Sklavenmärkte in Libyen?
Tripolis/Paris. Weltweite
Empörung über Sklavenversteigerungen in Libyen – Demonstrationen vor libyscher
Botschaft in Paris.
Der am 14. November 2017 auf CNN erschiene Filmbericht über
Sklavenhandel in Libyen erschüttert die ganze Welt. Die Journalisten zeigten eine
Sklavenauktion, bei der zwei junge, kräftige Männer aus Nigeria von einem
Uniformierten als Feldarbeiter angeboten und für umgerechnet etwa 880 US-$ ersteigert
werden.[1]
Zeid al-Hussein, der Vorsitzende des UN-Hochkommissariats
für Menschenrechte, erklärte, die Unterstützung der EU für die libysche
Küstenwache sei „inhuman“: „Wir können der modernen Sklaverei nicht
stillschweigend zusehen, wenn im Namen des Migrationsmanagements
Vergewaltigung, sexuelle Gewalt und Morde begangen werden und verzweifelte und
traumatisierte Menschen davon abgehalten werden, die europäischen Küsten zu
erreichen. Die Situation war vorher schon schrecklich, doch jetzt ist sie nur
noch katastrophal.“[2] Während
sich noch im September nur 7.000 Menschen in den Lagern aufgehalten hätten,
seien es jetzt etwa 20.000.
Auch Amnesty International zeigte sich schockiert. Und der
Vorsitzende der Afrikanischen Union, Alpha Condé, forderte Aufklärung und
Strafverfolgung dieser „verabscheuungswürdigen“ Taten.
Die libysche Menschenrechtskommission (NCHRL) meinte zu dem
CNN-Bericht über Sklavenmärkte: „Wir verurteilen die Verbrechen und
Gewalttaten, die an illegalen Migranten und Flüchtlingen begangen werden. Wir
waren immer über das Schicksal derjenigen besorgt, die bei ihrem Versuch, nach
Europa zu gelangen, auf See gestoppt, an Land zurückgebracht und in Libyen
gefangen gehalten werden.“
Der Generalstaatsanwalt, die Justiz und das Innenministerium
in Libyen werden aufgefordert, die Verbrechen in den Flüchtlingslagern zu untersuchen.
Den europäischen Politikern wirft die NCHRL allerdings vor, das Leiden der
Flüchtlinge in Libyen zu übertreiben. Es werde dazu missbraucht, die libyschen
Behörden zur Durchsetzung von Zielen zu nötigen, die bestimmte europäische Länder
verfolgen. Dazu zähle die Ansiedlung von Migranten in Libyen, das als
Alternative zu Europa zum Zielland gemacht werden soll.
Wie aus dem CNN-Bericht hervorgeht, finden die meisten
Sklavenauktionen auf von der ‚Einheitsregierung‘ kontrollierten Gebieten statt,
auch nahe der Hauptstadt Tripolis. So geben viele Libyer die Schuld an diesem
Verbrechen gegen die Menschlichkeit der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis, die
von kriminellen Milizen kontrolliert werde.
Den Anfang allen Übels sieht der britische Politiker George
Galloway im Sturz Gaddafis 2011: „Vierhundert Dollar für einen eigenen
schwarzen Sklaven in Nordafrika. Dies alles mit freundlicher Genehmigung von
David Cameron, William Hague, Barack Obama, Hillary Clinton und dem Zwerg
Nicolas Sarkozy [...] Sie zerstörten Libyen.“
Und die libyschen Reaktionen in den sozialen Medien sprechen
eine ähnliche Sprache: „Ich kann es nicht fassen, dass dies das gleiche Libyen
ist, indem ich geboren und aufgewachsen bin.“ Und eine bekannte Rechtsanwältin
aus Tripolis schreibt: „Niemand, auch keine Regierung, sollte Migranten in ein
Land abschieben, das sich im Krieg befindet. Die Welt sollte sich dafür
schämen, den Migranten die Türen zu verschließen und sie in einem Land, das von
Milizen kontrolliert wird, abzuladen.“
Alpha Blondy, ein bekannter Reggae-Musiker von der
Elfenbeinküste, rief die Afrikaner über Facebook auf, als Protest gegen diese
ungeheuerlichen Menschenrechtsverletzungen so lange vor den diplomatischen
Vertretungen Libyens zu demonstrieren, bis alle Sklaven in Libyen befreit sind.
Diesem Aufruf folgten in Paris mehrere tausend Menschen, die meisten aus
schwarzafrikanischen Ländern. Sie versammelten sich vor der libyschen Botschaft
in Paris und forderten ein Ende des Sklavenhandels in Libyen. Nachdem die Demonstranten versuchten,
in die Botschaft einzudringen, kam es zu Zusammenstöße mit der Polizei. Es
flogen Steine und die Polizei setzte Tränengas ein. Die Demonstranten zogen zur
Champs Elysée, wo sie sich nahe des Arc de Triomphe erneut sammelten. Wieder
kam es zu Straßenkämpfen.
Etliche afrikanisch-stämmige Fußballstars wie Paul Pogba
oder Sadio Mane äußerten öffentlich ihr Entsetzen über die Vorgänge in Libyen.
Eine der letzten, die zu den Sklavenmärkten Stellung nahmen,
waren Vertreter der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis. Diese versprach,
Untersuchungen aufzunehmen.
Die EU zeigt sich von dem Aufruhr unbeeindruckt und hält
daran fest, ihr Ausbildungsprogramm für die Küstenwache fortsetzen. Der
deutsche Außenminister Sigmar Gabriel sagte: „Dass wir weit davon entfernt
sind, gute Zustände zu haben, da hat die UN völlig recht". „Allerdings
gebe es keine Alternative zur Unterstützung der libyschen Küstenwache".[3]
Kann es sein, dass es den EU-Politikern gar nicht so unrecht
ist, dass schreckliche Bilder über die Zustände in libyschen Flüchtlingslagern
über die Bildschirme – auch der afrikanischen Welt – flimmern? Es war das
erklärte Ziel der EU, die Menschen in Schwarzafrika auch durch
Informationsprogramme über die Zustände, die sie in Libyen erwarten, von der
Fahrt an die Mittelmeerküste abzuhalten. Vielleicht ist es ja auch gar kein
Zufall, dass sich diese ganzen Vorfälle ausgerechnet in dem von der EU und UN
unterstützten ‚Einheitsregierung‘ und ihren kriminellen Milizen kontrollierten
Gebieten abspielen. Und die Sklavenversteigerungen? Die damit erzielten Einnahmen
dienen wohl als Kompensation für die entgangenen Gewinne für die Einstellung
des Menschenschmuggels über das Mittelmeer nach Italien.
Von libyscher Seite werden aber noch ganz andere Vorwürfe
laut. Der französische Geheimdienst soll das Material für den CNN-Bericht
beschafft haben, um eine Kampagne zu starten, die die Stationierung von
westlichen Truppen vorbereiten soll, unter dem Vorwand, die Sklavenmärkte in
Libyen verhindern zu müssen. Einmal mehr eine "humanitäre
Intervention"!
www.libyatimes.net/news/64-international-outrage-at-libya-slave-markets
www.libyaobserver.ly/news/libyan-human-rights-body-upset-over-cnn-report-slave-auctions-libya
www.libyaherald.com/2017/11/19/hundreds-demonstrate-in-paris-against-slavery-in-libya/
www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-11/libyen-menschenhandel-fluechtlinge-untersuchungskommission
https://sputniknews.com/europe/201711181059226444-police-tear-gas-human-trafficking-libya/
www.libyaobserver.ly/news/libyan-human-rights-body-upset-over-cnn-report-slave-auctions-libya
www.libyaherald.com/2017/11/19/hundreds-demonstrate-in-paris-against-slavery-in-libya/
www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-11/libyen-menschenhandel-fluechtlinge-untersuchungskommission
https://sputniknews.com/europe/201711181059226444-police-tear-gas-human-trafficking-libya/
Angelika Gutsche, 21.11.2017
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