Laut Umfragen sprechen sich 80 Prozent der Libyer für Wahlen aus
Libyen. Am 8. November
gab der Vorsitzende der UN-Sondermission für Libyen vor dem UN-Sicherheitsrat
eine Erklärung zur Lage der libyschen Nation ab.
In dem Bericht des Vorsitzenden des UN-Sondermission,
Ghassem Salamé[1],
heißt es: „Hunderte Libyer und Ausländer werden um Lösegeld erpressen zu können
unrechtmäßig und unter unmenschlichen Bedingungen gefangen gehalten. Einige
Gefängnisse haben sich zu Brutkästen für extremistische Ideologien und
terroristische Gruppen entwickelt. Während der Krise [gemeint sind wohl die letzten Kämpfe in Tripolis] wurde ein Dekret
erlassen, in dem die Justiz aufgefordert wurde, die Akten tausender Gefangener,
die im Gefängnis ums Leben kamen, einzusehen. Nur 255 Gefangene wurden bisher freigelassen.
Dieser Prozess muss beschleunigt werden und die bewaffneten Gruppen müssen die
Kontrolle über die Hafteinrichtungen an die Behörden übergeben. Gefängnisse,
die sich zu gewinnorientierten, privaten Unternehmen entwickelt haben, die von
bewaffneten Gruppen mit staatlicher Duldung betrieben werden, sollten sofort
stillgelegt werden. Die Mission hat eine spezielle Arbeitsgruppe zur
Ausarbeitung einer Gefängnisreform eingerichtet.“
Des Weiteren stellte Salamé fest: „Die Straflosigkeit muss
ein Ende haben. Das Phänomen, dass bewaffnete Männer medizinische Einrichtungen
und Personal angreifen, Geld von Finanzinstitutionen erpressen und Frauen auf
Bankdienstleistungen warten, ist unmoralisch, illegal und kriminell. Das muss
sofort aufhören.“ [...]
„Die Gewalt im September spiegelt die zugrunde liegende
Fragilität im Land wider. Der libysche Konflikt ist größtenteils ein
Ressourcenkonflikt. Solange dieser nicht gelöst ist, ist es schwierig, Stabilität
zu erreichen. Libyen ist reich. Die Erdölförderung erreicht bis zu 1,3
Millionen Barrel Öl pro Tag. In diesem Land mit 6,5 Millionen Einwohnern wurden
allein in diesem ersten Halbjahr Einnahmen von über 13 Milliarden US-Dollar
erzielt. Diese Zahlen verschleiern jedoch die Wahrheit: Die Libyer sind
zunehmend verarmt, während Kriminelle Gewalt- und Patronatsnetzwerke einsetzen,
um Milliarden aus den Staatskassen zu stehlen.“
Salamé erhofft sich von der Palermo-Konferenz mehr
praktische Unterstützung, um ein System zur Umverteilung des Staatsvermögens
einzusetzen, das nicht zum Nutzen von Übernacht-Millionären geschaffen ist,
sondern der gesamte Bevölkerung dient. [Dass
sich diese Hoffnung erfüllen wird, darf bezweifelt werden.]
Zu Wahlen äußerte sich Salamé wie folgt: „Wahlen sind für
beide Häuser [Parlament und Staatsrat]
eine Bedrohung, der unter allen Umständen entgegenzuwirken ist. Aber für die
Bürger sind Wahlen ein Mittel zur Befreiung von den ineffektiven und zunehmend
illegitimen Behörden. Laut unserer letzten Umfrage, die ich heute Morgen
erhalten habe, bestehen 80 %, acht null Prozent, der Libyer auf Wahlen. Unzählige
Libyer haben militärische Abenteuer und kleinliche politische Manöver satt.“
Salamé sieht in einer Nationalkonferenz, die Anfang 2019 in
Libyen organisiert werden soll, den Weg für die Zukunft Libyens. Erst im
Frühjahr sollte dann mit einem „Wahlprozess“ begonnen werden. Die dann von der
Nationalkonferenz ausgearbeiteten Empfehlungen sollen mit Unterstützung der
internationalen Gemeinschaft umgesetzt werden.
Zu der immer prekärer werdenden Situation im Süden des
Landes meint Salamé: „Völliger Zusammenbruch der zivilen Dienstleistungen. Zunahme
von Terrorismus und Kriminalität. Zügellose Gesetzlosigkeit. Bedrohungen für
die Ölfelder und die Wasserinfrastruktur, auf die das Land angewiesen ist.
Ausländische bewaffnete Gruppen auf libyschem Boden. Mangel an allem, von
Benzin bis Geld, von medizinischer Versorgung bis Nahrungsmittel. Die Probleme
sind zahllos, und es gibt keine staatlichen Institutionen, um sie anzugehen.“ [...]
„Die Bedrohung durch offene Grenzen hat die Präsenz von ISIS, Al Qaida und
anderen Terrorgruppen im Süden Libyens ermöglicht.“
Salamé endet: „Libyen befindet sich in einem sinnlosen und
zerstörerischen Zyklus, angeheizt durch persönliche Ambitionen und den Diebstahl
seines Reichtums. Obwohl es ein Land ist, das in menschlicher und materieller
Hinsicht über große Ressourcen verfügt, werden die verpassten Gelegenheiten schnell
zur Tragödie. Die Risiken sind zu hoch, um so weiterzumachen. Zivilisten werden
in sinnlosen Kämpfen getötet, Terroristen betrachten nach ihren Niederlagen an
anderen Orten Libyen als Zufluchtsort, es kommt zu täglichen Verletzungen der
Menschenrechte und die nächste Generation von Libyern wird daran gehindert, ihr
Potenzial auszuschöpfen.“ Zu viele ausländische Player nutzten Libyen, um einen
unfairen und unselbstständigen Status Quo aufrechtzuerhalten, der die Libyer
verarmen und das Land zu einer Bedrohung für seine Nachbarn und darüber hinaus werden
lasse.
Kritik an Salamé und der UN-Sondermission für Libyen wurde
dagegen von Musbah Douma, Mitglied des Parlaments in Tobruk, geübt.[2]
Er sagte, die Verlängerung des UN-Mandats für die UN-Sondermission käme einer
Verlängerung der libyschen Krise gleich.
Die UN-Sondermission habe den Dialog zwischen Parlament und
Hohem Staatsrat sowie anderen Institutionen, die auf eine Lösung der Krise in
Libyen hingearbeitet haben, missachtet und sei keineswegs neutral.
Salamé täte so, als habe er den Waffenstillstand in Tripolis
zustande gebracht, der tatsächlich nicht hält, und weigere sich andererseits
immer noch zu sagen, wer für den Beschuss wichtiger Institutionen
verantwortlich gewesen ist. Er habe auch die Aussagen von 130 Parlaments- und
60 Hohen Staatsratsmitgliedern ignoriert, die der Meinung sind, der
Präsidialrat sei nicht imstande, die Führung des Landes zu übernehmen.
Douma fragte auch, ob die von Salamé bevorzugten Parteien
ihre Aufgaben hinsichtlich einer politischen Einigung erledigt hätten oder
nicht, und wollte wissen, ob sich Salamé in Sachen Sicherheit und Wirtschaft
noch immer der internationalen Gemeinschaft verpflichtet sehe.
Er rief alle libyschen Parteien zu einem Treffen in Tobruk
auf, das ohne Einmischung von außen abgehalten werden sollte. Bei dem Treffen
soll die Politische Vereinbarung (Skhirat-Abkommen) ergänzt und in die
Verfassung aufgenommen werden.
A. Gutsche
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