerschlagen.
Der arabische
Frühling: Moslembrüder an die Macht
Die Vorarbeit dazu war bereits in Tunesien und Ägypten
geleistet worden. Dort war die Moslembruderschaft als der neue Verbündete der
amerikanischen Außenministerin Clinton mit massiver Unterstützung der USA an
die Macht gekommen und die alten Regierungen, die sich geweigert hatten als
Aufmarschgebiet gegen Libyen zu dienen, gestürzt. Die Moslembrüder erfreuten
sich auch der uneingeschränkten Unterstützung der Türkei und Katars. In Libyen
wurden die aufständischen Islamisten finanziert, ausgebildet und mit Waffen
versorgt, so dass die Proteste sofort in Gewaltexzesse umschlugen.
Allerdings bestanden nicht nur zwischen den westlichen
Regierungen, sondern auch innerhalb von Regierungen Meinungsverschiedenheiten
über das Vorgehen in Libyen. So war
Verteidigungsminister Robert Gates strikt gegen die militärische Intervention,
die Hillary Clinton gegen seinen Willen bei Barak Obama durchsetzte. Auch die
NATO-Länder waren gespalten: Nur 14 der insgesamt 28 NATO-Staaten beteiligten
sich am Krieg gegen Libyen und die Befehlsgewalt konnte erst am 31. März, also
zwei Wochen nach Beginn der Bombardierungen, an die NATO übergeben werden.
Deutschland mit Außenminister Guido Westerwelle enthielt sich im
UN-Sicherheitsrat sogar der Stimme als es um die Einrichtung der Flugverbotszone
ging.
Hillary Clinton
fand ihren Plan sicher genial: Mit Hilfe von arabischen Staaten die Regierungen
anderer arabischer, nämlich der arabisch-sozialistischen Staaten zu stürzen und
Vertreter des politischen Islams, sprich Moslembrüder und al-Kaida, an die
Macht zu bringen. Deren Interessen deckten sich, zumindest vordergründig, mit
denen des Westens: alle sozialistischen Ideen ausmerzen, neoliberale
Wirtschaftsvorstellungen durchsetzen und die Bevölkerung in Dummheit und Armut
halten. Vorwärts in den Frühkapitalismus.
Nachdem in Tunesien
und Ägypten die Moslembrüder an die Macht gebracht waren und Libyen zerstört,
konnten die Waffen aus den libyschen Militärbeständen den islamistischen
Kräften in Syrien weitergereicht werden, um den nächsten Brocken zu schlucken:
Die Regierung des ebenfalls säkular-arabisch-sozialistischen Syriens, die noch
dazu ein Verbündeter Russlands war, musste weg. An dschihadistischen Kämpfern
fehlte es dank guter Bezahlung nicht. Die arabische Welt ist voll von armen
Schluckern, die bereit sind, für wenig Geld in den heiligen Krieg zu ziehen.
Soweit der Plan. Die Realität entwickelte sich allerdings
etwas anders. Libyen war zwar zerstört, doch bisher gelang es weder, eine
Marionettenregierung zu installieren, noch Libyen in drei Teile zu spalten. In
Syrien hält sich die Regierung Assad bis heute und ist dabei den Krieg zu
gewinnen.
Die Zerschlagung des Staates Libyens hatte die
Destabilisierung der gesamten Sahelzone zur Folge. Die Sahara ist Kriegsgebiet
und Deutschland wird nun auch in Mali verteidigt.
Libyen dient auch nicht mehr als Pufferzone für Migranten
auf ihrem Weg über das Mittelmeer nach Europa. Libyen ist nicht mehr das
gelobte Land, das Schwarzafrikanern Arbeit verspricht, sondern es wurde über
Nacht zu einem für Leib und Leben höchst gefährlichem Land, das ein Migrant
schnellst möglich durchqueren sollte. Hunderttausende Schwarzafrikaner nehmen
nun die Chance wahr, über die libysche Küste nach Italien zu gelangen.
Alles läuft aus dem
Ruder
Bereits mit der Ermordung von US-Botschafter Stevens in
Bengasi im Jahr 2012 war abzusehen, dass sich Clintons Pläne nicht nur in
Libyen zu einem Desaster entwickeln werden, sondern ihr später sogar die
Präsidentschaft kosteten.
Auch die Unterstützung aus den Nachbarländern brach weg. Der
Moslembruder Mursi, im Juni 2012 zum ägyptischen Präsidenten gewählt, wurde
schon im Juli 2013 nach tagelangen Massenprotesten durch einen Militärputsch
abgesetzt. Besonders übel war ihm angerechnet worden, dass er den Suez-Kanal an
Katar verscherbeln wollte. Der säkular ausgerichtete Militär al-Sisi und Feind
aller Moslembrüder trat im Juni 2014 sein Amt als ägyptischer Präsident an.
Auch in Tunesien wendete sich das Blatt. Gegen die mit
massiver US-Unterstützung nach dem Sturz Ben Alis an die Macht gekommene
islamistische Ennahda-Bewegung kam es im Juli 2013 nach der Ermordung
oppositioneller Politiker zu Massendemonstrationen und die Islamisten mussten
2014 einer sogenannten ‚Technokraten-Regierung‘ Platz machen.
In Libyen verloren die islamistischen Kräfte 2014 krachend
die Wahlen. Als sie sich weigerten, die Macht an das neu gewählte Parlament und
deren Regierung abzutreten, kam es zum Bürgerkrieg, in dessen Verlauf das
gewählte Parlament und die Regierung aus Tripolis in den Osten des Landes flüchten
mussten. Islamistische Milizen wie Libya Dawn und die Libyan Islamic Fighting
Group LIFG errichteten unter Führung des al-Kaida-Mannes Abdelhakim Belhadsch
in der Hauptstadt eine Schreckensherrschaft. Allein schon die weitere
Unterstützung dieser islamistischen Tripolis-Regierung durch den Westen,
insbesondere durch den UN-Sonderbevollmächtigen Martin Kobler, führt die
Behauptungen des Westens, in Libyen Demokratie und Menschrechte verankern zu
wollen, ad absurdum. Auf die sogenannte ‚Einheitsregierung‘ unter Sarradsch sei
an dieser Stelle nicht weiter eingegangen, da es sich dabei von vornherein um
eine Totgeburt handelte.
Die al-Sisi-Regierung Ägyptens, die nichts mehr fürchtete
als einen islamistischen Staat an ihrer östlichen Grenze, unterstützte nun
massiv – ebenso wie die VAE, die in Gegnerschaft zu Katar standen – das nun in
Tobruk tagende Parlament und die Übergangsregierung im Osten des Landes. Das
Parlament ernannte General Heftar, der mit seinen Milizen im Osten,
insbesondere in Bengasi, die Dschihadisten und al-Kaida bekämpfte, zur
offiziellen Libyschen Nationalarmee. Dabei bekam er mit Duldung der USA
Unterstützung von Frankreich, das – anders als Italien – nicht die Islamisten
in Tripolis und deren Hochburg Misrata, sondern Heftar unterstützte. Heftar,
ein Mann der CIA, der 2011 aus den USA herbeieilte, um Gaddafi stürzen zu
helfen, begann nun, auch die Kontakte nach Russland zu intensivieren. Daneben
werden Heftar Kontakte nach Israel nachgesagt, von wo er auch mit militärischer
Unterstützung rechnen konnte.[3]
Aufgrund der militärischen Hilfe von all diesen Mächten konnte Heftar die
Islamisten zurückdrängen und größere militärische Erfolge erringen.
Einen Beitrag dazu leisteten auch die libyschen Stämme, die
im Süden das Sagen haben und ohne deren Unterstützung sich keine Regierung wird
behaupten können. Muamar al-Gaddafis Sohn Saif al-Islam Gaddafi ist dabei der
große, rosarote Elefant, der in jedem Bild steht, von dem aber jeder so tut,
als ob er ihn nicht sähe und es ihn nicht gebe.
Russland greift
militärisch in Syrien ein
Das nächste Fiasko für die US-Strategie und den Westen
kündigte sich im September 2015 an, als Russland mit Kampfeinsätzen auf Seiten
der syrischen Regierung in den von außen gesteuerten Bürgerkrieg eingriff. Es
zeigte sich, dass die von den USA gesponserten sogenannten gemäßigten
Islamisten keine gemäßigten Islamisten waren, sondern nach Erhalt von Waffen
und Geldern zu al-Kaida überliefen. Es waren ganz echte Islamisten, die
Andersgläubige verachteten und bekämpften. Der Westen hatte sich Nattern am
eigenen Busen gezüchtet. Die alten Verbündeten entwickelten sich immer mehr zu
den neuen Feinden, so wie man das ja schon aus Afghanistan kennt. Syrien ist
aber nicht Afghanistan und die Russen hatten auch nicht mehr so viel mit der
alten geschlagenen Sowjetmacht gemein, sondern führten ihre neuen militärischen
Muskeln vor. Und so ist der syrische Präsident Assad mit Unterstützung
Russlands, des Irans und auch Chinas auf dem besten Weg, den Krieg gegen die
Islamisten zu gewinnen. Nebenbei: Diese erfreuen sich in der Bevölkerung
keinerlei Beliebtheit, weder in Syrien noch in Libyen, was sicher auch zu ihrem
Untergang beiträgt.
Die Rolle der Türkei
Auch die Türkei, einer der wichtigsten Unterstützer der
islamistischen Milizen in Libyen und Syrien, hat inzwischen gemerkt, dass sich
der Wind gedreht hat. Vor allem aus wirtschaftlichen Gründen musste die Türkei
die Annäherung an Russland suchen, was dem Westen und Europa überhaupt nicht
gefällt. Erdogan verspricht sich auch in der Kurdenfrage mehr Entgegenkommen
von Russland und Syrien als von Europa und den USA. Wenn Erdogan aus
Menschenrechtsgründen und sonstigen vorgeschobenen edlen Motiven von Europa
kritisiert wird, kann man das getrost unter ‚Heuchelei‘ abhaken. Wenn die
türkischen Menschenrechtsverletzungen im Sinne des Westens begangen werden,
schweigt man sie schön tot, wenn Erdogan allerdings versucht, sich mit Russland
und Syrien zu verständigen, ist es ein ganz schlimmer Finger, aber natürlich
nicht deswegen, sondern weil er Regierungskritiker
wegsperrt. Friedensbemühungen stehen nur dem guten Westen zu und
Menschenrechtsverletzungen begehen immer nur die bösen anderen, und zwar gerade
dann, wenn es ins politische Kalkül passt.
Trump wird
US-Präsident
Das gesamte Projekt „Neuer Naher Osten“ schien also bereits
aus der Spur zu laufen als mit der Wahl Trumps zum neuen US-Präsidenten im
November 2016 der totale GAU eintrat. Trump vertrat jene Sicht der Militärs
und Geheimdienste, die sich von vornherein gegen den Sturz Gaddafis und den
Plan, al-Kaida als Proxi-Kämpfer in arabischen Ländern anzuheuern,
ausgesprochen hatten.
Diese Ablehnung geschah bestimmt nicht aus edlen Motiven,
sondern in der nicht unbegründeten Angst, dass diese Kriege die USA in den
finanziellen Ruin treiben und auf lange Sicht den Einfluss und das Prestige
Russlands in der Welt nachhaltig fördern könnten.
Makron lässt
Frankreichs koloniale Afrika-Ambitionen wieder aufleben
Da Frankreich schon seit längerem General Heftar und seine
LNA beim Kampf gegen die Islamisten unterstützt, fuhr Trump kurz nach dem
G20-Gipfel in Hamburg, wo er sich mit Putin getroffen hatte, zu Gesprächen mit
dem neugewählten, smarten französischen Präsidenten Macron nach Paris. Dieser
lud daraufhin nicht nur den Einheits-Sarradsch aus Tripolis, sondern auch den
LNA-General Heftar nach Paris zu sogenannten Friedensgesprächen ein. Nach dem
Treffen gab es zwar ein Bla-Bla-Zehn-Punkte-Papier, das aber niemand
unterzeichnen mochte.
Allerdings war nun klargestellt, dass in Sachen Libyen
innerhalb Europas ab jetzt Frankreich das Sagen hatte. Macron konnte sich als
Friedensstifter – allerdings ohne Frieden – präsentieren, und seine
Möchtegern-Bedeutung in Afrika zur Schau stellen. Anstatt wie früher mit Katar
arbeitet Frankreich nun eng mit Ägyptens al-Sisi zusammen, dem es 2015 noch
unter Hollande 24 Rafale-Kampfflugzeuge, zwei Mistral-Hubschrauberträger, eine
Fregatte und Raketen, alles im Wert von 5,2 Milliarden Dollar, lieferte. Damit
darf Ägypten auch mal Islamisten in Libyen bombardieren.[4]
Frankreichs Wunschvorstellung dürfte es sein, General Heftar als Chef einer
neuen Militärregierung à là Ägyptens al-Sisi zu installieren. Da sei Saif
al-Islam Gaddafi vor!
Es ist ziemlich eindeutig, dass Frankreich an seine
koloniale Vergangenheit anknüpfen will und eine Afrika-Politik fährt, die
seinen Macht- und Wirtschaftsinteressen dient. Allerdings kam diese Politik
Frankreich im letzten Jahrhundert am Ende der Kolonialzeit schon einmal
ziemlich teuer zu stehen.
Saudi-Arabien, Katar
und die Türkei
Saudi Arabien wurde von Trump dank Waffengeschäften und
Verbalattacken gegen den Iran auf Linie gebracht, Katar, das weiterhin auf die
Moslembrüder setzte, von den arabischen Bruder-Ländern isoliert. Die
Moslembrüder waren Saudi-Arabien schon immer ein Dorn im Auge und von den
Dschihadisten in Tripolis und Misrata auf Heftar im Osten umzuschwenken, war
deshalb leicht. Nur die Türkei muss Katar wegen seiner wirtschaftlichen
Abhängigkeit im Moment noch die Treue halten, wobei ihm dies aus ideologischer
Sicht nicht schwer fallen dürfte.
Die IS-Kämpfer haben sich immer mehr in den Süden Libyens
zurückgezogen und machen nun in der Sahara und den Sahelgebieten die
Grenzgebiete zu Tschad, Niger und Algerien unsicher.
Der Tschad
In den letzten Jahren unterstützt Frankreich auch den
südlich von Libyen gelegenen, bitterarmen Tschad und seinen Präsident Déby
immer stärker. Déby war gegen den Sturz Gaddafis und gegen den Libyen-Krieg.
Heute stellt der Tschad, der wirtschaftlich komplett von Frankreich abhängig
ist, Kämpfer zur Unterstützung von Heftars LNA. Dafür operieren mit
Unterstützung libyscher Islamisten, vor allem Misrata-Milizen und
al-Kaida-Kämpfern aus Bengasi, oppositionelle tschadische Gruppen von Libyen
aus gegen Déby. Da diese Gruppen von Katar unterstützt werden, hat der Tschad
am 23. August die Schließung der Botschaft von Katar in seiner Hauptstadt
Dschamena angeordnet.
Die Rolle Israels
Die Träume Israels scheinen ein geteiltes Libyen zu sein,
zwar mit einer Armee unter Heftar, aber zwei Regierungen, eine im Osten und
eine im Westen: die beiden Landeshälften durch eine Grenze getrennt,
kontrolliert durch die Nachbarländer und mit der Stationierung einer
multinationalen Truppe unter UN-Mandat.[5]
Israels Träume und libysche Albträume!
Und Russland
Russland wird wohl von allen Mitspielern eine kleine Rolle
im zukünftigen Libyen eingeräumt, weitere Waffengeschäfte mit Libyen – im
Moment scheinen die Deals über Algerien zu laufen, das neunzig Prozent seiner
Waffen von Russland bezieht – und vielleicht ein Marinestützpunkt in der
Kyrenaika? Russland ist sich durchaus bewusst, dass Heftar ein schillernder
CIA-Mann ist und trauert bestimmt den guten alten Gaddafi-Zeiten nach. Der
Kontakt zu den libyschen Stämmen scheint nach wie vor zu stehen.
Italien – der große
Verlierer
Ein großer Verlierer bei dem ganzen Spiel ist Italien. Nach
der grauseligen Kolonialgeschichte, die Italien mit Libyen verbindet,
entstanden eigentlich recht gute und für beide Länder fruchtbare Beziehungen,
die nun restlos dahin sind. Seit Italien den Franzosen, Briten und der USA
seine Militärbasen für Flüge zur Bombardierung Libyens trotz des zwischen
beiden Ländern geschlossenen Freundschaftsvertrags zur Verfügung stellte, offen
die islamistischen Kräfte in Tripolis und Misrata unterstützte und seine Kriegsmarine
wieder in Tripolis einläuft, dürfte sich Italien alle libyschen Sympathien
verscherzt haben. Dafür hat jetzt bei Verhandlungen Frankreich das Sagen und
Italien stattdessen ein riesiges Flüchtlingsproblem, das vermutlich bei den
nächsten Wahlen das Land zerreißen wird.
Alle Versuche Italiens und der EU, die Flüchtlingswelle aus
Schwarzafrika einzudämmen, werden nicht wirklich erfolgreich sein, auch nicht
durch den Einsatz der italienischen Marine, dem Aufbau einer
dubios-mafiös-kriminellen libyschen Küstenwache oder den lachhaften Versuch,
Grenzzäune durch die libysche Sahara zu ziehen. Italien hat beim
Libyen-Abenteuer einfach die Arschkarte gezogen.
Der Nahe Osten sollte wieder einmal in guter alter
Kolonialmanier von den Globalplayern aufgeteilt werden. Doch könnte das Projekt
„Neuer Naher Osten“ noch ganz anders enden als in der von den Strippenziehern
gedachten Weise.
Die große Frage bleibt: Wie sind nachhaltig die
rücksichtslosen Machtspiele zu stoppen, die so viel Leid und Schmerz über die davon
betroffenen Völker bringen?
Angelika Gutsche
27.08.2017
[1]
https://www.jungewelt.de/artikel/316520.westliche-politik-der-zerst%C3%B6rung.html
[2] SZ
vom 22.3.2011
[3]
https://www.alaraby.co.uk/english/news/2017/7/24/libyas-haftar-provided-with-israeli-weaponry-following-uae-mediated-meetings
[4]
https://deutsch.rt.com/afrika/56259-frankreich-afrika-macron-libyen-kolonialismus-vormacht-mali-krieg/
[5]
http://www.israeldefense.co.il/en/node/28458
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