Die USA und ihre „Nicht-Interventionen“
Im englischen „Guardian“ erschien am 29.1.16 ein Artikel von
Trevor Timm unter der Überschrift „Ist Amerika gerade dabei, schlafwandlerisch
in einen Krieg in Libyen zu tappen? Wir brauchen dringend eine Debatte.“
Aus der Kampagne zur Präsidentschaftswahl wissen wir es
nicht, aber die USA bereiten gerade eine neue Militäraktion in Libyen vor…
wieder einmal. Und gesetzt der Fall, dass Hillary Clinton die treibende Kraft
innerhalb der Obama-Administration war, die eine Bombardierung Libyens und
einen Regime-Change wollte, sollte dies eigentlich einen direkten Einfluss auf
die Debatten im Präsidentschaftswahlkampf haben. Sollte, tut es aber nicht.
Seitdem sich die USA 2011 entschlossen hatten, Luftangriffe
auf Libyen zu fliegen und Muammar Gaddafi zu stürzen, ist Libyen im Chaos
versunken. Außerdem wurde es in den letzten Monaten aufgrund innerer
Machtkämpfe und der Unfähigkeit der neuen Regierung, das Land zu kontrollieren,
zu einer Basis für IS-Operationen. Ein Ergebnis, über das sich die Fürsprecher
der ersten, vor vier Jahren bejubelten Intervention in Libyen, nun in
auffallendes Schweigen hüllen.
Und anstatt darüber zu diskutieren, welche Verwüstungen
militärisches Vorgehen anrichten und zu welchen Rückschlägen es führen kann,
streiten sich die Republikaner und Hillary Clinton darüber, wer von ihnen
militärische Aktionen in Irak, Syrien und anderswo ausführen wird.
Die Kandidaten tun so, als ob die Hauptfehler der letzten 14
Jahre der Kriegsführung unser Land nicht betroffen hätten und diese
Kriegsregionen praktisch nicht existieren würden. Clinton gab in dieser Woche
folgende Stellungnahme zum IS ab: „Jede Situation ist anders. Deshalb möchte
ich ganz klar sagen, dass ich so weit wie nur möglich auf Seiten der
Nicht-Intervention stehe. Deshalb sage ich: Keine amerikanischen Bodentruppen
in Syrien oder im Irak. Spezialeinheiten und Ausbilder ja. Flugzeuge zum
Bomben, ja. Keine Bodentruppen.“
Welch ein sonderbares Konzept von „Nicht-Intervention“. So
lange ganze US-Bataillone über das Land ausschwärmen, interveniert man nicht.
Spezialeinheiten kämpfen am Boden, Bomben fallen vom Himmel und Waffen
überschwemmen die Region – alles wunderbar. Und wenn die New York Times diese
Woche schreibt, die USA und ihre Verbündeten bereiten mögliche Luftschläge in
Libyen vor und Streitkräfte werden dort angreifen – dann ist noch mehr
„Nicht-Intervention“ unterwegs!
Anstatt die Ausweitung des immer noch unerklärten Kriegs
gegen den IS in einem dritten Land im Kongress zu diskutieren, also dort, wie
die Debatte hingehört, werden die Informationen von anonymen Beamten an
Zeitungen durchgestochen und dort wie eine Zwangsläufigkeit behandelt. Und
niemand macht sich darüber Gedanken, dass Verfassungsrechtler des ganzen
politischen Spektrums solche Maßnahmen als illegal bezeichnen.
Erstaunlich dabei ist, dass diesem gesetzmäßigen Aspekt
keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt wird: Die US-Regierung scheint zu denken,
sie kann den Krieg gegen den IS auf ein drittes Land ausdehnen, ohne dazu vom
Kongress autorisiert worden zu sein, obwohl dies die Verfassung verlangt. (Es
gab auch beim ersten Libyen-Krieg keine Autorisierung durch den Kongress.
Tatsächlich fuhren sie mit den Bombardierungen fort, auch nachdem das Haus
ausdrücklich die Zustimmung verweigert hatte.) „Der Präsident stellte klar, dass
wir die Befugnis haben, Militäreinsätze auszuführen“, soweit der Stabschef am
nächsten Tag, der so tat, als wäre dies eine völlig eindeutige Sache.
(Alle vorne liegenden Präsidentschaftskandidaten
einschließlich Clinton weigerten sich kürzlich, der New York Times auf die
Frage zu antworten, welche verfassungsmäßigen Machtbeschränkungen des
Präsidenten es bei Kriegseinsätzen gibt.)
Unseligerweise stimmt Clintons Vorstellung von
„Bodentruppen“ mit der bizarren neuen Definition Obamas vom Dezember überein,
als das Pentagon bekanntgab, Spezialeinheiten würden im Irak und in Syrien am
Boden operieren und Obama dies im besten Orwell‘schen-Speech als „specialized
expeditionary targeting force“ (in etwa: spezialisierte
Expeditions-Zielgruppen-Einsatzkräfte) bezeichnete.
„Sie wissen, wenn ich sage, keine Bodentruppen, dann denke
ich, das amerikanische Volk versteht, was ich meine, dass wir keine Invasion
wie im Irak oder in Syrien starten wollen mit Bataillonen, die quer durch die
Wüste marschieren.“
Obama hat im Voraus sechzehn Mal betont, dass in Syrien
keine Bodentruppen zum Einsatz kommen werden. Doch alles, was man tun muss, um
die eigenen Aussagen um 180 Grad zu drehen, ist, die Sätze, auf die es ankommt,
so umzudefinieren, dass sie keine Bedeutung mehr haben.
Wenn wir wirklich planen, in einem dritten Land gegen den IS
Krieg zu führen (beziehungsweise in einem vierten Land, seit der IS auch in
Afghanistan auf dem Vormarsch ist), würde es sicher nett sein, wenn das
amerikanische Volk diese Debatte mitverfolgen könnte und die Entscheidung von
unseren Vertretern getroffen werden würde, anstatt dass dies alles in großer
Heimlichkeit passiert.“
Trevor Timm, 29.1.12016
Übersetzung: Angelika Gutsche
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