Kurznachrichten Libyen – 07.05. bis 14.05.2023
Verschleppung politischer Aktivisten in der Stadt Sirte / Schwere Kampfhandlungen in az-Zawija / USA betreiben libysche Außenpolitik / Libyen und der IStGH / Schwerkranker as-Senussi immer noch in Haft
Sirte
+ 09.05.: Verschleppung.
Milizen, die Saddam Khalifa Haftar nahestehen, verhafteten in Sirte den
Juraprofessor und politischen Aktivisten Dr. Muftah Darbasch al-Gaddafi, als er
morgens Brot kaufen wollte. Dies ist nicht das erste Mal, dass Milizen in Sirte
Mitglieder des Gaddhadhfa-Stammes entführen.
Bereits am 01. Mai wurde Habib Muhammad Agiber Gaddafi verschleppt, weil sein
Bruder auf einem Foto des Präsidentschaftskandidaten Saif al-Islam Gaddafi zu
sehen war. Und im April war die Verhaftung von fünf Mitgliedern der Partei Gemeinsam
für das Vaterland durch den Internal Security Service, der Khalifa
Haftar angegliedert ist, erfolgt. Diese systematische Kampagne gegen
Unterstützer von Saif al-Islam Gaddafi wird von Nasser Muhalhal al-Ferdschani
(Cousin von Khalifa Haftar) und Ibrahim Ghobasch Gaddafi (Freund von Saddam
Haftar) und den al-Furdschan-Stamm angeführt.
Besonders in Sirte unterstützen die Wähler mehrheitlich Saif al-Islam Gaddafi
bei den Präsidentschaftswahlen und werden daher von Khalifa Haftar, der unter
angelsächsischem Kommando steht, massiv unter Druck gesetzt.
Es steht zu befürchten, dass es innerhalb der Stadt zu
Stammesauseinandersetzungen kommt.
Libyan Crimes Watch verurteilt in einer Erklärung die Festnahme Prof.
Muftah Darbasch al-Gaddafi und forderte seine bedingungslose und sofortige
Freilassung.
https://twitter.com/SaifFuture/status/1655945860327559170
https://twitter.com/SaifFuture/status/1655945697643077641
https://twitter.com/SaifFuture/status/1656329034102341636
Aussöhnung geht anders! Faire und freie Wahlen gehen auch anders!
+ 11.05.: Verschleppung.
Mitglieder des 604. Bataillons von Sirte unter dem Kommando von Nasser Muhalhl
al-Ferdschani stürmten in den frühen Morgenstunden das Haus der Familie Ahmed
Ibrahim Gaddafi und verschleppten den Sohn des ehemaligen
Dschamahirija-Regierungsmitglieds Ahmed Ibrahim Gaddafi.
https://twitter.com/SaifFuture/status/1656627352141438977
Siehe auch: https://gela-news.de/die-libysche-stadt-sirte-wird-zum-schauplatz-von-repression-und-gewalt
Az-Zawija
+ 09.05.: Vergewaltigung. In
den ‚sozialen‘ Medien kursiert ein Video, das zeigt, wie eine Libyerin in
az-Zawija Bewaffnete, die sie schlagen und misshandeln, anfleht, sie nicht zu
vergewaltigen. Die Frau soll in einem Facebook-Kommentar die prekäre
Sicherheitslage in der Stadt kritisiert haben. Es heißt, das Video sei in einem
Milizenhauptquartier in az-Zawija (westliches Libyen) aufgenommen worden.
Die ‚Regierung‘ Dabaiba wurde inzwischen dringend aufgefordert, die
Verantwortlichen zu verhaften.
https://libyareview.com/34336/libyan-girl-kidnapped-by-militia-after-facebook-comment/
+ 11.05.: Kämpfe. In der
Stadt az-Zawija kam es zu „Zusammenstößen mit schweren und mittleren Waffen und
Granaten in Wohnvierteln“. Videos zeigten die Intensität der Zusammenstöße
zwischen Milizen unter al-Kikli und Mukhtar al-Dschahawi (Anti-Terror-Miliz)
und Milizen von az-Zawija („Jugend“).
Die Kämpfe hielten bis in die frühen Morgenstunden an und gelten als die
heftigsten seit langem. Abdeldaem Lamrabet von der Anti-Terror-Miliz wurde
getötet.
Video: https://twitter.com/AlmieyarLibya/status/1656968601469853698
https://twitter.com/SaifFuture/status/1656833161823674372
https://twitter.com/MstrMax11/status/1656734513517436933
+ 11.05.: Zivilisten. Die
Kämpfe in az-Zawija wurden vorübergehend eingestellt, um die Evakuierung von
Zivilisten zu ermöglichen.
https://twitter.com/SaifFuture/status/1656832658523971586
Politik
+ 07.05.: Baschagha/Dschuwaili/Tripolis.
Der Befehlshaber der westlichen Militärkräfte, Generalmajor Osama
al-Dschuwaili, dementierte jegliche Absicht gegen die Hauptstadt Tripolis und
die Dabaiba-‚Regierung‘ in den Krieg ziehen zu wollen.
Al-Dschuwaili forderte alle, die sich an die Macht klammern, auf, diese
aufzugeben und Libyen nicht in weitere Kriege zu stürzen. Seine Streitkräfte
unterstützten politische Lösungen und die Abhaltung von Wahlen im Jahr 2023.
Dschuwaili unterstützt mit seiner Miliz die vom Parlament eingesetzte Gegenregierung
von Fathi Baschagha.
https://libyareview.com/34283/libyan-military-commander-denies-intentions-to-attack-tripoli/
+ 10.05.: Dabaiba/Baschagha.
Es soll von politischen und militärischen Parteien Versuche geben, die
Dabaiba-‚Regierung‘ weiter zu verlängern, falls 2023 keine Präsidentschafts-
und Parlamentswahlen stattfinden.
Es kursiert das Gerücht, der zweite ‚Premierminister‘ Baschagha könnte seinen
Rücktritt einreichen, weil er seine Ziele nicht erreichen kann.
https://twitter.com/SaifFuture/status/1656279959504125953
+ 10.05.: Dabaiba/Haftar. Das
Mitglied des Dialogforums, az-Zahra Langhi, erklärte, dass ad-Dabaiba und die
Haftar-Söhne einer Regierungsneubildung unter der Schirmherrschaft der VAE
zustimmen wollen. Dabei sollen der Haftar-Fraktion vier Ressorts (Ausland,
Inneres, Finanzen und Verteidigung) übertragen werden, vorausgesetzt, dass
Dabaiba Premierminister bleibt. Wahlen sind nicht vorgesehen, sondern der
Dabaiba- und der Haftar-Clan wollen sich die Macht teilen. Dieses Projekt ist
von vornherein zum Scheitern verurteilt und wird voraussichtlich kriegerisch
enden – der Sudan lässt grüßen.
https://twitter.com/SaifFuture/status/1656053096114450434
+ 11.05.: Neues Forum. Ein
von Mustafa az-Zaidi, der Khalifa Haftar nahesteht, angeführtes neues Forum
wurde von Agila Saleh bestätigt. Es wurde für den 20. Mai ein Treffen mit
Teilnehmern aus ganz Libyen in der Stadt Ras Lanuf angekündigt. Das Ergebnis
dieses Treffens soll die Abschaffung aller bisherigen politischen Gremien sein
und die Gründung eines verfassungsgebenden Gremiums, das die Abhaltung
gleichzeitiger Parlaments- und Präsidentschaftswahlen vorantreibt.
Zu den Zielen des Forums gehören außerdem die Bildung einer Miniregierung, die
Rückkehr von Migranten und Vertriebenen, die Freilassung von Gefangenen, die
Teilnahme an Wahlaufsichtsausschüssen und die Einrichtung eines Ausschusses für
Volksdiplomatie, der mit dem Ausland kommuniziert.
Die Einladung richtet sich an Scheichs, Honoratioren, Weise, Sozialräte,
zivilgesellschaftliche Institutionen, politische Parteien, Frauen und
Jugendliche, den Obersten Justizrat, Anwälte, Botschafter ausländischer Länder,
die UN-Mission, Parlamente, Staats- und Präsidialräte und Vertreter von
Präsidentschaftskandidaten.
https://twitter.com/SaifFuture/status/1656396657691357186
Libyen und das Ausland
+ 05.05.: USA/Tschad. Der
US-Botschafters in Libyen, Richard Norland, wurde von Mahamat Déby am 05. Mai
in der tschadischen Hauptstadt N’Dschamena empfangen.
Von tschadischer Seite hieß es, der Besuch des US-Botschafters sei Teil des
Versprechens Washingtons, Libyens Bemühungen um Frieden und die Überwindung des
Krieges zu unterstützen.
https://libyareview.com/34273/us-chad-meet-to-discuss-libyan-stability/
Der Tschad wird vom Vorsitzenden des Militärrats, Mahamat Itno Déby,
regiert, Sohn von Idriss Déby, der von 1990 bis zu seinem Tod 2021 Präsident des
Tschad war.
Rückblick: „1982 konnte abseits der großen Medien Hissène Habré mit der
Unterstützung der CIA und israelischer Truppen die Regierung von Goukouni
Wedeye [im Tschad] stürzen. [Gaddafi hatte mit Weddeye gegen die
Zentralregierung gekämpft]. Human Rights Watch berichtete: >Unter
Präsident Reagan haben die USA durch geheime paramilitärische Unterstützung der
CIA, geholfen, Habré zu installieren, um, so Außenminister Alexander Haig,
‚Gaddafi eine blutige Nase‘ zu verpassen<.
Ein Report von Amnesty International berichtete über massive
militärische und finanzielle Unterstützung für Habré durch den Kongress.“
https://www.nachdenkseiten.de/?p=97362#more-97362
In den 1980er Jahren war der rohstoffreiche Aouzou-Streifen zwischen dem Dschad
und Libyen umkämpft. Habré wurde von Idriss Débry gestürzt
+ 07.05.: GB/Haftar. Ein
militärisches Transportflugzeug C-130J der britischen Royal Air Force
machte eine kurze und ungewöhnliche Zwischenlandung in Bengasi im Osten
Libyens. Normalerweise fliegt GB Tripolis oder Misrata im westlichen Libyen an.
Am selben Tag landete ein Gulfstream G550 Privatjet, Code GLF5, vom
Flughafen Rom Ciampino aus in Bengasi.
https://libyareview.com/34322/british-military-aircraft-makes-unusual-stopover-in-benghazi/
+ 07.05.: Sudankrieg. Ein
Mitglied des Libyschen Politischen Dialogforums (LPDF), Ahmed asch-Scharkasi,
sagte, dass die Anordnung von US-Präsident Biden, Sanktionen gegen diejenigen
zu verhängen, die den Frieden im Sudan behindern, sich auch auf Libyen
auswirken wird.
https://libyareview.com/34268/libyan-official-us-sanctions-on-sudan-will-affect-libya/
+ 08.05.: USA/al-Menfi.
US-Botschafter Richard Norland und US-Chargé d’Affairs Leslie Ordeman
besprachen mit dem Vorsitzenden des libyschen Präsidialrats, Mohamed al-Menfi,
politische, wirtschaftliche und sicherheitspolitische Fragen. Gesprochen wurde
auch über ein „Projekt der nationalen Aussöhnung, über die Aufstellung einer
gemeinsamen Streitmacht zur Sicherung der südlichen Grenzen und über die Schaffung
nationale Mechanismen zur Priorisierung der öffentlichen Ausgaben“.
https://libyareview.com/34330/us-discusses-establishing-libyan-joint-military-force-to-secure-south-borders/
+ 08.05.: UN/Waffenembargo.
Aus einem neuen UN-Bericht geht hervor, dass mehrere Schiffe auf hoher See vor
der Küste Libyens die Kontrolle verweigerten. Bei zwei Einsätzen wurden
Ladungen beschlagnahmt, bei denen der Verdacht bestand, dass sie verbotene
Güter transportierten.
https://libyareview.com/34317/un-discusses-report-on-libya/
+ 10.05.: Zentralafrikanische
Republik. Die Zentralafrikanische Republik hebt die Entscheidung auf,
Vermögenswerte der Libyschen Afrikanischen Investmentgesellschaft
(LAICO) zu beschlagnahmen. Davon betroffen waren ein Fünf-Sterne-Hotel, zwei
Wohngebäude und ein Grundstück.
https://twitter.com/alwasatengnews/status/1656106630688194565
+ 10.05.: Türkische Besatzung.
Ein Transportflugzeugs vom Typ Airbus A400M Atlas der türkischen Luftwaffe
landete auf dem Stützpunkt al-Watija (westliches Libyen).
https://twitter.com/MstrMax11/status/1656364068049940490
+ 10.05.: Baschagha/China.
Die Baschagha-‚Regierung‘ unterzeichnete ein Kooperationsabkommen mit der China
Railway Group (CREG) und dem BFi Management zur Umsetzung von Wiederaufbau-
und Infrastrukturprojekten.
https://twitter.com/alwasatengnews/status/1656356286311661568
+ 11.05.: Frankreich/Sarkozy.
Französische Staatsanwälte forderten, dass gegen den ehemaligen Präsidenten
Nicolas Sarkozy ein neues Verfahren wegen illegaler Wahlkampffinanzierung in
Millionenhöhe im Jahr 2007 durch Gaddafi.
https://libyareview.com/34397/sarkozy-risks-new-trial-over-alleged-libya-financing-campaign/
+ 11.05.: Grenzkonferenz/Mauretanien/EU.
An einer von der EU unterstützten Konferenz in Nouakchott (Mauretanien) nahmen
Vertreter aus Libyen, Mauretanien, Burkina Faso, Tschad, Mali und Niger teil.
Die Länder der Sahelzone sollen bei der Entwicklung effektiverer Konzepte für
die Grenzkontrollen und die Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität
unterstützt werden.
https://libyareview.com/34400/libya-participates-in-border-management-counter-terrorism-conference/
Es soll die Migration unterbunden werden. Das dürfte sich in den Sahara- und
Sahelgebieten als schwierig erweisen, auch, weil es Siedlungsraum von Nomaden
wie den Tuareg ist, die sich über die Grenzen hinweg erstrecken.
Daneben soll es wahrscheinlich auch darum gehen, die Wagner-Gruppe aus der
Sahara-Sahelzone zu verdrängen.
Siehe auch: https://www.politico.com/news/2023/05/07/wagner-russia-africa-00095572
+ 11.05.: IStGH/Khan. Der
Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat am Donnerstag neue Haftbefehle
gegen mutmaßliche Kriegsverbrecher in Libyen erlassen, wie Karim Khan, der
Chefankläger des IStGH, bestätigte. Es wird die Einrichtung eines IStGH-Büros
in Libyen geplant. Die Zusammenarbeit mit Libyen werde sich verstärken.
https://libyareview.com/34381/icc-issues-new-arrest-warrants-for-alleged-war-criminals-in-libya/
„Die gegenwärtigen Machtverhältnisse hinter dem IStGH, der kein Gericht der
UNO ist, sondern unabhängig auf einem internationalen Vertrag mit 124 Staaten
beruht, sind derart, dass bisher kein Verfahren gegen einen Mitgliedstaat der
NATO eröffnet wurde. In den Fällen, in denen die ehemalige Chefanklägerin Fatou
Bensouda es versuchte – gegen USA und Großbritannien wegen Foltervorwürfen in
Afghanistan und Irak –, wurden die Untersuchungen nach zum Teil massiven
Interventionen eingestellt.“
https://www.nachdenkseiten.de/?p=97362#more-97362
+ 11.05.: UN/IStGH/. Libyens
Vertreter im UN-Sicherheitsrat, Taher as-Sunni, erinnerte daran, dass die
Justiz in Libyen in der Zuständigkeit der nationalen Gerichtsbarkeit liegt. Die
libysche Zusammenarbeit mit dem IStGH) beschränke sich darin, dem IStGH eine
unterstützende und ergänzende Rolle zuzuschreiben. Die libysche Justiz sei
bestrebt, ein faires und unparteiisches Verfahren für alle Gesuchten sicherzustellen
https://twitter.com/SaifFuture/status/1656735412369358870
+ 11.05.: UN/IStGH/Russland.
Der russische Delegierte im UN-Sicherheitsrat lehnte die Einladung des
Präsidenten des IStGH, Karim Kahn, zur Teilnahme an der Sitzung des
UN-Sicherheitsrats zum Thema Libyen ab. Der IStGH sei zu einer Marionette in
den Händen der westlichen Staaten geworden. Die Anwesenheit des Staatsanwalts
werde als Beleidigung empfunden.
https://twitter.com/SaifFuture/status/1656735311743811601
+ 11.05.: UN/IStGH/China. Der
chinesische UN-Vertreter Zhiqiang sagte, man hoffe, dass der IStGH weiterhin
das im Römischen Statut festgelegte Prinzip der Objektivität strikt befolgt,
die juristische Souveränität und die berechtigten Interessen der betroffenen
Länder in vollem Umfang respektiert und Politisierung und Doppelmoral in seiner
Arbeit vermeidet.
https://libyareview.com/34420/china-warns-against-external-interference-in-libya/
+ 12.05.: IStGH/Russland. Der
russische Außenminister Lawrow über den IStGH: „Dieses echte Pseudogericht, das
in den Händen der Angelsachsen zu einem gehorsamen Instrument geworden ist,
demonstriert weiterhin politische Voreingenommenheit, Ineffizienz und
Unprofessionalität. Seine Anbindung an regionale Gegebenheiten hat nie zur
politischen Beilegung von Konflikten beigetragen, sondern diese nur
verschärft.“
https://rtde.live/russland/169901-pseudogericht-in-haenden-angelsachsen-lawrow/
Die sehenswerte und spannende Serie„Black Earth Rising“ zum Thema IStGH ist
in der Arte Mediathek abrufbar:
https://www.arte.tv/de/videos/RC-023738/black-earth-rising?trailer=true
+ 13.05.: Italien/Fessan.
Libysche Behörden gaben die Verhaftung von mehreren Mitarbeitern der
italienischen Organisation Ara Pacis bekannt, die versuchte, unter dem
Vorwand eines „landwirtschaftlichen Projekts“ Migranten im Süden Libyens
(Sebha, Murzuq, Ghat) anzusiedeln.
Hinter dem Projekt steht offiziell eine NGO, tatsächlich wird die italienische
Regierung dahinter vermutet.
https://libyareview.com/34417/libyan-security-forces-arrest-italian-migrant-ngo-collaborators/
+ 13.05.: Ägypten/Russland.
Bei russisch-ägyptischen Konsultationen in Moskau betonten beide Seiten die
Notwendigkeit einer „nachhaltigen Entwicklung und umfassenden politischen
Lösung in Libyen“. Es sollte ein umfassender Dialog zwischen den politischen
Kräften in Libyen ermöglicht werden, Wahlen organisiert und staatliche Behörden
geschaffen werden. Ferner wurde vereinbart, die bilateralen Konsultationen über
die Entwicklung der Lage in Libyen im Rahmen einer engen außenpolitischen
Koordinierung zwischen Moskau und Kairo fortzusetzen.
https://libyareview.com/34438/egypt-russia-push-for-comprehensive-political-settlement-in-libya/
+ 13.05.: Türkei. In Libyen erwartet man mit Spannung den Ausgang der Wahlen in der Türkei.
Weitere Nachrichten aus Libyen
+ 08.05.: as-Senussi. Es
erfolgte eine Fortsetzung der nichtöffentlichen Verhandlung gegen den ehemaligen
Geheimdienstchef Abdullah as-Senussi vor dem Berufungsgericht in Tripolis.
Anwesend war nur die Verteidigung, Angehörige waren nicht zugelassen.
Die Verhandlung wurde vertagt.
https://twitter.com/SaifFuture/status/1655578592850354179
+ 08.05.: as-Senussi. Die
Familie von Abdullah as-Senussi bezeichnete seinen Prozess als „unfair, aus
politischen Gründen inszeniert und ohne jegliche rechtliche oder moralische
Grundlage“. Die Familie warf den Behörden „vorsätzliche medizinische
Fahrlässigkeit und die Verweigerung der juristischen Rechte und der
Menschenrechte“ vor. Es werde ihm die Behandlung seiner chronischen und
schweren Krankheiten ebenso verwehrt wie Familienbesuche und seit fünf Jahren
auch Treffen mit seinen Verteidigern. Man habe sich entschieden, as-Senussi
eines langsamen Todes sterben zu lassen. Dies werde mittels unfairer
Gerichtsverfahren verschleiert.
Die USA, AU, AL und die Organisation für Islamische Zusammenarbeit sowie alle
Menschenrechtsorganisationen wurden aufgefordert, sich verantwortlich zu
zeigen, um as-Senussi ein faires Verfahren und eine medizinische Versorgung zu
garantieren.
Sie forderten auch die Vereinigten Staaten, die Afrikanische Union, die Arabische
Liga, die Organisation für Islamische Zusammenarbeit und alle internationalen
und lokalen Menschenrechtsorganisationen auf, die Verantwortung für as-Senussis
Schutz zu übernehmen, ihn medizinisch behandeln zu lassen und ein faires
Verfahren zu garantieren.
https://libyareview.com/34328/al-senussi-family-says-trial-unfair/
Es droht immer noch eine Auslieferung as-Senussis an die USA durch die
Dabaiba-‚Regierung‘.
+ 08.05.: as-Senussi. Ali
al-Akrami, Präsident der libyschen Vereinigung gewaltloser politischer
Gefangener hält den Senussi-Fall als einen politischen Fall per excellence.
Die Art der Ermittlungen und Zeugenaussagen gegen Senussi zeigten dies
eindeutig. Der Fall as-Senussi müsse im Rahmen einer politischen Lösung und
einer umfassenden nationalen Aussöhnung gelöst werden.
Auch der Journalist Mohamed Baayu erklärte, dass es keine rechtliche oder
logische Rechtfertigung dafür gebe, Generalmajor Abdullah as-Senussi weiter in
Gefangenschaft zu halten.
Gesetze, nationale Würde und Menschlichkeit stellten für die heutige Exekutive
keinen Wert mehr dar. Die USA wollten as-Senussi lebendig, um Informationen
über die libysche Geheimdienstarbeit zu erhalten. Dies diene der Besänftigung
ihrer Wut und ihres verletzten Narzissmus.
https://twitter.com/SaifFuture/status/1655919862806466568
https://twitter.com/SaifFuture/status/1655919441534754816
+ 10.05.: Verhaftung. Der
fünfzehnjährige Ali Hamad al-Qazoun wurde von Mitgliedern des 77. Bataillons
unter al-Karama verhaftet, weil er Tankwagen gefilmt hatte, die für eine
Schmuggelaktion präpariert wurden.
https://twitter.com/SaifFuture/status/1656279581182115840
+ 13.05.: Frauenrechte. Zwölf
Organisationen und 120 politische Aktivisten haben die diskriminierenden Vorschriften,
die das Reisen von Frauen einschränken, verurteilt und gefordert, diese
Vorschriften aufzuheben.
https://twitter.com/LWPP_Org/status/1657433366285672448
+ 10.05.: Migration. Der
Leiter der libyschen Agentur zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung
erklärte, dass die Ansiedlung illegaler Migranten in Libyen kategorisch
abgelehnt wird.
https://libyareview.com/34333/security-official-settling-migrants-in-libya-rejected/
+ 11.05.: Migration. In Kufra
(Südlibyen) wurden drei illegale Gefängnisse entdeckt, die von einer
Schleuserbande betrieben wurden. Von den Familien der Opfer wurden hohe
Lösegeldforderungen verlangt. Die Migranten wurden freigelassen und gegen die
Betreiber aus 13 Nationalitäten Haftbefehle erlassen.
https://libyareview.com/34373/three-secret-prisons-discovered-in-libya/
+ 09.05.: Staatshaushalt.
Erklärung der Libyschen Zentralbank:
Die Ausgaben des Verteidigungsministeriums in der Dabaiba-‚Regierung‘ beliefen
sich innerhalb von vier Monaten auf über eineinhalb Milliarden LD. Die Ausgaben
des Innenministeriums und seiner angegliederten Organe beliefen sich auf fast
eineinhalb Milliarden LD. Die Ausgaben des Gesundheitsministeriums und seiner
Tochtergesellschaften beliefen sich auf eine Milliarde und 637 Millionen LD.
Die Ausgaben des Abgeordnetenhauses und seiner Mitgliedsorganisationen beliefen
sich im Zeitraum von Januar 2023 bis Ende April auf 375 Millionen LD. Die
Ausgaben des Staatlichen Konsultativrats beliefen sich auf 13,8 Millionen LD.
Die Ausgaben des Präsidialrates und seiner Filialen beliefen sich auf 204
Millionen LD.
Die Ausgaben des Kabinetts der Dabiba-Regierung und ihrer Unterorganisationen
beliefen sich auf 636,6 Millionen LD.
Zwei milliardenschwere Regierungen und Budgets, die u.a. die türkischen
Wahlen sponsern, Milizen und Scheinfirmen finanzieren, während sich niemand
findet, der die Anwaltskosten des in die USA verschleppten und dort vor Gericht
stehenden libyschen Bürgers Abu al-Massud übernimmt.
https://twitter.com/SaifFuture/status/1655672012356853760
+ 09.05.: Staatsanwaltschaft/Passfälschung.
Staatsanwalt as-Siddiq as-Sour berichtete über den Betrug bei der Vergabe von
nationalen Nummern zur Erstellung von Familieneinträgen bei der Zentralbank und
beim Passamt. Die Staatsanwaltschaft habe Zehntausende nationaler Nummern
gestrichen, um große finanzielle Verluste des Staates zu vermeiden. Die
gefälschten Nummern wurden dazu verwendet, sich Gehälter, Stipendien und Pässe
zu erschleichen.
https://twitter.com/SaifFuture/status/1655947364094603271
+ 14.05.: Telekommunikation/Hack.
Die Libyana Company, eines der größten libyschen Unternehmen im Bereich
Telekommunikation und Mobiltelefone, wurde Opfer eines Hacks, bei dem
vertrauliche persönliche Daten von Kunden, u.a. Finanz- und
Buchhaltungsunterlagen von Unternehmen sowie Geheimdokumente, gestohlen wurden.
Davon betroffen waren auch Facebook-Konten. Das Unternehmen habe zunächst
versucht, den Hack zu vertuschen.
Das gesamte Kommunikationssystem in Libyen leidet unter erheblichen Schwächen
im Bereich der Cybersicherheit und ist heftigen Angriffen ausgesetzt.
https://libyareview.com/34450/libyana-telecommunications-company-hacked/
+ 11.05.: Erdöl. Die
russische Ölgesellschaft Tatneft hat nach Angaben der libyschen National
Oil Corporation (NOC) im libyschen Ghadames-Becken eine neue Ölquelle etwa
330 km südlich von Tripolis mit einer Kapazität von 1.870 Barrel pro Tag
entdeckt.
Tatneft ist mit 10,5 % als Betreiber an der beteiligt, während die NOC
89,5 % hält.
Vor dem Nato-Krieg 2011 gegen Libyen hatte Tatneft in dem Land rund 200 Mio. USD
in Explorationen investiert, dann aber den Betrieb eingestellt.
https://libyareview.com/34370/russias-tatneft-company-announces-new-oil-discovery-in-libya/
+ 12.05.: Goldreserven. Nach
Algerien und Südafrika stand Libyen 2022 mit 117 Tonnen an dritter Stelle bei
den geschätzten Goldreserven von afrikanischen Ländern.
https://libyareview.com/34431/libya-holds-3rd-largest-gold-reserve-in-africa/
+ 09.05.: Wetter. In den
Nafusa-Bergen (westliches Libyen) kam es in Folge starker Regenfälle zu
Wasserfällen, die sich über die Gebirgslandschaft ergossen.
Der Stadtrat von al-Asaba rief wegen Überschwemmungen den Notstand aus.
Video: https://twitter.com/LibyaReview/status/1655916769956057090
Foto: https://en.alwasat.ly/news/libya/398077
Rückblick
+ 08.05.: Völkerrecht. „Schon
lange vor der Bombardierung Libyens durch die NATO, die am 19. März 2011
begann, hatten die USA versucht, den unbequemen Muammar Gaddafi zu stürzen.
Seit den frühen achtziger Jahren wurde er von den meinungsbildenden Medien in
den USA und Großbritannien als >Terroristen Warlord< dämonisiert. Im Juli
1981 wurde der Presse ein Plan der CIA durchgestochen, Gaddafi zu stürzen und
möglicherweise zu töten. 1982 konnte abseits der großen Medien Hissène Habré
mit der Unterstützung der CIA und israelischer Truppen die Regierung von
Goukouni Wedeye [im Tschad] stürzen. Human Rights Watch berichtete:
>Unter Präsident Reagan haben die USA durch geheime paramilitärische
Unterstützung der CIA, geholfen, Habré zu installieren, um, so Außenminister
Alexander Haig, ‚Gaddafi eine blutige Nase‘ zu verpassen<.
Ein Report von Amnesty International berichtete über massive militärische und
finanzielle Unterstützung für Habré durch den Kongress. Sie galt dem geheimen
Krieg gegen Gaddafi. Doch die USA kamen nicht an ihr Ziel. Verschiedene weitere
Pläne scheiterten.
Schließlich bombardierte die US-amerikanische Luftwaffe am 14./15. April 1986
zum ersten Mal die Hauptstadt Tripolis und Bengasi. Der Angriff war illegal,
nur die Briten unterstützten die USA. Präsident Ronald Reagan begründete ihn
damals als Reaktion auf den Anschlag in der Berliner Diskothek La Belle,
konnte aber nur wenige überzeugen, es handele sich um einen Akt der
Verteidigung gem. Art. 51 UN-Charta. Auch dieser Plan scheiterte, und die
militärischen Aktionen gegen Libyen verschwanden aus den Medien. Doch die CIA
arbeitete weiter an ihren Plänen und baute eine geheime Armee auf, die aus
zahlreichen Libyern bestand, die in den achtziger Jahren in die Grenzkämpfe mit
dem Tschad verstrickt waren. Als das Gerücht aufkam, Gaddafi ließe chemische
Waffen entwickeln, engagierten sich auch die Briten und gründeten mit dem
Geheimdienst MI6 verschiedene Oppositionsgruppen in Libyen, die sie finanzierten,
darunter auch die >Libysche Nationalbewegung< in London. Doch alle
weiteren Anschläge blieben ohne Erfolg. Die großen Ölreserven und die für die
Europäer wichtige Funktion Libyens, die afrikanischen Flüchtlinge vor ihrem Weg
über das Mittelmehr nach Europa zu stoppen, konnten die USA und ihre
NATO-Verbündeten nur vorübergehend mit Gaddafi versöhnen. Dieser hingegen
machte aus seiner anti-imperialistischen Haltung keinen Hehl. Als er in der
UNO-Generalversammlung 2009 forderte, dass die Schuldigen des Irakkrieges vor
Gericht gestellt werden müssten – >Es war ein Massaker, ein Genozid: Mehr
als 1,45 Millionen Menschen kamen ums Leben. Wir werden uns dafür einsetzen,
dass der Irak-Fall vor den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) kommt, und wir
wollen die Verantwortlichen dieser Massenmorde vor Gericht sehen< –, lebten
die alten Pläne des Umsturzes wieder auf. Sie sollten sich im Februar 2011 in
den Wirren des Arabischen Frühlings verwirklichen lassen, bei denen die von MI6
und CIA aufgebauten Oppositionsgruppen zweifellos eine wichtige Rolle spielten.
Am 19. März 2011 begannen Frankreich und USA mit der Bombardierung Libyens.
Zwei Tage zuvor hatte der UN-Sicherheitsrat mit seiner Resolution 1973
beschlossen, eine Flugverbotszone über Libyen zu errichten, um die
Zivilbevölkerung vor Angriffen der libyschen Luftwaffe zu schützen. Im Mai
waren dieser Auftrag und auch das Mandat des Sicherheitsrats erfüllt, die
NATO-Verbände setzten ihre Angriffe jedoch fort, bis Gaddafi am 20. Oktober
2011 getötet wurde. Das war völkerrechtswidrig, da die Angriffe nun ohne Mandat
fortgesetzt wurden. Der Sicherheitsrat schwieg dazu allerdings, was angesichts
seiner Zusammensetzung nicht verwundern konnte. Auch der Internationale
Strafgerichtshof in Den Haag sah keine Veranlassung zu einer Untersuchung.
Allerdings hatte er bereits am 3. März 2011 auf Initiative der USA eine
offizielle Untersuchung gegen Gaddafi wegen des Verdachts auf Verbrechen gegen
die Menschlichkeit bei seinem Kampf gegen die Rebellen aufgenommen.“
https://www.nachdenkseiten.de/?p=97362#more-97362
+ 1970:
UN-Generalversammlung/Resolution 2625/IStGH: „Kein Staat und keine
Staatengruppe hat das Recht, sich aus irgendeinem Grund unmittelbar oder
mittelbar in die inneren und äußeren Angelegenheiten eines anderen Staates
einzumischen. Folglich sind bewaffnete Intervention und alle anderen Formen der
Einmischung oder Drohversuche gegen die Rechtspersönlichkeit eines Staates oder
gegen seine politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bestandteile
völkerrechtswidrig.
Kein Staat darf wirtschaftliche, politische oder irgendwelche anderen Maßnahmen
anwenden oder zu seiner Anwendung ermutigen, um gegen einen anderen Staat Zwang
in der Absicht anzuwenden, von ihm einen Verzicht auf die Ausübung souveräner
Rechte zu erreichen oder von ihm Vorteile irgendwelcher Art zu erlangen.
Desgleichen darf kein Staat subversive, terroristische oder bewaffnete
Aktivitäten organisieren, unterstützen, schüren, finanzieren, anreizen oder
dulden, die auf den gewaltsamen Sturz des Regimes eines anderen Staates
gerichtet sind, oder in bürgerkriegsartige Kämpfe in einem anderen Staat
eingreifen. […]
…so haben sich die Einmischungen in die politischen Prozesse in allen drei
Ländern, Ukraine, Syrien und Libyen, so unterschiedlich sie waren, als schwere,
rechtswidrige Interventionen in die Angelegenheiten eines fremden Staates
erwiesen. […]
Die gegenwärtigen Machtverhältnisse hinter dem IStGH, der kein Gericht der UNO
ist, sondern unabhängig auf einem internationalen Vertrag mit 124 Staaten
beruht, sind derart, dass bisher kein Verfahren gegen einen Mitgliedstaat der
NATO eröffnet wurde. In den Fällen, in denen die ehemalige Chefanklägerin Fatou
Bensouda es versuchte – gegen USA und Großbritannien wegen Foltervorwürfen in
Afghanistan und Irak –, wurden die Untersuchungen nach zum Teil massiven
Interventionen eingestellt.“
https://www.nachdenkseiten.de/?p=97362#more-97362
A. Gutsche
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