Libyen und der Internationale Strafgerichtshof
Den Haag/Libyen. Das Nachrichtenmagazin Spiegel wirft dem
ehemaligen Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, Luis
Moreno Ocampo, schwere Verfehlungen vor
Der Spiegel beruft
sich in seinem Artikel auf interne Papiere des Internationalen Strafgerichtshofs
(ICC), die auf der Enthüllungsplattform Mediapart veröffentlicht wurden. Unter
dem Titel „Auf der falschen Seite“[1]
beschreibt das Magazin, wie Ocampo, der einst Präsident von Transparency International für
Lateinamerika und die Karibik war, zwecks Verschleierung seiner Einkommen und
seines Vermögens Briefkastenfirmen in mehreren Steueroasen unterhielt.
Laut dem Spiegel rechtfertigte
2011 Ocampos einseitige Stellungnahme gegen Gaddafi „das Eingreifen des Westens
in Libyen“. Ocampo hatte die Aufgabe, in Libyen wegen Kriegsverbrechen zu
ermitteln. Er erließ drei Haftbefehle: gegen Gaddafi, seinen Sohn Saif al-Islam
und dem Geheimdienstchef Abdullah Sanussi.[2]
Erst heute wird ihm zum Vorwurf gemacht, dass er nicht vor
Ort ermittelte, um forensische und dokumentarische Beweise zu sammeln, sondern stattdessen
parteiisch für den Westen Stellung bezog. Belegt ist ein Telefongespräch mit
dem französischen Außenministerium, in dessen Verlauf er Informationen
weitergab, die nur für den Gerichtshof bestimmt waren.
Der Spiegel: „In der
Depesche schrieben die Franzosen einen für Ocampo fatalen Satz: >Der
Chefankläger versteht sich nicht als unabhängiger Staatsanwalt, sondern als ein
juristisches Organ, das den Anweisungen des Sicherheitsrats Folge leistet.< […]
Aus Ocampos Schriftverkehr geht hervor, dass er mit den Franzosen und Briten
Absprachen traf und sich als Teil der Anti-Gaddafi-Koalition gerierte.“ Es
dürften sich all jene bestätigt fühlen, die schon immer sagten, der ICC erhalte
seine Anweisungen von den USA.
Der Spiegel
zitiert den deutschen Völkerrechtler Hans-Peter Kaul, der seinen Richterposten
in Den Haag 2012 aufgab, mit den Worten: „Er hat uns problematische Zeugen
präsentiert, die nichts beitragen konnten, die nichts wussten. Auch war die
juristische Argumentation oft dürftig.“ Der Spiegel zieht das Fazit, dass
Ocampo mit seiner einseitigen Parteinahme im Libyenkrieg „den Gerichtshof mit
seinem Aktivismus zum Spielball politischer Interessen gemacht“ hat.
Auch seine Verbindungen zu dem libyschen Geschäftsmann und Milliardär
Hassan Tatanaki[3],
der während der Gaddafi-Zeit zusammen mit Saif al-Islam ein Tourismusprojekt in
Libyen plante und dem nach 2011 Verbindungen zu General Heftar nachgesagt
werden, kritisiert der Spiegel. Tatanaki
gründete eine Organisation namens Justice
First, die gegen Terroristen in Libyen ermitteln und die Ergebnisse
Gerichten und dem Strafgerichtshof zur Verfügung stellen sollte. Ocampo ließ
sich seine diesbezügliche Beratertätigkeit hoch bezahlen. Tatanaki selbst
sollte vor Strafverfolgung geschützt werden.[4]
Der Spiegel-Artikel kann als Vorlage für die Aufhebung des immer
noch bestehenden Haftbefehls gegen Saif al-Islam Gaddafi gelesen werden. Damit
würde es dem Gaddafi-Sohn noch leichter, wieder offiziell in der libyschen
Politik mitzumischen und an eventuell im kommenden Jahr anstehenden Wahlen
teilzunehmen. Es scheint auch dem Westen klar geworden zu sein, dass nur Saif
al-Islam in der Lage sein wird, die Stämme Libyens zu einigen und das Land zu
stabilisieren, was für Europa angesichts des Migrantenproblems und der Angst
vor Dschihadisten von eminenter Wichtigkeit ist.
Erstaunlicher Weise übt der Spiegel keinerlei Kritik an Fatou Bensouda, der jetzigen
Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs, der von libyscher Seite vorgeworfen
wird, weder gegen die Kriegsverbrechen, die während des NATO-Kriegs 2011
begangen wurden, noch gegen die von Dschihadisten begangenen Gräueltaten zu
ermitteln. Sie ergreift jetzt genauso einseitig Stellung wie vormals Ocampo.
Nun geht es gegen die Libysche Nationalarmee von General Heftar. Gegen einen der
Kommandeure hat sie einen umstrittenen Haftbefehl erlassen, während sie sämtliche
radikalen Islamisten, seien sie von den Moslembrüdern, al-Kaida oder auch dem
IS, die in Libyen ihr Unwesen treiben, unbehelligt lässt. Letzten Monat warfen Protestierende in
Bengasi dem Strafgerichtshof vor, keine Menschenrechtsorganisation, sondern
eine neokoloniale politische Organisation zu sein, die ausschließlich
imperialistische Interessen vertritt. Der Strafgerichtshof unterstütze
militante Islamisten, die für Morde und andere Verbrechen verantwortlich sind:
„Wo war der ICC die letzten sechs Jahre, als Richter und andere Personen
ermordet wurden oder der IS in Sirte Menschen köpfte?“[5]
Bereits im Januar hatte Human Rights Watch den ICC kritisiert, er führe keine
Untersuchungen in Libyen durch.
Wie es aussieht,
befindet sich auch die neue Chefanklägerin Fatou Bensouda „Auf der falschen
Seite“.
A. Gutsche
[1]
Der Spiegel 40/2017, „Auf der falschen Seite“, von Sven Becker, Marian
Blasberg, Dietmar Pieper
[2]
Muammar al-Gaddafi wurde ermordet; gegen Abdullah Sanussi wurde am 28. Juli
2015 in Tripolis die Todesstrafe verhängt, er wird in Tripolis gefangen
gehalten, sein Gesundheitszustand ist bedenklich; gegen Saif al-Islam wurde
2015 in Tripolis in Abwesenheit ebenfalls die Todesstrafe verhängt, er befindet
sich in Libyen auf freiem Fuß und bereitet sein politisches Comeback vor.
[3]
Die Familie Tatanaki ist eine alte libysche Familie, die ursprünglich von Kreta
kam und zum Islam konvertierte. Hassan Tatanaki scheint seine Millionen im
Baugeschäft und mit anderen dunklen Geschäften gemacht zu haben. Ob zu Zeiten
der Monarchie, während der Gaddafi-Zeit oder nun mit den neuen „Regierungen“,
Tatanaki verkehrte und verkehrt stets in den höchsten Kreisen.
[4]
Tatanakis Söhne sollen von Interpol gesucht werden, könnten aber dank des
Einsatzes von Ocampo frei reisen.
[5] http://libyaagainstsuperpowermedia.org/2017/09/11/benghazi-protestors-condemn-icc-over-warfali/
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