Was wusste Theresa May?
Libyen/Großbritannien.
In einem Artikel in MiddleEastEye fordert
der Autor Mark Curtis eine gründliche Untersuchung der Rolle Großbritanniens im
Krieg gegen Libyen 2011.
Dabei geht es um die drei Themen Völkerrechtsverletzungen,
Zusammenarbeit mit Extremisten und Bruch des Waffenembargos.
Völkerrechtsverletzungen
Die Bombardierung Libyens durch Großbritannien im März 2011
habe eine Verletzung der UN-Resolution 1973 dargestellt. Die Resolution habe
die Einrichtung einer Flugverbotszone gefordert und die Ergreifung aller
nötigen Maßnahmen, um Zivilisten vor Angriffen zu schützen. Keinesfalls damit
abgedeckt waren ausländische Truppen auf libyschem Boden und das Herbeiführen
eines Regimewechsels. Der damalige Premierminister David Cameron gab jedoch für
beides grünes Licht.
Die britischen Bombenangriffe waren ganz eindeutig nicht
durch das UN-Mandat zum Schutz der Zivilbevölkerung gedeckt. Cameron hatte dem
Parlament noch im März 2011 versichert, dass in Libyen kein Regimewechsel
angestrebt werde, denn die UN-Resolution stelle „ausdrücklich keine rechtliche
Befugnis für Maßnahmen dar, um Gaddafi mit militärischen Mitteln stürzen“. Doch
nur drei Wochen später bekannte er sich in einem Brief an US-Präsident Barack
Obama und den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy zu „einer Zukunft ohne
Gaddafi“.
Der damalige Chef des Verteidigungsstabes General David Richards erklärte im Jahr 2016 im Rahmen einer parlamentarischen Untersuchung wiederholt, dass es die britische Politik auf einen Regimewechsel abgesehen hatte. General Richards sagte auch, Großbritannien habe „innerhalb der libyschen Rebellen ein paar eigene Leute gehabt (enbedded)“. Sie seien in den hinteren Reihen aufgestellt gewesen für abwechselnd vordere und hintere Einsätze.
Der damalige Chef des Verteidigungsstabes General David Richards erklärte im Jahr 2016 im Rahmen einer parlamentarischen Untersuchung wiederholt, dass es die britische Politik auf einen Regimewechsel abgesehen hatte. General Richards sagte auch, Großbritannien habe „innerhalb der libyschen Rebellen ein paar eigene Leute gehabt (enbedded)“. Sie seien in den hinteren Reihen aufgestellt gewesen für abwechselnd vordere und hintere Einsätze.
Curtis zieht daraus den Schluss, Großbritannien habe 2011 in
Libyen das Völkerrecht noch eindeutiger verletzt als das im Irakkrieg 2003 der
Fall war.
Daraus ergeben sich die Fragen, ob die dschihadistische LIFG
(Libyan Islamic Fighting Group) für ihren Kampf in Libyen Unterstützung aus
Großbritannien erhalten hat und warum dem Manchester-Attentäter Abedi und
seinen Familienangehörigen, nachdem sie in Libyen gekämpft hatten, die Rückkehr
nach Großbritannien erlaubt wurde.
Zusammenarbeit mit
Extremisten
Da Großbritannien keine eigenen Truppen in Libyen einsetzen
konnte, ließ es stellvertretend islamistische Extremisten für sich kämpfen.
Zwei dschihadistische Kämpfer spielten dabei eine besondere Rolle: Abdelhakim
al-Hasidi, ein radikaler Prediger, gestählt durch fünf Jahre Afghanistan-Krieg,
trainierte etwa 300 Kämpfer in der ostlibyschen Dschihadistenhochburg Derna. Er
und sein Mitkämpfer, der Milizen-Kommandant Salah al-Barrani, waren Mitglieder
der LIFG, die schon 1996 mit Unterstützung Großbritanniens versucht hatte,
Muammar al-Gaddafi zu ermorden.
Im April dieses Jahres musste der britische Außenminister
Alistair Burt bei einer parlamentarischen Anfrage zugeben, dass die britische
Regierung während des Libyen-Krieges wahrscheinlich Kontakte zur LIFG hatte.
Diese Information ist besonders heikel, da der Manchester-Attentäter Salman
Abedi, bei dessen Anschlag 22 Menschen starben, und sein Vater Ramadan Abedi
Mitglieder der LIFG waren. Ramadan Abedi war der LIFG bereits 1994 beigetreten.
Der britische Geheimdienst MI6 hat laut dem Journalisten
Peter Osborne 2011 die in Großbritannien lebenden libyschen Migranten dazu
ermutigt, nach Libyen auszureisen, um sich dem Kampf gegen die Dschamahirija
und Gaddafi anzuschließen. Die meisten von ihnen waren LIFG-Mitglieder und kamen
aus Manchester. Nach dem Tod Gaddafis konnten sie ohne Probleme nach
Großbritannien zurückkehren.
Bruch des
Waffenembargos
2011 verhängten die Vereinten Nationen ein Waffenembargo
gegen Libyen. Der britische Untersuchungsausschuss kam jedoch zu dem Schluss,
dass die internationale Gemeinschaft bei Waffenlieferungen an die Rebellen
beide Augen zudrückte. Daraus ergibt sich die Frage, was die in Libyen
„enbedded“ britischen Militärs tatsächlich machten und ob sie bei
Waffenlieferungen an die Oppositionskräfte beteiligt waren.
Katar, der Verbündete Großbritanniens, hat den sogenannten
„Rebellen“ Waffen im Wert von 400 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt.
Der Großteil der Waffen ging somit an islamistische Extremisten. Dies alles
muss der britischen Regierung bekannt gewesen sein und muss von ihr gebilligt
worden sein. Sie unterstützte Katar in der herausragenden Rolle, die das Land
im Kampf gegen die damalige libysche Dschamahirija-Regierung spielte.
Eine Untersuchung der Rolle Großbritanniens im Libyenkrieg
wäre genauso angebracht, wie diejenige 2009 zur Invasion des Irak. Damals wurde
die wichtige Frage gestellt: „War es richtig und notwendig, im Irak im März
2003 zu intervenieren? Hätte das Vereinigte Königreich besser vorbereitet sein
müssen, auch darauf, was die Kriegsfolgen betraf?“ Obwohl dies auch
Schlüsselfragen für den Krieg gegen Libyen sind, sei es zu keiner derartigen
Untersuchung gekommen.
Der Krieg gegen Libyen ist in den Medien und in der Politik
fälschlicher Weise nicht so umstritten wie der Krieg gegen den Irak. Dabei
wurde Libyen ebenso wie der Irak in ein Chaos gestürzt und der
Manchester-Bombenanschlag kann als eine Folge des Libyenkrieges betrachtet
werden.
Mark Curtis sieht den eigentlichen Grund für das Versäumnis,
eine Untersuchung über die Vorgänge bezüglich Libyen 2011 durchzuführen darin,
dass nicht nur David Cameron, sondern auch Theresa May, die zu dieser Zeit
Staatssekretärin war, an dieser schmutzigen Geschichte beteiligt war und wohl
mehr darüber wusste, als ihr heute lieb ist.
Sollte die Labour-Partei an die Macht kommen, wäre es laut
Curtis an ihr, hier Aufklärung zu fordern.
A. Gutsche
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