Kurznachrichten – 14.03.2020
Libyen. Libysche Stämme – Justiz –
Parlament - Coronavirus – LNA – ‚Einheitsregierung‘ – Vereinte Nationen –
International – Verschiedenes
+ Der Rat der Scheichs und Ältesten erklärt, dass Katar mit dem Ziel, das nationale Projekt scheitern zu lassen, weiterhin mit terroristischen Gruppen in Kontakt steht. Der Sprecher Abu Bakr Suleiman Mardama sagte, die Stämme unterstützten Feldmarschall Haftar in seinem Kampf gegen den Terrorismus und die türkische Invasion.
Scheich Mardama, ein Angehöriger des Tibu-Stammes, sagte, dass der Ältestenrat eine offizielle Klage gegen die Türkei und Katar wegen Kriegsverbrechen in Libyen eingeleitet habe.
Alle libyschen Stammesmitglieder kämpften an verschiedenen Plätzen unter dem Oberbefehl der LNA gegen die osmanische Besatzung, die versuche, Zwietracht zwischen den Libyern zu säen und Konflikte im ganzen Land zu erzeugen. „Mitglieder terroristischer Organisationen glauben an die Ideologie der Muslimbruderschaft. Alle extremistischen Organisationen sind unter dem Deckmantel der Muslimbruderschaft entstanden, einer Gruppe, die sich in unserem Land keinerlei Beliebtheit erfreut“.
Die Krisen in Libyen gingen auf die Einmischung Katars und der Türkei in die inneren Angelegenheiten des Landes zurück. Dies wirke sich auf das Leben aller Libyer aus. In Bezug auf die offenen Grenzen und den Grenzübertritt von Ausländern nach Libyen betonte Mardama, dass von diesen versucht werde, die Grenzgebiete unsicher zu machen und die Stabilität des Landes zu untergraben: „Einige Menschen kommen auch über die langen, nicht völlig zu kontrollierenden Grenzen, um hier ihren Lebensunterhalt zu verdienen.“ Das Leben in ihren eigenen Ländern sei zu schwierig.
Mardama kündigte das Treffen des Libyschen Jugendrats am 4. April an, bei der libysche Jugendliche aus dem ganzen Land zusammenkommen und ihre Führung wählen wollen.
Mardama betonte, dass der libysche Stammesrat die Botschaft an die Welt sandte, dass die Stammesältesten diejenigen sind, die die Ölfelder stillgelegt haben. Wer verhandeln wolle, solle sich an den Rat wenden, der in Harawa unter der Führung von Scheich Saleh Al-Fandi, dem Vorsitzenden des Obersten Rates der libyschen Scheichs, gebildet wurde.
https://almarsad.co/en/2020/03/13/libyan-sheikhs-and-elders-council-qatar-makes-suspicious-calls-to-influence-the-councils-national-project/
Justiz
+ Der Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) hat entschieden, dass ein Verfahren gegen Saif Al-Islam Gaddafi zulässig ist. Dazu erklärte Dr. Aref Ali Nayed, Vorsitzender des Libya Institute for Advanced Studies (LIAS), dass sich der IStGH dabei auf Behauptungen der ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis unter Führung von Fayez as-Sarradsch stütze, die behauptet, dass das in Libyen in Kraft getretene Allgemeine Amnestiegesetz für Saif al-Islam Gaddafi nicht gelte.
Nayed zeigte sich über das Verhalten der ‚Einheitsregierung‘ empört, die den Fall an den IStGH verwiesen habe. Saif al-Islams sei libyscher Staatsbürger, deshalb unterliege sein Fall der libyschen Gerichtsbarkeit und somit müsse das Allgemeine Amnestiegesetz auch für ihn zur Anwendung kommen.
Es sei bemerkenswert, dass eine von niemanden gewählte, sogenannte ‚libysche‘ Regierung, die auch niemals vom Parlament das Vertrauen ausgesprochen bekam, solche Beschlüsse fasse. Nayed: „Damit wird auf die Anwendung des libyschen Rechts verzichtet und es werden die parlamentarischen Beschlüsse nicht anerkannt. Dies überrascht eigentlich nicht, denn dafür sind dieselben Personen verantwortlich, die auch den neuen türkischen Kolonialismus hierher geholt haben.“
[Der IStGH ist nur dann zuständig, wenn eine Sache nicht in dem Land selbst, in der die Sache anhängig ist, verhandelt werden kann.]
+ Die schottische Kommission zur Überprüfung von Kriminalfällen (Scottish Criminal Cases Review Commission - SCCRC) hat erklärt, dass die Familie des 2012 verstorbenen Abdelbaset al-Megrahi gegen seine damalige Verurteilung in Berufung gehen könne. Al-Megrahi war wegen des Lockerbie-Bombenattentats zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt worden, wegen seiner schweren Krebserkrankung 2009 nach Libyen entlassen worden, wo er 2012 verstarb. Der offiziell ernannte internationale UN-Prozessbeobachter Prof. Hans Köchler veröffentlichte 2001 und 2002 jeweils Berichte, in denen er von einem „spektakulären Justizirrtum“ sprach.
https://www.freitag.de/autoren/gela/lockerbie-schmierentheater-reloaded
Libysches Parlament
+ Laut Parlamentspräsident Agila Saleh werden die Öleinnahmen von der Libyschen Zentralbank (CBL) in Tripolis zur Finanzierung ausländischer Söldner und zum Kauf von Waffen verwendet.
Coronavirus
+ Laut dem Innenministerium der Übergangsregierung (Tobruk) müssen alle Personen aller Nationalitäten, die in Libyen einreisen, zwei Wochen lang unter Quarantäne, „bis sichergestellt ist, dass sie nicht mit dem Coronavirus infiziert sind“.
Es wurde auch die Schließung aller Schischa-Bars und Cafés angekündigte. Das Bildungsministerium erklärte, dass alle Bildungseinrichtungen ab dem 15. März für zwei Wochen geschlossen werden.
+ Die LNA sagte, alle Grenzübergänge in den Tschad, den Sudan und nach Algerien werden geschlossen, um die Verbreitung des Coronavirus zu unterbinden.
+ Der Gesundheitsminister der Übergangsregierung (Tobruk), Saad Agoub, forderte alle betroffenen Behörden auf, breit angelegte Reinigungsinitiativen in ganz Libyen zu starten, um die Verbreitung von Covid-19 zu verhindern.
Es soll auch die logistische Unterstützung und die Entwicklung von Notfallplänen in den medizinischen Quarantänestationen in Erwartung von Notfällen aufgestockt werden.
Im Moment gibt es in Bengasi drei Corona-Verdachtsfälle.
+ Der Sohn des Bürgermeisters von Bengasi ist nach seiner Rückkehr aus dem Iran unter Quarantäne gestellt worden. Es stellt sich allerdings die Frage, zu welchem Zweck er im Iran war.
+ Die ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis hat alle Bildungseinrichtungen ab 14. März für zwei Wochen geschlossen.
+ Der Flughafen Misrata verbietet bis auf weiteres die Einreise von Nicht-Libyern.
+ In Tunesien gilt ab 13. März für alle Reisenden aus allen Ländern weltweit bei Einreise eine 14-tägige Pflicht, sich in Quarantäne zu begeben. Es wurden die Seegrenzen geschlossen und alle Flüge nach Italien ausgesetzt, andere auf ein absolutes Minimum begrenzt. Es gibt nur noch einen wöchentlichen Flug nach Deutschland. Tunesien hat 16 bestätigte Covid-19-Fälle.
Fast der gesamte Flugverkehr von Tripolis sowie West- und Südwestlibyen läuft über den Flughafen von Tunis. Fast alle ausländischen Botschaften sind von Tripolis nach Tunis verlegt worden, und es ist der Standort für die meisten internationalen Organisationen. Viele Libyer lassen sich in Tunesien medizinisch behandeln und tätigen dort Geschäfte. Die Grenzschließung trifft sie hart.
+ Badr al-Din al-Nadschjar, Direktor des libyschen Nationalen Zentrums für Seuchenbekämpfung, sagte: „Ich will offen sprechen, weder haben wir die Fähigkeit, noch sind wir darauf vorbereitet, mit dem Coronavirus umzugehen. Wenn dieses Virus Libyen erreicht, wird die Situation bei uns schlimmer sein als in Italien.“ Es fehle an angemessenen Isolations-, Quarantäne- und Behandlungsmöglichkeiten. Dafür fehle das nötige Geld.
Daneben mangelt es auch an medizinischer Ausrüstung wie Beatmungsgeräten sowie an Ärzten und Krankenschwestern.
Migranten und Binnenvertriebenen sind aufgrund ihrer schlechten Lebensbedingungen und Unterernährung besonders bedroht.
Libysche Nationalarmee
+ Laut dem LNA-Sprecher kommt es bei den Kämpfen um Tripolis wegen des Schutzes der Zivilbevölkerung zu Verzögerungen. Außerdem sollen den Kämpfern der Milizen die Möglichkeit gegeben werden, ihre Position zu überdenken.
+ Der LNA-Sprecher sagte auch, dass Katar den Transfer von Söldnern und Waffen über die Türkei nach Libyen finanziere.
+ Laut LNA wurde ein Vorstoß der Milizen der ‚Einheitsregierung‘ an der „Ramla-Kreuzung“ in Tripolis abgewehrt.
+ Die LNA flog Luftangriffe auf Milizen der ‚Einheitsregierung‘ in Abu Grein, südlich von Misrata.
+ Laut LibyenReview ist überall in der Hauptstadt Tripolis schwere Artillerie zu hören.
+ Die LNA schießt eine türkische Aufklärungsdrohne über dem LNA-Luftwaffenstützpunkt al-Dschufra südlich von Sirte ab.
‚Einheitsregierung‘ (Tripolis)
+ Der Innenminister der ‚Einheitsregierung‘, Fathi Bashagha, sprach in London mit hohen britischen Beamten über die Reform der libyschen Sicherheitsstruktur. Ausgerechnet Bashagha, der als Parlamentsmitglied (für Misrata) das Parlament boykottiert und für die Tripolis-Milizen verantwortlich zeichnet, sagte in einer Rede vor dem britischen Parlament, dass die ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis den „demokratischen Staat verteidigt, der die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit garantiert“. Bashagha betonte die Notwendigkeit, die bilateralen Beziehungen zwischen Libyen und Großbritannien, insbesondere in den Bereichen Sicherheit und Handel, zu stärken.
Bashagha war 2014 für den Ausbruch des Bürgerkriegs in Tripolis verantwortlich, wo er das demokratische Wahlergebnis, das den Moslembrüdern verheerende Verluste bescherte, nicht anerkannte und statt dessen die militärische Operation Libya Dawn startete, in dessen Verlauf das gewählte Parlament in den Osten Libyens flüchten musste.
+ Laut der US-amerikanischen Journalistin Lindsay Snell übernimmt die ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis die Kosten für alle syrischen Söldner, die nach Libyen kommen. Der monatliche Sold für sie liegt zwischen zwei- und dreitausend US-$.
Da den ausländischen Söldner trotz der klammen Staatskasse der Sold immer noch ausbezahlt wird, während die libyschen Milizen der ‚Einheitsregierung‘ kein Geld mehr bekommen, hätten letztere das Büro von Fayez as-Sarradsch angegriffen.
Über die Situation der syrischen Söldner sagte Snell in einem Fernsehinterview, diese hätten in Syrien keine Heimat mehr und würden monatlich nur 100 US-$ verdienen. Deshalb sehen sie Libyen als die einzig ihnen verbleibende Chance.
+ Die libysche Botschaft in der Türkei hat der ‚Einheitsregierung‘ mitgeteilt, dass die türkischen Krankenhäuser die Aufnahme von verletzten Milizenkämpfern wegen nicht bezahlter Rechnungen verweigern.
Vereinte Nationen
+ Der Algerier Ramtane Lamamra wurde vom UN-Generalsekretär Antonio Guterres als neuer UN-Sondergesandter für Libyen und somit als Nachfolger von Ghassan Salamé vorgeschlagen. Die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats sollen die Ernennung unterstützen. Der 67-jährige Lamamra war von 2013 bis 2017 algerischer Außenminister und von 2008 bis 2013 Kommissar der Afrikanischen Union für Frieden und Sicherheit. Er war in mehreren afrikanischen Konflikten, insbesondere in Liberia, als Vermittler tätig.
Bis der Nachfolger offiziell ernannt ist, nimmt die US-Amerikanerin Stephanie Williams, die bisherige Stellvertreterin des zurückgetretenen Salamé, das Amt des UN-Sondergesandten für Libyen wahr. https://aawsat.com/english/home/article/2176141/algeria%E2%80%99s-ramtane-lamamra-eyed-next-un-libya-envoy
International
+ Der ägyptische Außenminister Sameh Schoukry befindet sich auf Europa-Tournee, wo er unter anderem Gespräche in Belgien und Frankreich führt. Wichtigstes Thema dabei sei Libyen.
Nach einem Treffen in Paris mit seinem französischen Amtskollegen Jean-Yves Le Drian ließ Schoukry verlauten, man sei sich über die Wichtigkeit der Koordinierung in Bezug auf Libyen einig. Es gehe dabei um eine „umfassende politische Lösung, die Bekämpfung des Terrorismus und die Ablehnung ausländischer Einmischung“.
In Brüssel traf sich mit Schoukry mit Josep Borrell von der Europäischen Kommission, um die Entwicklungen in Libyen und im Mittelmeerraum zu erörtern.
+ Die derzeit amtierende UN-Sonderbeauftragte für Libyen, Stephanie Williams, nahm an der Sitzung der Kontaktgruppe der Afrikanischen Union vom 11. bis 12. März in Oyo, Kongo, teil. Die Teilnehmer erörterten die Lage in Libyen und die Fortschritte bei den Vorbereitungen für die von der AU angestrebten interlibyschen Versöhnungskonferenz.
+ Die Zustimmungswerte für den türkischen Präsidenten Erdogan fallen rasant. Anfang März „stehen nur noch knapp 30 Prozent der Türken hinter seinem völkerrechtswidrigen Krieg in Syrien, knapp 49 Prozent lehnen ihn ab“. Und auch Erdogans Partei liegt nur noch bei schlappen 29 Prozent. Die größte Oppositionspartei CHP ist ihm mit 27 Prozent hart auf den Fersen, die linksliberale HDP kommt auf 12 Prozent.
[Die Werte für Erdogans Krieg gegen Libyen dürften vermutlich ähnlich lauten.]
https://www.heise.de/tp/features/Tuerkei-Erdogans-Mafia-Taktik-4681262.html
Verschiedenes
+ Laut Geheimdienstberichten sollen einige syrische Söldner nach Tunesien gegangen sein, um dort Terrorzellen zu gründen.
+ Karikaturen in Libyen zur gegenwärtigen politischen Lage:
http://en.alwasat.ly/news/caricature/260283
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen