Marsch auf Tripolis: Update 07.04.2019
Libyen/Tripolis. Flugverbotszone
über Westlibyen/‘Einheitsregierung‘ lässt Städte bombardieren/Libysche Armee
rückt vor/Tripolis- und Misrata-Milizen starten Gegenoffensive
Während die ‚Einheitsregierung‘ unter Sarradsch vor weiterer
militärischer Gewalt warnte, führte gestern fast gleichzeitig ihre Luftwaffe „intensive
Luftangriffe“ in der Region al-Azaizija und der Stadt Gharian – etwa 50 km
südlich von Tripolis – aus und bombardierte Stellungen der libyschen Armee.
Gestartet waren die Flugzeuge vom Flughafen Misrata. Die Stadt Misrata hat auch
bewaffnete Fahrzeuge in die östlichen Vororte von Tripolis verlegt. Nachdem die
Westmächte vor jeder weiteren militärischen Gewalt warnten, lässt ausgerechnet Sarradsch,
ihr Platzhalter in Libyen, Bomben auf libysche Städte fallen!
Als Reaktion darauf wurde noch gestern Abend laut al-Arabiya über dem westlibyschen Luftraum
von der libyschen Armee eine Flugverbotszone ausgerufen: „Wir werden jeden
Flughafen angreifen, von dem Kampfflugzeuge aufsteigen.“ Diese Drohung dürfte
sich vor allem gegen den Flughafen von Misrata richten.
Dessen ungeachtet, startete heute die Luftwaffe der ‚Einheitsregierung‘
unter Sarradsch Angriffe auf einen Militärstützpunkt der libyschen Armee, die diesen
nach der Übernahme des internationalen Flughafens von Tripolis dort
eingerichtet hatte. Es sei daran erinnert, dass der internationale Flughafen
von Tripolis bereits 2014 von Misrata-Milizen zerbombt wurde.
Unterdessen hat die Armee nach Gefechten mit Tripolis-Milizen
auch ein Gebiet südlich der Stadt erobert. Während die Armee aus dem Süden und
Westen in die Stadt vordringt, haben Milizen der ‚Einheitsregierung‘ den Beginn
einer Gegenoffensive angekündigt.
Sarradsch dürfte wegen seiner vielen Skandale und der
Entlassung von fünf Ministern kaum noch Rückhalt in Tripolis haben. Auch ob er
auf seine Milizen zählen kann, ist mehr als fraglich, da sie auf ausstehende Gehälter
in Millionenhöhe warten.
Weder Sarradsch noch Hafter sind an Wahlen in Libyen interessiert,
da diese ihnen die Machtbasis entziehen würden. Die Parteigänger von Sarradsch
sind Moslembrüder, die in der libyschen Bevölkerung keinen Rückhalt genießen,
Hafter wird als CIA-Wiedergänger mit US-amerikanischen Pass betrachtet.
In Tripolis bildeten sich lange Schlangen an Tankstellen und
Supermärkten. Die Hauptstadt ist von herausragender Bedeutung für ganz Libyen: Banken,
wichtige Institutionen, diplomatische Vertretungen, ein Großteil der
Bevölkerung, alles konzentriert sich in Tripolis.
Ausländische
Streitkräfte und sonstiges internationales Personal werden aus Libyen evakuiert
US-AFRICOM hat zwischenzeitlich „aufgrund der sich
verschlechternden Sicherheitslage“ seine Truppen aus Libyen abgezogen. Dabei
soll ein Amphibienfahrzeug zum Einsatz gekommen sein.
Auch der indische Außenminister Sushma Swaradsch gab
gekannt, dass das gesamte Kontingent der sogenannten Central Reserve Police Force aus Tripolis abgezogen worden ist.
Der italienische Ölkonzern ENI hat sein gesamtes Personal
evakuiert. Ebenso haben die Vereinten Nationen ihre Mitarbeiter aus Tripolis
abgezogen.
Das Ausland
Der französische Botschafter wurde von Sarradsch in Tripolis
einbestellt, um bei ihm offiziell gegen die militärische Unterstützung General
Hafters zu protestieren. Diese Vorwürfe an Paris werden von Italien geteilt. Die
EU scheint insgesamt größere Schwierigkeiten zu haben, sich auf eine gemeinsame
Linie in Punkt Libyen zu einigen. Alle offiziellen Statements unterstützen einzig
die Bemühungen der Vereinten Nationen um eine friedliche Lösung.
Das russische Außenministerium teilte mit, dass der
stellvertretende russische Außenminister, Michail Bogdanow, in einem
Telefongespräch mit General Hafter die Wichtigkeit betont, die Streitigkeiten mit
politischen Mittel beizulegen. Russland unterstütze die Vermittlungsbemühungen der
Vereinten Nationen und des UN-Sonderbeauftragten für Libyen, Ghassan Salamé.
Die Afrikanische Union (AU) bekräftigte am Freitag die
Notwendigkeit eines von Libyen getragenen Prozesses zur Errichtung einer neuen
politischen Führung. Man „appelliere auch an alle externen Akteure, sich nicht
in die inneren Angelegenheiten Libyens einzumischen“.
A. Gutsche
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