Der Internationale Strafgerichtshof übt Siegerjustiz
Libyen/UN. Der IStGH
will den internationalen Strafbefehl gegen Saif al-Islam Gaddafi nicht
aufheben.
Am 5. November 2018 berichtete die Generalanklägerin des
Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag (IStGH), Fatou Bensouda, vor dem
Sicherheitsrat der Vereinten Nationen über die Lage in Libyen.
Dabei erklärte Frau Bensouda, dass der Haftbefehl gegen Saif
al-Islam Gaddafi nicht aufgehoben werde. Der IStGH bestehe auf seiner Festnahme
und Auslieferung nach Den Haag.
Die Anwälte Saif al-Islam Gaddafis hatten am 5. Juni 2018 beim
IStGH eine Unzulässigkeitsklage eingereicht. Die Begründung lautete, dass Saif
al-Islam Gaddafi am 12. April 2016 aufgrund eines libyschen Amnestiegesetztes
aus dem Gefängnis in Zinten entlassen worden ist. Da der Fall vor einem
libyschen Gericht verhandelt worden war, sei der IStGH nicht mehr zuständig.
Der Haftbefehl des IStGH war im Juni 2011 ausgestellt
worden. Saif al-Islam Gaddafi war vorgeworfen worden, Verbrechen gegen die
Menschlichkeit begangen zu haben.
2017 warf Der Spiegel[1]
dem damaligen Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Luis Moreno
Ocampo, vor, er habe sich 2011 schwere Verfehlungen zuschulden kommen lassen.
Ocampo hatte die Aufgabe, in Libyen wegen Kriegsverbrechen zu ermitteln. Er
erließ drei Haftbefehle: gegen Gaddafi, seinen Sohn Saif al-Islam und dem
Geheimdienstchef Abdullah Sanussi.
Ocampo hatte nicht vor Ort ermittelte, um forensische und
dokumentarische Beweise zu sammeln, sondern stattdessen parteiisch für den
Westen Stellung bezogen. Belegt ist ein Telefongespräch mit dem französischen
Außenministerium, in dessen Verlauf er Informationen weitergab, die nur für den
Gerichtshof bestimmt waren. Der Spiegel: „In der Depesche schrieben die Franzosen
einen für Ocampo fatalen Satz: >Der Chefankläger versteht sich nicht als
unabhängiger Staatsanwalt, sondern als ein juristisches Organ, das den
Anweisungen des Sicherheitsrats Folge leistet.< […] Aus Ocampos
Schriftverkehr geht hervor, dass er mit den Franzosen und Briten Absprachen
traf und sich als Teil der Anti-Gaddafi-Koalition gerierte.“
Der Spiegel zitiert den deutschen Völkerrechtler
Hans-Peter Kaul, der seinen Richterposten in Den Haag 2012 aufgab, mit den
Worten: „Er hat uns problematische Zeugen präsentiert, die nichts beitragen
konnten, die nichts wussten. Auch war die juristische Argumentation oft
dürftig.“ Der Spiegel zieht das Fazit, dass Ocampo mit seiner einseitigen
Parteinahme im Libyenkrieg „den Gerichtshof mit seinem Aktivismus zum Spielball
politischer Interessen gemacht“ hat.
Frau Bensouda bewegt sich in den Fußstapfen Ocampos, und
dürfte ihre Handlungsanweisungen ebenfalls von der „Internationalen
Wertegemeinschaft“ erhalten.
Neben Saif al-Islam bestehen im Moment noch internationale
Haftbefehle des IStGH gegen die Libyer Mahmoud Al-Werfalli (Befehlshaber der
Saiqa Force der von Haftar geführten Streitkräfte) sowie Al-Tuhamy Khalid
(ehemaliger Chef der Behörde für Innere Sicherheit).
Zu der Anklage nahm Saif al-Islam Gaddafi im Oktober 2017 selbst
wie folgt Stellung:
„2011 erließ der IStGH Haftbefehle gegen Muammar Gaddafi,
Saif al-Islam Gaddafi und Abdullah al-Senussi. Sie wurden für angeblich in
Libyen begangene Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Trotz der
Schwere der Anschuldigungen hat der IStGH keinerlei Untersuchungen vor Ort (in
Libyen) vorgenommen. Stattdessen hatte er nur zwei Wochen nach dem UN-Beschluss
seine Schlussfolgerungen gezogen und die Täter identifiziert. Der IStGH konnte
somit seine Arbeit fortsetzen. Die vorgegebene Zeit für das Verfassen der
Anklageschrift wurde nicht eingehalten. Die tatsächlich aufgewendete Zeit hätte
nicht einmal ausgereicht, um einen Verkehrsunfall zu untersuchen und zur
Verurteilung zu bringen.
In diesem Zusammenhang stellte der libysche
Regierungskoordinator des IStGH, al-Dschehani, fest: „Der IStGH-Fall gegen
Libyen war rein politischer Natur, denn die Nato-Länder hatten den National
Transitional Council (NTC) aufgefordert, für den IStGH eine Liste von
Offiziellen zu erstellen, gegen die Anklage wegen Verbrechens gegen die
Menschlichkeit erhoben werden soll.“ Der NTC beauftragte al-Dschehani, diese
Liste zu erstellen. Zehn Personen wurden auf diese Liste gesetzt, von denen der
IStGH nur die drei oben genannten auswählte.
In seiner Stellungnahme sagte al-Dschehani, dass alle
Anschuldigungen erfunden waren. Er legte seine Sicht auch bei einem Treffen mit
Saif al-Islam dar und sagte ihm, dass es für die libysche Justiz unmöglich sei,
ihn schuldig zu sprechen. Al-Dschehani fügte hinzu, dass sie (al-Dschehani und
sein Team) diesen Fall gegen ihn nur erfunden hätten, weil sie schon im Voraus
wussten, dass – was die Anschuldigungen bezüglich Menschenrechtsverbrechen
betrifft – dieser Fall ein verlorener Fall sein wird, aber er wurde aufrecht
erhalten, damit Saif al-Islam in Verbindung mit Finanz- und Korruptionsfälle
gebracht werden konnte. Al-Dschehani hat seine Erfindungen und Lügen damit
gerechtfertigt, dass solche Lügen während eines Krieges statthaft seien, sie
vor einem Gericht aber keinen Bestand hätten (al-Dschehanis Stellungnahme ist
dokumentiert: 1.1.2012, Gerichtshof al-Zinten).
Der IStGH wandte im libyschen Bürgerkrieg und bei der
Nato-Intervention doppelte Standards an. Während man libysche Politiker mit
erfundenen Verbrechen in Verbindung brachte, wurde der barbarische Mord an
Gaddafi und seinem Sohn al-Mutassim durch von der Nato unterstützte Milizen
ignoriert und auch nicht verurteilt.(...)
Die Milizenführer und Warlords haben abscheuliche
Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen und während der letzten sechs
Jahre Städte und lebenswichtige Infrastruktur zerstört. Im Folgenden werden nur
einige wenige der begangenen Verbrechen aufgelistet: Menschen wurden verbrannt,
lebend gekocht und den abscheulichsten Folterungen ausgesetzt. Politische
Gefangene, Sicherheitspersonal und Soldaten wurden in den Anlagen von Misrata
in die Eisen- und Stahlschmelzöfen geworfen. Darüber hinaus betrieben die
Milizen einen Handel mit den Organen von Gefangenen. Als die politische
Situation in Libyen immer undurchschaubarer wurde, verübte der IS weitere
Gräueltaten, indem er Menschen schlachtete, kreuzigte und ihre Organe in
dramatischen Auftritten zerstückelte.
Beispiellose rassistische und ethnische Säuberungen
wurden durchgeführt, Genozid an der Bevölkerung von fünf libyschen Städten
verübt. 55 Prozent der Libyer waren gezwungen, aus ihrem Land in Nachbarstaaten
zu fliehen. Hunderte Häuser wurden in Bani Walid und in fünf anderen Städten in
Wirschefana abgebrannt.
Die Stadt Sirte wurde zerstört und platt gemacht sowie
Wohngebiete in Bengasi und Derna bombardiert. Sogar das kosmopolitische
Tripolis musste ethnische und rassistische Säuberungen ertragen, insbesondere
in Gebieten, in denen Menschen wohnten, die loyal zu Gaddafi standen.
Neben den systematischen Menschenrechtsverletzungen
zerstörten die Milizen und deren Anführer die lebensnotwendige libysche
Infrastruktur. Im Juli 2014 setzten sie den Flughafen in Tripolis und die
Flugzeugflotte in Brand und steckten die Öltanks 24 und 25 an. Trotz dieser
Zerstörungstaten und der brutalen Folterungen ignorierten die internationale
Gemeinschaft und die Gremien der Vereinten Nationen all diese Verbrechen und
unterließen es, die dafür verantwortlichen Warlords vor Gericht zu bringen.“ (...)
[Vollständiger Text: https://www.freitag.de/autoren/gela/eine-philippika-von-saif-al-islam-gaddafi ]
A. Gutsche
[1] https://www.freitag.de/autoren/gela/libyen-und-internationaler-strafgerichtshof
Der Spiegel 40/2017, „Auf der falschen Seite“, von Sven Becker, Marian Blasberg, Dietmar Pieper
Der Spiegel 40/2017, „Auf der falschen Seite“, von Sven Becker, Marian Blasberg, Dietmar Pieper
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