Überraschend schnelle Einigung in Libyen
Tripolis/Abu Dhabi:
Durchbruch beim Treffen von Generalfeldmarschall Hefter mit dem Vorsitzenden
des Präsidialrats Sarradsch
Auf Einladung des Kronprinzen der Vereinten Arabischen
Emirate (VAE) ist Generalfeldmarschall Hefter, Generalkommandant der Libyschen
Nationalarmee (LNA), nach Abu Dhabi geflogen, wo es am 2. Mai 2017 endlich zu
einem Treffen mit seinem Widersacher aus Tripolis und Vorsitzenden des
Präsidialrats, Faies Sarradsch, kam. Bisher hatte sich Hefter einer
Zusammenkunft mit Sarradsch verweigert, die nun wohl auf Druck von russischer,
ägyptischer, amerikanischer und nicht zuletzt VAE-Seite zustande kam.
Bereits vor drei Wochen hatte sich Hefter in Abu Dhabi
aufgehalten, wo es ein heimliches Treffen mit einem ranghohen US-Militär
gegeben haben soll. Hefter werden engste Kontakte zur CIA nachgesagt, da er
lange Jahre in den USA in der Nähe des CIA-Hauptquartiers seinen Wohnsitz hatte
und erst 2011 nach Libyen zurückkam, um Oberst Gaddafi zu stürzen. Allerdings
pflegen Hefter, die LNA, das libysche Parlament und die Übergangsregierung
(Beida) schon längere Zeit intensive Kontakte mit Russland. Es ist zu vermuten,
dass das jetzige Zusammentreffen und die dabei erzielten Übereinkünfte auf
Absprachen zwischen Russland und den USA zurückgehen. Trump dürfte den
islamistischen Gruppen, anders als unter der Obama-Administration, die
Unterstützung entzogen haben. Bemerkenswert ist auch, dass Sarradsch nur mehr
als „Vorsitzender des Präsidialrats“ bezeichnet wird und nicht mehr als
libyscher „Premierminister“ der „Einheitsregierung“, da dies keinerlei
Legitimität beanspruchen konnte.
Nach Verlautbarungen des VAE-Außenministeriums sind bei dem
Gespräch handfeste Fortschritte in Richtung einer politischen Lösung für Libyen
erzielt worden, bei der alle wichtigen politischen Gruppen und Regionen auf der
Grundlage des Libyan Political Agreement
(LPA / Libysche Politische Übereinkunft) einbezogen werden. Die wichtigen
Finanzinstitutionen wie die Libysche Zentralbank, die Nationale Ölgesellschaft
und die Investmentbehörde sollen sich ihrer Verantwortung zur Zusammenarbeit
bewusst werden, um den wirtschaftlichen Niedergang Libyens zu stoppen.
Sarradsch und Hefter stimmten auch darin überein, dass im
Süden des Landes die Einhaltung des Waffenstillstands wichtig ist.
Wie es aussieht, hat Sarradsch etliche Kröten schlucken und
Forderungen des Parlaments in Tobruk erfüllen müssen. (Siehe auch: meinen
Blog-Beitrag: https://www.freitag.de/autoren/gela/libyen-im-april-2017-monatsrueckblick
– 03.04.). So wurde nach noch nicht offiziell bestätigten Berichten bei
folgenden Punkten Übereinkunft erzielt:
-
Reduzierung der Anzahl der Mitglieder des
Präsidialrats von neun auf drei.
-
Bekämpfung des Terrorismus, wobei verschiedene
in Libyen tätige Milizen als terroristische Organisationen eingestuft wurden,
unter anderen der Revolutionäre Schura-Rat von Bengasi (BRSC) und die Bengasi
Verteidigungsbrigaden (BDB), da sie enge Verbindungen zu al-Kaida und Ansar
al-Scharia haben. (Dies dürfte bei einigen politischen Gruppierungen in
Misrata, die den Großmufti Scheich al-Ghariani in Tripolis sowie den BRSC und
BDB unterstützen, auf scharfe Ablehnung stoßen. Ghariani hat das Treffen
bereits als Verschwörung bezeichnet und zu Protesten aufgerufen. Die große
Mehrheit der Bevölkerung in Misrata scheint das Abkommen aber zu begrüßen.)
-
Rücknahme des nachträglich eingesetzten und
umstrittenen Paragraphen 8 aus dem Libyan
Political Agreement. (Er sah vor, dass alle Machtbefugnisse von führenden
zivilen- und militärischen Stellen auf den Präsidialrat übergehen)
-
Parlaments- und Präsidialwahlen innerhalb von
sechs Monaten nach Verabschiedung dieses Übereinkommens.
-
Bildung eines neuen Präsidialrats, der aus einem
Präsidenten plus dem Parlamentsvorsitzenden und dem Oberkommandierenden der
libyschen Streitkräfte besteht.
-
Keine ausländische Einmischung in
Angelegenheiten des Militärs und bei Sicherheitsfragen.
-
Auflösung der Milizen und bewaffneten Gruppen.
-
Befolgung aller juristischen Entscheidungen, die
in Libyen getroffen werden [also
beispielsweise nicht die Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs in Den
Hag, der unter anderen die Auslieferung Seif al-Islams fordert].
-
Verweigerung der Rückführung von Migranten nach
Libyen.
Arbeitsgruppen sollen nun diese Punkte für eine formelle
Übereinkunft weiter ausarbeiten. In Kürze soll ein weiteres Treffen zwischen
Hefter und Sarradsch stattfinden, diesmal in Kairo, begleitet vom ägyptischen
Präsidenten al-Sisi, der bereits in Abu Dhabi anwesend war.
Bei seiner Rückkehr in Bengasi wurde Hefter von vielen
namhaften politischen Repräsentanten des Ostens willkommen geheißen: dem Chef
der Libyschen Nationalarmee, mehreren Militärkommandanten, dem Bürgermeister
von Bengasi, dem Pro-Parlament-Präsidialmitglied Ali Gatrani, etlichen
Mitgliedern des Parlaments sowie Repräsentanten der Stämme.
Die jetzigen Vereinbarungen zeigen, dass Frieden möglich
sein kann – wenn die USA es nur wollen und den islamistischen Gruppierungen
ihre Unterstützung entziehen. Die Dschihadisten haben schlechte Karten: Die
‚Revolution‘ frisst ihre Kinder.
Angelika Gutsche, 6.5.2017
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