Dienstag, 9. April 2019



LNA-Vormarsch kommt ins Stocken und UN drohen


Libyen. Einzelne Gefechte rund um Tripolis. Der UN-Sicherheitsrat tagt. Wird die Nato wiederrum eingreifen? Was steckt wirklich hinter dem Marsch nach Westen?

Es ist der Libyschen Nationalarmee (LNA) unter General Hafter nach Gefechten mit Milizen, die mit der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis unter Sarradsch verbündet sind, nicht gelungen, eine etwa 30 Kilometer westlich von Tripolis gelegene Straßensperre an der Küstenstraße, die Tripolis mit der tunesischen Grenze verbindet, zu halten.
Auch in der westlich von Tripolis gelegenen Stadt Zawija erlitt die LNA einen schweren Rückschlag. Es wurde die Gefangennahme von 145 – andere Quellen sprechen von 128 – LNA-Soldaten durch Sarradsch-treue Milizen vermeldet. Es sollen auch 60 LNA-Fahrzeuge von der Miliz erbeutet worden sein.
Außerdem sind Milizen aus der Stadt Misrata zur Unterstützung der Sarradsch-Regierung nach Tripolis aufgebrochen: „Wir erklären die totale Mobilmachung und den Krieg“.
Es gibt jedoch auch von LNA-Seite Erfolgsmeldungen. Deren Sprecher teilte am Freitag mit, dass die Streitkräfte die Kontrolle über die beiden nahe Tripolis gelegenen Städte Tarhuna und az-Zawija erlangt haben. Bei Kämpfen um die Städte seien fünf LNA-Soldaten gefallen. Auch die Gebiete Qasr ben Ghashir und Wadi al-Rabie am südlichen Stadtrand von Tripolis und nahe des Internationalen Flughafens sollen nun von der LNA kontrolliert werden.
Die Vereinten Nationen
Nachdem sich der UN-Generalsekretär Antonio Guterres am Donnerstag zu Gesprächen mit Sarradsch in Tripolis aufgehalten hatte, traf er am Freitag zunächst in Tobruk mit Aguila Saleh, dem Parlamentspräsidenten, zusammen um anschließend in Bengasi mit dem Oberbefehlshaber der LNA, General Hafter, Gespräche zu führen. Aguila Saleh ist ebenfalls mit Hafter verbündet: Der General war vom libyschen Parlament (Tobruk) zum Oberbefehlshaber der LNA ernannt worden.
Die Nacht zuvor hatte der UN-Generalsekretär in einem stark gesicherten UN-Gebäude in einem Vorort von Tripolis verbracht.
Nach den Gesprächen twitterte Guterres: „Mein Ziel bleibt dasselbe: eine militärische Konfrontation zu vermeiden. Ich bekräftige, dass es keine militärische Lösung für die libysche Krise gibt, sondern nur eine politische.“ Zwischenzeitlich hat ein tiefbesorgter Guterres Libyen wieder verlassen.

Der UN-Sicherheitsrat, der am Freitagabend zu einer geheimen Dringlichkeitssitzung zusammengerufen wurde, hat sich über die militärische Eskalation in Libyen ebenfalls zutiefst besorgt gezeigt. Es rief General Haftar dazu auf, seinen Marsch auf Tripolis zu stoppen. Verbindliche Beschlüsse wurden nicht gefasst.
Die Akteure außerhalb Libyens
Der Sprecher des russischen Präsidenten Putin betonte, dass Russland die Situation in Libyen sehr aufmerksam verfolge und sich für eine friedliche Lösung des Konfliktes einsetze. Moskau beteilige sich nicht an den Aktionen von General Haftar. Alle nur möglichen Anstrengungen sollten weiterhin unternommen werden, um die Situation vollständig auf friedlichem Wege und mit politischen Mitteln zu regeln. Und der russische Außenminister Lawrow erklärte, Russland unterstütze die Roadmap der Vereinten Nationen zur Lösung der Libyen-Krise, nach der es in Libyen eine Nationalkonferenz im April und Wahlen noch in diesem Jahr geben soll.

Die USA, Großbritannien, Frankreich, Italien und die VAE erklärten, sie seien gegen jede militärische Aktion. Jede Fraktion, die weitere Konflikte hervorruft, werde zur Rechenschaft gezogen. Diese Aussagen stellen wirklich den Gipfel der Heuchelei dar. Denn waren es nicht die USA, Großbritannien, Frankreich, Italien und andere Nato-Staaten, die 2011 Libyen in das Chaos bombten, das sie heute mit Krokodilstränen beweinen? Als die von ihnen hochgepäppelten Milizen sich gegen die libysche Armee nicht durchsetzen konnten und zu verlieren drohten, wie schnell setzten sie da militärische Gewalt in Form von hunderten Bombenangriffen ein, um den Regimechange herbeizuzwingen?
Und schon wieder ertönen Drohungen aus den westlichen Ländern. Bei Aussagen wie „es drohen Gefahren für die Zivilbevölkerung in Tripolis“ schrillen alle Alarmglocken. Wäre die Nato wirklich bereit, wieder mit Bomben in einen Bürgerkrieg in Libyen einzugreifen, um ihre Marionettenregierung an der Macht zu halten? Der Aufmarsch der LNA-Militärkolonnen auf dem Weg nach Tripolis wäre ein leichtes Ziel für Nato-Bomben. Ausgeführt wieder einmal unter dem Deckmäntelchen des Schutzes der Zivilbevölkerung. Wohin dieser schon einmal gewährte „Schutz“ im Jahr 2011 Libyen führte, ist zu besichtigen. Der Sturz der damaligen Dschamahirija-Regierung, die Zerschlagung aller Sicherheitsstrukturen und die brutale Ermordung Muammar al-Gaddafis brachten das Chaos, das heute für das am Abgrund stehende und gespaltene Libyen, die Verelendung der libyschen Gesellschaft und das Migrantenelend verantwortlich ist.
Welch absurde Vorstellung, wieder mit Gewalt in Libyen einzugreifen! Bleibt zu hoffen, dass sich Russland und China nicht noch einmal bei Abstimmungen im UN-Sicherheitsrat nur enthalten, sondern den Mut und die Weitsicht aufbringen, sich aktiv jedem Eingreifen von außen in Libyen zu widersetzen. Und Deutschland, das gerade auch den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat einnimmt? Man kann davon ausgehen, dass sich unter Außenminister Heiko Maaß Deutschland nicht einmal zu einer Enthaltung wie noch 2011 durchringen könnte. Wird doch gemunkelt, dass unsere Flinten-Uschi als Nachfolgerin von Nato-Generalsekretär Stoltenberg gehandelt wird.
Oder könnten sich doch auch andere Gerüchte bestätigen? Dass die UN im Verbund mit den Nato-Mächten und unter Absprache mit General Hafter und Sarradsch auf der Weltbühne eine große Inszenierung mit exzellenten Schauspielern abzieht, um die Nationalkonferenz und Wahlen wieder einmal aussetzen und verschieben zu können, da Wahlen das sichere Ende der Herrschaft von Sarradsch und Hafter bedeuten werden. Denn für die Libyer gibt es eine sehr viel attraktivere politische Alternative namens Saif al-Islam Gaddafi. Einigermaßen erstaunlich war es ja schon, dass Hafter seinen Marsch auf Tripolis bereits Tage vorher ankündigte, statt auf einen Überraschungscoup zu setzen, bemerkenswert auch, wie das Thema Libyen plötzlich die westlichen Medien beherrscht, wo es doch bisher geflissentlich totgeschwiegen wurde, unglaublich fast, dass sich Guterres genau zum richtigen Zeitpunkt im Land befand, und merkwürdig auch das plötzliche Schwächeln der LNA, die doch so überlegen sein soll. Nicht zu vergessen: Der schillernde General Hafter mit seinem US-amerikanischen Pass und seiner langjährigen Nähe zu Langley/Virginia gilt immer noch als CIA-Mann.
Wie es schon immer war in Libyen. Kaum etwas ist so, wie es nach außen scheint.

A. Gutsche



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