Deutscher Erdölkonzern im Zwielicht
Tripolis/Kassel: Wie
der deutsche Ölkonzern Wintershall versucht, das Chaos in Libyen für seine
Zwecke auszunutzen und wie der
Präsidialrat ausländische statt libysche Interesse vertritt.
Mustafa Senella, Vorsitzender der libyschen Nationalen
Ölgesellschaft (NOC) erhebt schwere Vorwürfe gegen den deutschen Erdölkonzern
Wintershall. Der Konzern habe dem Präsidialrat geholfen, der NOC Befugnisse zu
entziehen und diese auf den Präsidialrat zu übertragen (Resolution 270), um
sich selbst Vorteile zu verschaffen.[1]
Im Moment kommt es zwischen der NOC und dem Präsidialrat zu Auseinandersetzungen,
wer von beiden die Kontrolle über die Ölindustrie ausüben soll. In der
Resolution 270, die von Senella stets bekämpft wurde, geht es darum, ob die NOC
oder der Präsidialrat befugt sind, Verhandlungen über neue Explorationen zu
führen sowie über die Verteilung von Produktionsanteilen, d.h. es geht um die
Kontrolle über sehr viel Geld. Senella sagte: „[Wintershall] habe versucht,
sich in die libysche Politik einzumischen und Vorteile daraus zu ziehen, dass
der Staat so schwach ist.“ (It
has tried to interfere in Libyan internal politics and to take advantage oft he
weakness of the state.) NOC sagte, dass Winterschall die Abmachungen aus
dem Jahre 2010 gebrochen hätte, indem es seinen Produktionsanteil nach unten abgeändert
habe.
Wintershall ist in Kassel ansässig und gehört zur
Unternehmensgruppe BASF. Seit langem war Wintershall bei den
Produktionsanteilen besser gestellt als die anderen ausländischen
Ölgesellschaften in Libyen. Es verfügt über zwei Hauptkonzessionen und eine
weitere Konzession für einen zehnprozentigen Anteil an dem Off-Shore-Feld
al-Dschurf.
Als nach dem NATO-Krieg die Ölproduktion einbrach, ließ
Wintershell 2013 verlauten, dass die Sicherheitssituation die Arbeiten
erschwere. 2014 zog der Konzern seine ausländischen Arbeitskräfte ab und mit
Ausnahme des Offshore-Ölfeldes wurde die Produktion eingestellt.
NOC beruft sich nun auf ein 2010 von Wintershall
unterzeichnetes Papier, das Wintershalls 50-Jahre-Konzession auf seine zwei
On-Shore-Gebiete ausdehnte. Ohne dieses Papier wäre die Konzession im März 2016
ausgelaufen und hätte neu verhandelt werden können. Zu dieser Zeit war Zuetina
von den Petroleum Facilities Guard (PFG) unter Ibrahim Dschadhran blockiert,
weshalb die NOC den Ausnahmezustand ausrief. Der Ausnahmezustand wurde erst
durch die Einnahme des libyschen Ölhalbmonds durch die Libysche Nationalarmee
und die Vertreibung der Dschadhran-PFG im September letzten Jahres beendet.
Bei verschiedenen Gesprächen sei es der NOC nicht gelungen,
Wintershall zur Einhaltung der 2010 geschlossenen Abmachungen zu bewegen. Stattdessen
habe der Konzern zusammen mit Sarradschs Präsidialrat an der Resolution 270
(Übertragung der Aufgaben des NOC auf den Präsidialrat) mitgearbeitet, um die
NOC ins Ausseits zu manövrieren und so neue Vereinbarungen mit der
UN-gestützten Administration des Präsidialrats treffen zu können.
Bei den gerade stattfindenden Verhandlungen zwischen General
Hefter (LNA) und Sarradsch (Vorsitzender des Präsidialrats) zur Einsetzung
einer echten Einheitsregierung ist eine wichtige Forderung des
Tobruk-Parlaments die Rücknahme des erst nachträglich verfassten und
umstrittenen Paragraphen 8 aus dem Libyan
Political Agreement, das eben diese Übertragung von Kompetenzen von der NOC
auf den Präsidialrat vorsieht.
Angelika Gutsche, 12.06.2017
[1]
Laut Reuters, siehe auch: www.libyaherald.com/2017/05/10/sanalla-accuses-german-oil-firm-of-bad-faith-and-political-interference/
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