Ein Libyer klagt gegen die NATO
Tripolis/Brüssel. Bei
einem Bombenangriff auf sein Haus verlor Khalid al-Hamedi dreizehn Familienmitglieder,
darunter seine schwangere Frau und seine zwei Söhne. Nun will er Vergeltung.
Khalid al-Hamedi ist Präsident der International Organisation for Peace, Care and Relief OPCR
(Internationale Organisation für Frieden, Fürsorge und Hilfsleistungen). Er
allein verlor durch Nato-Bombardements dreizehn Familienmitglieder, darunter
seine schwangere Frau, seine zwei Söhne, seine Nichte, Tante und Kusine.
Weitere Familienmitglieder wie seine Mutter, sein Vater und seine Schwestern,
die zum Zeitpunkt des Angriffs zuhause waren, erlitten Verletzungen.
Vivalibya veröffentlicht
ein Interview, das Sputnik mit
al-Hamedi führte.[1]
Hamedi weist darin noch einmal auf die vielen von der NATO 2011 begangenen
Kriegsverbrechen durch die Tötung von Zivilisten hin. So starben in Bani Walid
dutzende Menschen bei Angriffen auf Zivilisten, darunter eine ganze Familie,
die zum Dschefara-Clan gehörte. Bei schweren Bombardements auf Zliten mussten
viele Zivilisten ihr Leben lassen, einschließlich der Mustafa
al-Morabit-Familie. Und in Sirte waren junge Gaddafi-Unterstützer das Ziel, die
ganze Diab-Familie fand den Tod. Bei den Bombenangriffen auf die Konvoys von
Saif al-Islam Gaddafi und Muammar al-Gaddafi wurden neben den prominenten Opfern
auch hunderte junger Freiwilliger getötet.
Insgesamt flog die NATO in Libyen 26.000 Einsätze und
zerstörte bei 9.500 Angriffen 6.000 Ziele. Frankreich allein flog 5.316
Einsätze, warf tausend Bomben und schoss hundert Missiles ab.
Hamedis Vater, Generalleutnant al-Khuwaildi, war ein
Vertrauter Gaddafis und Mitglied des Nationalen Kommandorevolutionsrats. Hamidi
sagt, sein Vater habe „im Mai 2011 einen Anruf vom Büro des damaligen
Präsidenten Sarkozy erhalten. Ihm und seiner Familie wurde ein sicherer
Fluchtweg über das tunesische Dscherba nach Paris angeboten.“ Sein Vater hätte
dieses Angebot wütend ausgeschlagen. „Wegen der Weigerung meines Vaters, sich
mit dem Feind zu verbünden, wurde er Ziel der NATO-Angriffe. Sein Büro in
Tripolis und unser Haus in Sorman wurden später bombardiert.“ Laut einem
NATO-Kommuniqué war die Bombardierung gerechtfertigt, da das Haus als legitimes
militärisches Ziel betrachtet worden war: TV-Antennen hätten das Vorhandensein
eines Kommunikationszentrums vermuten lassen. Allerdings hatte Hamedis Vater zu
diesem Zeitpunkt keinerlei exekutiven Aufgaben, sondern arbeitete für die
Kontroll- und Justizbehörde. „Es war klar, mit den Bomben sollte mein Vater
getötet und das Regime geschwächt werden. Im Westen des Landes sollte Chaos
verbreitet und die Übernahme durch die Milizen möglich gemacht werden, um deren
Marsch auf Tripolis und die Machtübernahme zu erleichtern.“ In Libyen begann der
militärische Kampf gegen die NATO.
In Brüssel brachte der französische Anwalt von Hamedi den
Fall vor Gericht, 2012 fand die erste Anhörung statt. Es ging dabei um die
Aufhebung der Immunität der NATO. Brüssel war deshalb als Gerichtsort gewählt
worden, weil Belgien Mitglied der NATO ist und sich in Brüssel das
NATO-Hauptquartier befindet. Im Oktober 2012 entschied das Gericht, die Klage
zurückzuweisen und die Immunität der NATO nicht aufzuheben, weil die Klägerin
kein europäischer Bürger ist und deshalb nicht befugt, den Fall in Brüssel zu
verhandeln.
Im Januar 2013 wurde Berufung eingelegt, am 12. Oktober 2017
sollte die Verhandlung stattfinden, um die Rechtmäßigkeit der Berufung zu
prüfen. Der Fall ist jetzt auf den 30. November 2017 verschoben. Erst nachdem
geprüft ist, ob die Immunität aufgehoben werden kann, kann der Fall selbst zur
Verhandlung kommen.
Hamdis Fall steht stellvertretend für die vielen zivilen
Opfer, die Libyen durch die NATO-Bombardements zu beklagen hat: „Das ist das
Mindeste, was ich für meine Frau, meine Kinder und Verwandten und für alle
anderen libyschen Familien, die unter den Bombenhagel der mörderischen
Kriegsallianz starben, tun kann. Es ist meine moralische Verpflichtung, mit
allen mir zur Verfügung stehenden legalen Mitteln bis an mein Lebensende
Vergeltung für die Ermordung meiner Kinder und all der anderen zu suchen.
Libysche Familien haben mich damit beauftragt, die NATO auch in ihrem Namen zu
verklagen. Das ist mir eine große Ehre. Ich plane mit Hilfe eines juristischen
Experten für internationales Recht, Dr. Mohamed Zubaida, in Libyen eine
Vereinigung von NATO-Opfern zu gründen.“
„Wir bekommen Unterstützung von Freunden und Verwandten aus
verschiedenen Ländern. Dies ist nicht der persönliche Fall von Khalid
al-Khuwaildi, sondern es ist der Fall des gesamten libyschen Volkes, das durch
die unmittelbare Aggression und deren Konsequenzen, den Einfall der Milizen und
das Auftauchen islamistischer terroristischer Gruppen, betroffen ist.“
„Ich wünsche mir mediale, humanitäre und juristische
Unterstützung für unseren ehrenvollen Fall. Mit Gottes Hilfe werden wir die
Ersten sein, die eine historische Anklage gegen die NATO erheben.“
Angelika Gutsche, 7.11.2107
[1] https://vivalibya.wordpress.com/2017/11/03/khaled-k-al-hamedi-prosecuting-nato-for-war-crimes-in-libya/
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