Donnerstag, 6. Dezember 2018



Nazis, Moslembrüder und CIA –  eine Geschichte mit Tradition

München. Wie sich die CIA und andere Geheimdienste immer schon radikaler Islamisten bedienten. Und wie dabei eine Moschee in München mit Nazi-Wurzeln zum Brennpunkt wurde. Ein Beitrag zur Islamkonferenz.

2010 erschien ein Buch des Pulitzer-Preisträgers Ian Johnson unter dem deutschen Titel „Die Vierte Moschee. Nazis, CIA und der islamische Fundamentalismus“.[1] Die Kooperation von CIA und Dschihadisten begann also nicht erst während des Afghanistankriegs unter Ausweitung auf die Kriege in Libyen und Syrien, sondern hatte schon weit ältere Wurzeln.

Der Autor Ian Johnson war beim Besuch einer Londoner Buchhandlung mit radikal-islamistischer Literatur auf eine Landkarte gestoßen, auf der neben der Großen Moschee in Mekka, dem Felsendom in Jerusalem und der Blauen Moschee in Istanbul als weltweit viert-bedeutendste Moschee der islamischen Welt das Islamische Zentrum München eingetragen war. Damit war die Neugierde des Autors geweckt. Es folgten ein Besuch der Moschee im Münchner Stadtteil Freimann und Forschungen über deren Entstehungsgeschichte.
Dabei fand Johnson heraus, dass sich drei Gruppen für den Bau und Erhalt dieser Moschee eingesetzt hatten: Nachdem zunächst die Nazis während des Zweiten Weltkriegs und ehemalige Nazis in der Zeit danach eine islamische Front gegen Sowjetrussland aufbauen wollten, setzten die CIA im Kalten Krieg diese Tradition fort. Das Ziel der aus Moslembrüdern bestehenden dritten Gruppe war, ein europäisches Zentrum zum Aufbau eines radikalen Islams in Europa zu schaffen. Von diesen drei in München agierenden politischen Gruppen gingen „fast alle Unternehmungen der Muslimbruderschaft im Westen“[2] aus. Altnazis, CIA und Moslembruderschaft arbeiteten eng zusammen und unterstützten sich gegenseitig.

Etliche Krim-Tataren, Kaukasier, Georgier, Tschetschenen, Kasachen und Usbeken fühlten sich vom Sowjetsystem unterdrückt, darunter viele Muslime. Dies brachte sie dazu, mit den Nazis zu kollaborieren, als diese 1941 Sowjetrussland überfielen. Daneben brachte die Wehrmacht usbekische Kriegsgefangene in ein Lager nach Berlin. Dort sollten sie eine Ausbildung durchlaufen, die sie befähigen sollte, Turkestan von den Russen zu befreien. Dieser Plan hieß „Abwehrunternehmen Tiger B“, das Emblem auf dem Ärmel der Uniformen war die Chah-I-Zindeh-Moschee in Samarkand „und die Worte Biz Alla Bilen – Gott mit uns.“ Diese Einheit unter Führung des Geheimdienstes der deutschen Wehrmacht kämpfte an der russischen Front und wurde später zum 450. Infanteriebataillon, dem weitere Legionen moslemischer Kämpfer folgen sollten.
Gerhard von Mende, ein begeisterter Nationalsozialist, entwickelte als Mitarbeiter des 1941 ins Leben gerufenen Ostministeriums der NSDAP einen Plan, „wie man sich den Islam zunutze machen konnte“. Es wurden sogenannte „Mittelstellen“, später „Nationalkomitees“, gegründet, die den nicht-russischen Ethnien als quasi Exilregierungen vermittelt wurden. Es kam sogar zur Gründung islamischer Seminare und zur Ausbildung von Imamen. Damals dabei waren Michail Kedia aus Georgien und Ali Kantemir aus Turkestan, die später bei den Verbindungen der Münchner Moschee mit den USA noch eine wichtige Rolle spielen sollten. Ein weiterer damaliger Mitspieler war Veli Kayum.

Mende, der sich durch antisemitische Schriften bei der Nazi-Regierung angedient hatte und zum Beispiel Teilnehmer bei einer Konferenz war, in der die Umsetzung der „Endlösung der Judenfrage“ innerhalb des Ostministeriums geklärt werden sollte, stilisierte sich nach dem Krieg als Fürsprecher der Sowjetminderheiten. Dieses Bild wurde gerne von den USA im Hinblick auf eine weitere Zusammenarbeit übernommen.
München verdankte seiner Lage nahe des Eisernen Vorhangs und seines Rufs als heimliche Hauptstadt der BRD das nach Hongkong weltweit zweitgrößte US-amerikanische Konsulat. Hier in München hatte Radio Liberty seinen Standort, „eine Tarnorganisation der CIA zum Sturz der Sowjetunion“. Für die Aufgabe, Sendungen direkt für die UdSSR auszustrahlen, wurden massenhaft ehemalige Mitarbeiter von Gerhard von Mendes Ostministerium rekrutiert.
Ein von der CIA in den USA gegründetes American Committee for Liberation, abgekürzt Amcomlib, war hauptsächlich in München tätig und sollte unter anderem Migranten für weltweite Propagandamissionen anwerben. Der Etat von Amcomlib soll 1955 etwa 2,8 Millionen US-Dollar betragen haben.
In den Kriegsgefangenenlagern der Alliierten ängstigten sich nach dem Krieg muslimische Kriegsgefangene, die für Deutschland gekämpft hatten, repatriiert zu werden. Viele gaben sich deshalb als ethnische Türken aus, so auch ehemalige Spitzenleute Mendes wie Baymirza Hayit und Veli Kayum aus Turkestan und der Tartar Garip Sultan. Letzterer wurde schon bald Mitarbeiter von Radio Liberty. Geschätzt waren etwa 75 Prozent der Mitarbeiter von Radio Liberty ehemalige Nazi-Kollaborateure.

Mende selbst war bei Kriegsende in einem US-amerikanischen Gefangenenlager in Österreich inhaftiert. Hier nahm die CIA mit ihm Kontakt auf, was zu einer 15-jährigen Zusammenarbeit führte. Daneben war Mende mit seinem privaten Büro auch für bundesdeutsche Regierungsabteilungen sowie dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz tätig. Überflüssig zu erwähnen, dass Mende im Geld schwamm.
Die Schauplätze des Kalten Krieges hatten sich mittlerweile in Drittweltstaaten verlagert. Drittweltstaaten deshalb, weil sie weder den USA noch zur Sowjetunion zuzurechnen waren. Mendes alte Idee, den Islam als Bollwerk gegen den Kommunismus einzusetzen, wurde von der CIA aufgenommen, auch im Hinblick darauf, dass in der Sowjetunion mehr als dreißig Millionen Moslems lebten. Um die Sowjetunion zu schwächen, wurden beispielsweise CIA-Moslems zur Hadsch nach Mekka geschickt, wo sie Moslems aus der Sowjetunion zu Widerstand aufstacheln sollten.
Allerdings standen inzwischen US-Amerikaner und Deutsche in Konkurrenz um die verbliebenen nichtrussischen Minderheiten, insbesondere der Moslime.
Im Frühjahr 1956 kam auf Einladung Mendes Nureddin Namangani von Istanbul nach München, um die deutsche Behörde zur Vereinigung der deutschen Moslems zu leiten. Namangani war Gulag-Überlebender, Imam und Hauptmann einer SS-Sturmbrigade, dem das Eiserne Kreuz erster und zweiter Klasse verliehen worden war. 1958 wurde Namangani auf Wunsch westdeutscher Regierungskreise zum Oberimam gemacht und der Bau einer Moschee in München beschlossen. Namanganis Mitstreiter war ein deutscher Wehrmachtsoffizier mit Geburtsnamen Wilhelm Hintersatz, der zum islamischen Glauben konvertiert war und nun Harun al-Raschid Bey hieß.

Sein Gegenspieler auf US-amerikanischer Seite war der Moslembruder Said Ramadan, mit dem die USA bereits 1953 Kontakt aufgenommen hatten, und dessen Hauptanliegen der Kampf gegen den Kommunismus war. Nachdem Ramadan die ägyptische Staatsbürgerschaft entzogen worden war, bekam er von Jordanien einen Diplomatenpass, mit dem er als Sonderbotschafter nach Westdeutschland entsandt wurde. Schon bald tingelte Ramadan als Generalsekretär des Islamischen Weltkongresses durch die Welt.
1957 hatten in den USA politische Ausschüsse Empfehlungen gegeben, die Beziehungen zu islamischen, insbesondere antikommunistischen Organisationen zu stärken. Es wird vermutet, dass in diesem Sinne Ramadan von der Amcomlib finanzielle Unterstützung erhielt. Zu dieser Zeit kam Bob Dreher als Koordinator der Emigrantenbeziehungen bei Radio Liberty nach München, wo Dreher und Ramadan ein Team bildeten. Die Schweizer Polizei kam später zu folgendem Schluss: „Said Ramadan ist, unter anderem, ein Geheimagent der Engländer und der Amerikaner.“
In München bemühte sich zeitgleich Mende mit Namanganis Hilfe den Bau einer Moschee voranzutreiben. Bei einem diesbezüglichen Treffen im Dezember 1958 in der Münchner Paulskirche war der charismatische Said Ramadan als Gast anwesend und wurde prompt zum Ehrenmitglied der Moscheebaukommission ernannt, während Namangani ihr Vorsitzender wurde. Auf den Plan der US-Amerikaner, Namangani abzuservieren und stattdessen Ramadan zu installieren, reagierte Mendes verschnupft, konnte jedoch seinen Kontrollverlust über die islamische Migrantengemeinde in Deutschland nicht mehr aufhalten. 1960 ließ sich die Moscheebaukommission als Verein eintragen und wählte Ramadan zu ihrem Vorstand. Ramadan und der CIA war die Kaperung des Moscheebauprojekts gelungen.

Eine Zwischenepisode bildete 1960 das Erscheinen des schillernd-charismatischen Spions und Romanschriftstellers Ahmad Kamal auf der Münchner Bildfläche, der eine islamische Wohltätigkeitsorganisation namens Jami’at al-Islam leitete und bereits ein Jahr später eine großangelegte Konferenz „Islam und der Westen“ in Szene setzte. Der mit Sicherheit vom US-amerikanischen Geheimdienst unterstützte Kamal flutete die bayerischen Behörden mit Informationsmaterial, so dass plötzlich ihm die Initiative für den Moscheebau zugeschrieben wurde. Als die US-Behörden eine Wirtschaftsprüfung bei Kamal anordneten, schloss Jami’at alle seine deutschen Büros und verschwand.
Ramadan bereiste zwischenzeitlich die arabische Welt und ließ sich Spenden für den Münchner Moscheebau zusagen, angeblich darunter eine Million eines saudischen Geschäftsmanns. Doch Ramadan und einer seiner Mitarbeiter kamen plötzlich in Verruf. Es kam zu einer Spaltung: einerseits die arabischen Studenten, die Ramadan unterstützen, andererseits die moslemischen Exsoldaten um Namangani. 1961 trat Namangani als zweiter Vorsitzender der Moscheebau-Kommission zurück.
Als Ramadan offenlegen sollte, wer seine Reisen finanzierte, trat er als Vorsitzender ebenfalls zurück, wurde von seinen Anhängern aber erneut für die Kandidatur vorgeschlagen. Die Wahl eines neuen Vorsitzenden kam nicht zustande, da keine Seite eine 2/3-Mehrheit erreichen konnte. Der Moslembruder Ramadan blieb im Amt, die arabischen Studenten und mit ihnen die US-Amerikaner hatten das Sagen und die Exsoldaten traten aus dem Moscheebauverein aus.

Ramadan gründete 1962 eine Dachorganisation moslemischer Studenten namens Islamischer Rat Deutschlands. Er repräsentierte die Moslems der Bundesrepublik und war dabei, als in Mekka die Islamische Weltliga gegründet wurde. In der darauf folgenden Zeit lockerten die USA ihre Bande zu Ramadan, ebenso wie zu Gerhard von Mende, dem jetzt seine NS-Zeit vorgeworfen wurde. Nach dem Tod Mendes 1963 wurde sein Institut Forschungsdienst Osteuropa aufgelöst.
In München benannte Ramadan die Moscheebaukommission in Islamische Gemeinschaft Süddeutschland um. 1965 trat er als deren Vorstandsvorsitzender zurück. Sein Nachfolger wurde der pakistanische Student Faisal Yazdani.
Das Geld für den Moscheebau kam zusammen und der Grundstein für den Bau in Freimann konnte gelegt werden. Als wichtigste Geldquelle hatte sich zwischenzeitlich Libyens Monarch Idris erwiesen. Mit der Machtübernahme von Muammar al-Gaddafi 1969 versiegte diese Geldquelle und die Bauarbeiten mussten gestoppt werden. Yazdani sprach in der libyschen Botschaft vor, ein Botschaftsmitarbeiter reiste aus Berlin an und begutachtete das halb fertiggestellte Gebäude. Anschließend erklärte sich Gaddafi bereit, mit weiteren eineinhalb Millionen DM das Projekt zu sponsern. 1971 konnte weitergebaut werden und am 24. August wurde das Islamische Zentrum München mit Tagungsräumen und Bibliothek eröffnet.
Allerdings hatte sich zwischenzeitlich die weltpolitische Lage etwas geändert. Der Kalte Krieg war nicht mehr ganz so kalt, in Westdeutschland brach unter Willy Brandt die Zeit der Entspannungspolitik an. Die Wirtschaft boomte und es kamen immer mehr brave türkische Gastarbeiter nach Deutschland.
Was das Islamische Zentrum München betraf, wurde 1971 der Pakistani Yazdani, der die Übermacht der Araber als Problem ansah, durch Verfahrenstricks ausgehebelt und der syrische Geschäftsmann Ghaleb Himmat zum neuen Vorsitzenden gewählt. Diesen Posten behielt Himmat die nächsten dreißig Jahre.
Obwohl laut Satzung jeder Moslem Mitglied werden konnte, wurde dies den türkischen Gastarbeitern verweigert. Als Yazdani der Moslembruderschaft vorwarf, die Moschee an sich gerissen zu haben, wurde er aus dem Verein ausgeschlossen. Der Verein hatte sich wieder umbenannt und hieß nun Islamische Gemeinschaft in Süddeutschland. Die Türken erhielten nur eine Mitgliedschaft zweiter Klasse, sie konnten beten und spenden, wurden von der Mitbestimmung aber ausgeschlossen.

Zunächst mussten die türkischen Gastarbeiter in München in zu Betsälen umgewandelten Hinterzimmern ihre Religion ausüben. Schon bald versuchten sich erzkonservative, türkische Religionsgemeinschaften in Deutschland zu etablieren. Genannt seien Süleymancilar und dessen Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) und Erbakan mit seiner Islamischen Gemeinschaft Milli Görüş (IGMG), dem türkischen Ableger der Moslembruderschaft. Um den Einfluss radikaler islamistischer Prediger von den in Deutschland lebenden Türken fern zu halten, gründete die türkische Regierung 1984 in Absprache mit der Bundesrepublik Deutschland die Organisation Ditib (Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.), die dem türkischen Amt für religiöse Angelegenheiten angeschlossen ist. Ihre Aufgabe war der Moscheebau in Deutschland und die Versorgung der türkischen Gemeinden mit nicht-radikalen Imamen. 2007 wurde diesbezüglich ein offizieller Vertrag zwischen der Türkei und Deutschland geschlossen.
Ian Johnson schreibt: „Das Islamische Zentrum München und alle seine Nachfolgeorganisationen hatten nie mehr als ein paar Dutzend Mitglieder. Diese Leute waren auch nie für die Muslime Münchens da – im Gegenteil, der türkischen Bevölkerung, die in den 1970er Jahren bis zu 90 Prozent der muslimischen Gemeinde Münchens ausmachte, wurde die Mitgliedschaft nachdrücklich verweigert.“
Das Gesicht der Islamischen Gemeinschaft Süddeutschland wurde durch den ägyptischen Geschäftsmann und fanatischen Moslembruder Youssef Nada nach außen vertreten. Nada hatte bis zu Gaddafis Machtergreifung 1969 beste Beziehungen zum libyschen Königshaus gepflegt.
1982 wurde die Münchner Moschee in Islamische Gemeinschaft Deutschland umbenannt und die Satzung dahingehend geändert, dass auch ausländische Imame in der Moschee predigen konnten. Die Münchner Moschee mit Niederlassungen in allen großen deutschen Städten gewann immer mehr an Bedeutung und wurde die deutsche Vertretung bei Treffen der europäischen Moslembruderschaft, deren Hauptsitz sich in Großbritannien befand. Schon seit 1973 hatten sich die islamischen Kulturzentren in Europa untereinander vernetzt, dominiert vom Einfluss Saudi Arabiens.

Bedeutende islamistische Aktivisten konnten als eine Art Ehrung eine Mitgliedschaft in München erhalten, so beispielsweise Khurshid Ahmad als der wichtigste Repräsentant des südasiatischen Zweigs der Moslembruderschaft oder Issam al-Attar, Leiter des syrischen Zweigs. Von 1984 bis 1987 lebte der vormals „oberste Führer“ der Moslembruderschaft von Kairo, Mahdi Akef, in München und wurde zum Oberimam des Islamischen Zentrum München ernannt. In dieser Funktion verhalf Alef dem organisierten Islam zu einem beispielhaften Aufstieg in Europa.
Die Moschee war nach dem Tod Mendes merkwürdigerweise vom Radar des deutschen Verfassungsschutzes verschwunden. Erst durch den Herausgeber von Al-Islam, das offizielle Presseorgan der Islamischen Gemeinde Deutschland, Ahmad von Denffer, ein deutscher Konvertit, wurde sie wieder unter Beobachtung gestellt. Denffer identifizierte sich mit der pakistanischen Bewegung Jamat-e-Islami. 1990 war die Münchner Moschee führend in der Formulierung der islamistischen Politik weltweit und soll Verbindungen zum Terrorismus gehabt haben. So bestätigte der damalige Oberimam Ahmed el-Khalifa, sich sowohl mit al-Kaidas Finanzchef und Bin Laden Intimus Mamdouh Mahmud Salim als auch mit Mahmoud Abouhalima, später in den USA verurteilt wegen einem Sprengstoffanschlag auf das World Trade Center, getroffen zu haben. Daneben gab es Querverbindungen zu der Moschee in Hamburg, in der einer der 9/11-Attentäter, Mohammed Atta, verkehrte.
Ian Johnson: „Die Moschee wird später einen Bombenanschlag überstehen, sie wird als Anlaufstelle für den Dschihad dienen und junge Muslime für den Kampf in Bosnien rekrutieren. Ihre Mitglieder wird man später wegen Terrorismus anklagen und Himmat mit der Beschuldigung, al-Quaida zu finanzieren, zum Rücktritt zwingen.“

Ghalet Himmat musste 2002 tatsächlich die Leitung der Islamischen Gemeinschaft Deutschland abgeben. Auf ihn folgte Ibrahim el-Zayat, in Deutschland aufgewachsen mit deutscher Mutter und ägyptischen Vater, ein „perfekter Lobbyist“, der „bei allen kürzlich gegründeten Gruppen der Muslimbruderschaft Europas eine Hand im Spiel zu haben scheint“ und „zu den einflussreichsten Islamisten Europas“ gehört. Einer seiner Hauptkunden bei seinen Geschäften mit dem Bau von Moscheen ist der türkische Ableger der Moslembruderschaft Milli Görüş. Unter el-Zayat haben sich die Aktivitäten der Islamischen Gemeinschaft Deutschlands, obwohl offizieller Sitz immer noch München ist, stärker nach Köln verlagert.
Der Politikwissenschaftler Robert S. Leiken riet in einem Artikel der Zeitschrift Foreign Affairs den USA, keine Angst zu haben, mit der Bruderschaft  - oder mit irgendeiner Gruppe – in Beziehung zu treten, solange diese im Interesse der USA handle. Diesem Ratschlag folgend setzte die westliche Welt weiterhin Moslembrüder und Dschihadisten als Verbündete im Kampf gegen unliebsame Regierungen ein, während man gleichzeitig Terroristen moslemischen Glaubens den Krieg erklärte. Welch eine Schizophrenie: „Man hatte den Bock zum Gärtner gemacht.“
Die Verbindungen der Münchner Moschee reichten bis in die USA eines Barack Obama. Der mit der Bruderschaft gut vernetzte Mazen Asbahi war in den USA Koordinator für die Öffentlichkeitsarbeit bei Muslimen und hatte als Leiter der Muslim Student Association gute Kontakte zur München.
„Genau wie in den 1950er und 1960er Jahren entschieden sich die USA für die Muslimbrüder“. Sie als Verbündete und Kampfgruppen im Kampf gegen missliebige Regierungen einzusetzen, hat somit eine lange Tradition. Einige der Hauptverantwortlichen für die Münchner Moschee wie Ghaleb Himmat residieren in einer Villa am Luganer See und in seiner Nähe wohnt Youssef Nada[3], der die Finanzierung der Münchner Moschee und den Aufbau der Moslembruderschaft in den USA mitorganisierte.

Soweit das Buch von Ian Johnson „Die Vierte Moschee“ aus dem Jahre 2010. Johnson hat akribisch recherchiert und in einem seitenlangen Anhang Nachweise zusammengetragenen, die jeden Versuch, sein Buch als „Verschwörungstheorie“ abzutun, ins Leere laufen lassen.
---
Erst 2011 wurde im Laufe des sogenannten „arabischen Frühlings“ und der nachfolgenden Kriege gegen Libyen und Syrien klar, welche Rolle der Westen ihrem Verbündeten, der Moslembruderschaft, zugedacht hatte. Man hatte die Moslembrüder unterstützt und mit ihnen zusammengearbeitet, um Regierungen, die der globalen Strategie des Westens im Weg standen, zu stürzen. Erst wenn einer der „Brüder“ aus dem Ruder lief und Anschläge in westlichen Ländern verübte, wurde er als Terrorist verfolgt und am besten gleich bei der Festnahme erschossen. Auffallend dabei, dass vor allem europäische Länder – mit Ausnahme von 9/11 – zum Ziel terroristischer Anschläge wurden.
Doch inzwischen zeigen sich Risse in der Moslembruderschaft. So stehen sich die einst gemeinsam marschierenden Staaten Katar und Saudi Arabien als Feinde gegenüber und auch die ebenfalls einst gemeinsam das Projekt Moslembruderschaft vorantreibenden türkischen Politiker Recep Tayyip Erdogan und Fethulla Gülen wurden zu erbitterten Feinden. Für Saudi Arabien, den USA in kompletter gegenseitiger Abhängigkeit verbunden, und für den inzwischen in den USA lebenden Gülen dürften die CIA immer noch der engste Verbündete die Moslembruderschaft sein, während Katar und die Türkei ihre nationalen, von den USA unabhängigen Bruderschaftsprojekte voranbringen möchten.
Auf Antrag von Ted Cruz musste sich 2017 der US-Senat erneut damit befassen, ob die Moslembruderschaft auf die Terrorliste der USA gesetzt werden soll.[4] Dies steht auch im Zusammenhang mit der explizit Israel feindlichen Position, die von der Moslembruderschaft vertreten wird und die bisherigen US-Regierungen in Kauf nahmen.
Wo steht dabei Deutschland mit seinen 1,48 Millionen türkischen Staatsbürgern im Jahr 2017?[5] (Nicht einberechnet türkischstämmige Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit oder nur mit deutschem Pass.) Seit 2015 ist der Anstieg der Migranten aus arabischen Ländern enorm gestiegen, was auch innerhalb der islamischen Gemeinden in Deutschland zu erhöhten Spannungen führen dürfte. Innenminister Horst Seehofer machte die Einflussnahme aus dem Ausland auf die Moscheen auch zum Thema der 4. Islamkonferenz[6], die am 28.11.2018 begann.

A. Gutsche 


[1] 2011 Klett-Cotta; Originaltitel „A Mosque in Munich. Nazis, The CIA, and the Muslim Brotherhood in the West“ von 2010.
[2] Alle wörtlichen Zitate von Ian Johnson aus „Die Vierte Moschee“
[3] bei Drucklegung des Buches „A Mosque in Munich. Nazis, The CIA, and the Muslim Brotherhood in the West“
[4] https://www.heise.de/tp/features/USA-Debatte-ueber-Verbot-der-Moslembruderschaft-3849730.html?wt_mc=nl.tp-aktuell.montag-freitag
[5] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/152911/umfrage/tuerken-in-deutschland-seit-2001/
[6] https://www.tagesschau.de/inland/islamkonferenz-123.html

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen