Dienstag, 9. Mai 2017



Überraschend schnelle Einigung in Libyen

Tripolis/Abu Dhabi: Durchbruch beim Treffen von Generalfeldmarschall Hefter mit dem Vorsitzenden des Präsidialrats Sarradsch

Auf Einladung des Kronprinzen der Vereinten Arabischen Emirate (VAE) ist Generalfeldmarschall Hefter, Generalkommandant der Libyschen Nationalarmee (LNA), nach Abu Dhabi geflogen, wo es am 2. Mai 2017 endlich zu einem Treffen mit seinem Widersacher aus Tripolis und Vorsitzenden des Präsidialrats, Faies Sarradsch, kam. Bisher hatte sich Hefter einer Zusammenkunft mit Sarradsch verweigert, die nun wohl auf Druck von russischer, ägyptischer, amerikanischer und nicht zuletzt VAE-Seite zustande kam.
Bereits vor drei Wochen hatte sich Hefter in Abu Dhabi aufgehalten, wo es ein heimliches Treffen mit einem ranghohen US-Militär gegeben haben soll. Hefter werden engste Kontakte zur CIA nachgesagt, da er lange Jahre in den USA in der Nähe des CIA-Hauptquartiers seinen Wohnsitz hatte und erst 2011 nach Libyen zurückkam, um Oberst Gaddafi zu stürzen. Allerdings pflegen Hefter, die LNA, das libysche Parlament und die Übergangsregierung (Beida) schon längere Zeit intensive Kontakte mit Russland. Es ist zu vermuten, dass das jetzige Zusammentreffen und die dabei erzielten Übereinkünfte auf Absprachen zwischen Russland und den USA zurückgehen. Trump dürfte den islamistischen Gruppen, anders als unter der Obama-Administration, die Unterstützung entzogen haben. Bemerkenswert ist auch, dass Sarradsch nur mehr als „Vorsitzender des Präsidialrats“ bezeichnet wird und nicht mehr als libyscher „Premierminister“ der „Einheitsregierung“, da dies keinerlei Legitimität beanspruchen konnte.
Nach Verlautbarungen des VAE-Außenministeriums sind bei dem Gespräch handfeste Fortschritte in Richtung einer politischen Lösung für Libyen erzielt worden, bei der alle wichtigen politischen Gruppen und Regionen auf der Grundlage des Libyan Political Agreement (LPA / Libysche Politische Übereinkunft) einbezogen werden. Die wichtigen Finanzinstitutionen wie die Libysche Zentralbank, die Nationale Ölgesellschaft und die Investmentbehörde sollen sich ihrer Verantwortung zur Zusammenarbeit bewusst werden, um den wirtschaftlichen Niedergang Libyens zu stoppen.
Sarradsch und Hefter stimmten auch darin überein, dass im Süden des Landes die Einhaltung des Waffenstillstands wichtig ist.
Wie es aussieht, hat Sarradsch etliche Kröten schlucken und Forderungen des Parlaments in Tobruk erfüllen müssen. (Siehe auch: meinen Blog-Beitrag: https://www.freitag.de/autoren/gela/libyen-im-april-2017-monatsrueckblick – 03.04.). So wurde nach noch nicht offiziell bestätigten Berichten bei folgenden Punkten Übereinkunft erzielt:
-         Reduzierung der Anzahl der Mitglieder des Präsidialrats von neun auf drei.
-         Bekämpfung des Terrorismus, wobei verschiedene in Libyen tätige Milizen als terroristische Organisationen eingestuft wurden, unter anderen der Revolutionäre Schura-Rat von Bengasi (BRSC) und die Bengasi Verteidigungsbrigaden (BDB), da sie enge Verbindungen zu al-Kaida und Ansar al-Scharia haben. (Dies dürfte bei einigen politischen Gruppierungen in Misrata, die den Großmufti Scheich al-Ghariani in Tripolis sowie den BRSC und BDB unterstützen, auf scharfe Ablehnung stoßen. Ghariani hat das Treffen bereits als Verschwörung bezeichnet und zu Protesten aufgerufen. Die große Mehrheit der Bevölkerung in Misrata scheint das Abkommen aber zu begrüßen.)
-         Rücknahme des nachträglich eingesetzten und umstrittenen Paragraphen 8 aus dem Libyan Political Agreement. (Er sah vor, dass alle Machtbefugnisse von führenden zivilen- und militärischen Stellen auf den Präsidialrat übergehen)
-         Parlaments- und Präsidialwahlen innerhalb von sechs Monaten nach Verabschiedung dieses Übereinkommens.
-         Bildung eines neuen Präsidialrats, der aus einem Präsidenten plus dem Parlamentsvorsitzenden und dem Oberkommandierenden der libyschen Streitkräfte besteht.
-         Keine ausländische Einmischung in Angelegenheiten des Militärs und bei Sicherheitsfragen.
-         Auflösung der Milizen und bewaffneten Gruppen.
-         Befolgung aller juristischen Entscheidungen, die in Libyen getroffen werden [also beispielsweise nicht die Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs in Den Hag, der unter anderen die Auslieferung Seif al-Islams fordert].
-         Verweigerung der Rückführung von Migranten nach Libyen.
Arbeitsgruppen sollen nun diese Punkte für eine formelle Übereinkunft weiter ausarbeiten. In Kürze soll ein weiteres Treffen zwischen Hefter und Sarradsch stattfinden, diesmal in Kairo, begleitet vom ägyptischen Präsidenten al-Sisi, der bereits in Abu Dhabi anwesend war.
Bei seiner Rückkehr in Bengasi wurde Hefter von vielen namhaften politischen Repräsentanten des Ostens willkommen geheißen: dem Chef der Libyschen Nationalarmee, mehreren Militärkommandanten, dem Bürgermeister von Bengasi, dem Pro-Parlament-Präsidialmitglied Ali Gatrani, etlichen Mitgliedern des Parlaments sowie Repräsentanten der Stämme.
Die jetzigen Vereinbarungen zeigen, dass Frieden möglich sein kann – wenn die USA es nur wollen und den islamistischen Gruppierungen ihre Unterstützung entziehen. Die Dschihadisten haben schlechte Karten: Die ‚Revolution‘ frisst ihre Kinder.

Angelika Gutsche, 6.5.2017

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