Wie sich Dschihadisten an libyschen Staatsvermögen bereichern
Libyen. Der 157 Seiten
umfassende Bericht der UN-Expertenkommission nimmt u.a. Stellung zur Entwendung
von Staatsvermögen in Milliardenhöhe durch dschihadistische Milizen. LibyaHerald hat vorab Auszüge veröffentlicht.
Die Entwendung von
öffentlichen Geldern[1]
Diese dem Staat gestohlenen Gelder dienten und dienen der
Finanzierung von bewaffneten Gruppen und deren Sponsoren.
Kraftstoffschmuggel:
Die Ausgaben für Kraftstoffimporte stiegen zwischen 2016 auf 2017 von 2,9 auf
5,0 Milliarden US-$; dies entspricht einer Zunahme um 71 Prozent.[2]
Etwa 50 Prozent der Kraftstoffe gingen in den privaten Konsum. Allerdings
wurden damit nur Einnahmen in Höhe von 75 Mio. US-$ erzielt, es hätten aber
mindestens 500 Mio. US-$ sein müssen, d.h. die Differenz entspricht der Menge,
die in den Schwarzmarkt floss.
Die Nationale Ölgesellschaft NOC ist die einzige Behörde,
die in Libyen raffinierte Erdölprodukte am internationalen Markt einkaufen
darf. Eine informelle Kommission, bestehend aus verschiedenen
Erdölgesellschaften sowie Zement- und Stahlwerken, ist für die Lagerung und
Verteilung von Ölprodukten verantwortlich.
Die UN-Kommission macht das Schmuggelnetzwerk von Zawija[3]
als Zentrum der illegalen Aktivitäten aus. Dort schmuggelten verschiedene
bewaffnete Gruppen Treibstoff und sind für die Entwendung von Staatsgeldern
verantwortlich. Im Juli 2014[4]
wurde der al-Nasr-Miliz die Verantwortung für die Zawija-Raffinerie übertragen.
Seit diesem Zeitpunkt organisierte die al-Nasr-Miliz in Zusammenarbeit mit
bewaffneten Gruppen, die in der Regel dem Libya
Dawn angehörten, den Treibstoffschmuggel.
Die al-Nasr-Miliz kauft den Treibstoff von der Raffinerie
zum Preis von 0,15 LYD. Der Schwarzmarktpreis in Zawija beträgt bereits bis zu
1 LYD und an weiter entfernten Orten bis zu 4 LYD, d.h. er ist 26-mal so teuer
wie sein Einkaufspreis war.
Missbrauch von
Kreditbriefen: Eine weitere große Betrugsmöglichkeit sind Kreditbriefe.
Netzwerke, zu denen auch Miliz-Kommandanten gehören, haben Machenschaften
entwickelt, um sich mittels Kreditbriefen (letters of credit/LC) an
öffentlichen Geldern zu bereichern. Die libysche Rechnungsprüfbehörde schätzt,
dass 2016 Kreditbriefe in Höhe von 5 Milliarden US-$ ausgegeben wurden. Die
Behörde konnte dies nur an einer Stichprobe schätzen, da der Leiter der
libyschen Zentralbank (CBL) im November 2016 die Anweisung erließ, keine
Informationen über Kreditbriefe an die Rechnungsprüfungsbehörde weiterzugeben.
Trotzdem gelang es der Behörde in den Berichten der Jahre 2015 und 2016 den
Missbrauch von Kreditbriefen im Wert von hunderten Millionen US-$ nachzuweisen.[5]
In Libyen werden Kreditbriefe dazu benutzt, ausländische
Importe zu finanzieren. Der Besitzer eines Kreditbriefs kann damit von einer
libyschen Bank Geld in harter Währung erhalten, das auf ausländischen Konten
hinterlegt ist oder über Schwarzmarkthändler in den libyschen Schwarzmarkt
eingebracht wird. Laut der Rechnungsprüfungsbehörde wurden nur 14 Prozent aller
Kreditbriefe, so wie es korrekt gewesen wäre, für die Einfuhr von Waren
aufgewandt.
Die libysche
Auslandsbank (Libyan Foreign Bank) und die al-Dschomhurija-Bank: Diese
beiden Banken stehen besonders im Fokus der Ermittlungen. In der
al-Dschomhurija-Bank erhielten zehn Unternehmen, die im Auftrag von bewaffneten
Gruppen im Gebiet von Tadschura[6]
in Tripolis tätig sind, bis Februar 2016 Kreditbriefe im Wert von 1 Milliarde
US-$! Die libysche Foreign Bank (LFB) stand dem kaum nach: Hier wurden bis
September 2016 falsche Kreditbriefe in Höhe von ebenfalls einer Milliarde US-$
ausgestellt. Nutznießer waren zum großen Teil die Firmen al-Watar und Hadaeq
Tarblus, die beide Abu Bakr al-Taher Abu Bakr Bu Sahmein gehören. Bu Sahmein
seinerseits unterhält enge Geschäftsbeziehungen zu Haytham al-Tadschuri, dem
Kommandanten der dschihadistischen Revolutionären
Brigaden von Tripolis. In Tripolis zwingen bewaffnete Milizen Banken, Kreditbriefe
zu akzeptieren, die nicht den Richtlinien der libyschen Zentralbank
entsprechen.
Nader al-Zaydi, der im Auftrag der al-Watar Company
arbeitete, spielte nicht nur dort eine Schlüsselrolle, sondern auch bei der
Entführungen von Amro al-Hadschadsch[7],
der auf Unregelmäßigkeiten bei Ausstellung von Kreditbriefen durch die Libyan
Foreign Bank hingewiesen hatte. Er bedrohte auch direkt einen Mitarbeiter der
Bank, damit dieser einen Kreditbrief zugunsten der Firma al-Water akzeptierte.
Auch ehemalige Manager der al-Dschomhourija-Bank wurden von
den Revolutionären Brigaden von Tripolis bedroht,
damit sie 2015 Kreditbriefe zu Gunsten von al-Hadaeq akzeptierten. Haytham
al-Tadschuri selbst soll einen ehemaligen Bankmanager bedroht haben.
Übrigens äußerten die
Mitarbeiter der UN-Expertenkommission äußerst besorgt über die
Vorabveröffentlichungen ihres Berichts durch die Medien, da diese nicht nur die
laufenden Ermittlungen, sondern auch darin involvierte Personen gefährde.[8]
A. Gutsche
[1] https://www.libyaherald.com/2018/03/09/diversion-of-state-funds-and-financing-of-armed-groups-un-libya-experts-panel-report/
[2]
Laut der libyschen Rechnungsprüfungsbehörde
[3]
Zawija: Stadt am Mittelmeer im Nordwesten Libyens, nahe der tunesischen Grenze
gelegen; gleichnamiges Munizip. Zawija spielte 2011 bei der Einnahme von
Tripolis durch die Dschihadisten eine bedeutende Rolle.
[4]
2014 fanden in Tripolis bürgerkriegsähnliche, schwere Kämpfe zwischen
dschihadistischen Gruppen (Libya Dawn) und den Milizen der Operation Dignity
von General Haftar statt. Letztere zogen sich in den Ostteil des Landes zurück,
die Dschihadisten, zu denen auch die Milizen von Zawija gehörten, behielten im
Westen des Landes und in Tripolis die Oberhand.
[5] Kreditbriefen
werden von Banken ausgestellt und sind Anweisung an eine andere Bank, dem
Begünstigten Beträge bis zu der im Kreditbrief bezeichneten Höchstsumme bar
auszuzahlen. Sie werden vor allem bei Importen und Exporten genutzt.
[6]
Vorort von Tripolis
[7]
al-Hadschadsch stellvertrender Generalmanager der Libyan Foreign Bank, wurde in
der Nähe von Tripolis im September 2016 entführt und zehn Tage in einem
geheimes Gefängnis im Bezirk Tadschura gefangen gehalten. Während der
Entführung wurde ihm ins Bein geschossen.
[8] https://www.un.org/press/en/2018/sc13243.doc.htm
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