Dienstag, 26. März 2019

Berichte aus einem Totenhaus

Libyen. Neue Berichte über horrende Zustände in den Migrantengefängnissen und die desolate Menschenrechtslage werfen ein Schlaglicht auf das Versagen der libyschen Regierungen.

Andrew Gilmour, stellvertretender Generalsekretär für Menschenrechte und Hoher Kommissar für Menschenrechte der Vereinten Nationen, stellte den Bericht über Folter und Misshandlungen von Flüchtlingen in Libyen dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf vor.
In dem Bericht heißt es, dass Migranten ab dem Moment, da sie libyschen Boden betreten, unvorstellbaren Grausamkeiten ausgesetzt sind. Gilmour sagte, dass die Berichte von Flüchtlingen, die nach ihrer Befreiung in Libyen in den Niger kamen, zu den erschütterndsten Schilderungen, die er jemals gehört hat, zählen.
„Jeder, egal ob Frau, Mann, Junge oder Mädchen, alle wurden vergewaltigt, viele mehrmals, und mit Elektroschocks gefoltert.“ Alle sagten, sie seien gezwungen worden, ihre Familie anzurufen. Die Angehörigen hätten dann ihre Schmerzensschreie anhören müssen und es wurde ihnen gesagt, wenn sie kein Lösegeld zahlen, wird weiter gefoltert. Die Täter sind Schmuggler, Menschenhändler, libysche Staatsbeamte und Mitglieder von Milizen.
Die europäischen Länder arbeiteten inzwischen mit der libyschen Küstenwache zusammen, damit die Menschen Europa nicht erreichen könnten, sondern die Schiffe bereits vor der libyschen Küste abgefangen werden. Gilmour warnte jedoch davor, die Migranten und Flüchtlinge in libysche Haftlager zurückbringen zu lassen, da sie dort gefoltert werden und anderen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind. Er forderte nicht nur ein Ende für Beschränkungen der Seenotrettung, sondern auch von der EU, die Unterstützung der libyschen Küstenwache einzustellen.
In Libyen inhaftierte Migranten würden entweder in offiziellen Gefängnissen oder in inoffiziellen Migrantenlagern, die von Milizen oder Menschenhändlern kontrolliert werden, untergebracht, wo sie schwerste Misshandlungen und Menschenrechtsverletzungen erleiden müssten.
Human-Rights-Watch (HRW) bedauerte in einem Bericht vom 21. März, dass die Menschenrechtsverletzungen in Libyen nur unter Punkt 10 der Generaldebatte der Vereinten Nationen abgehandelt werden, anstatt dass diesen Menschenrechtsverletzungen eine eigene Aussprache zugestanden wird.
Seit der letzten Resolution des Menschenrechtsrats habe sich in Libyen nichts geändert. Bewaffnete Gruppen, die auch den beiden libyschen Regierungen angehörten, griffen weiterhin Zivilisten an und verhinderten die Rückkehr Vertriebener in ihre angestammten Wohngebiete. Menschen würden entführt, gefoltert und verschwänden einfach.
Besonders kritisiert wurden auch die Beschränkungen, die die von der UN anerkannte ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis ausländischen Medien auferlegt. Auch würden Justizverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Tausende von Gefangenen würden über Jahre und in vielen Fällen ohne Anklage in Gefängnissen festgehalten. Auch HRW prangert die verheerenden Zustände in den libyschen Migrantengefängnissen an.
HRW resümierte: „Wie können wir in diesem Umfeld sinnvoll über technische Hilfen und Kapazitätsaufbau sprechen, wenn es keine ernsthafte Überwachung, keine öffentliche Berichterstattung, keine Verantwortlichkeiten gibt? Für das vierte Jahr in Folge haben die hier verabschiedeten Resolution nichts mit den tatsächlichen Erfordernissen vor Ort zu tun.“
HRW forderte erneut einen Sonderberichterstatter für Libyen einzusetzen.
Auch Ärzte ohne Grenzen kritisiert die Bedingungen, denen Migranten in Libyen ausgesetzt sind. Viele von ihnen seien unterernährt. In der Haftanstalt Sabaa in Tripolis sollen mehr als 300 Personen, darunter 100 Kinder, festgehalten werden. Vor allem die Kinder litten an Unterernährung. Manche Migranten erhielten nur alle paar Tage eine Mahlzeit, Neuankömmlinge die erste Mahlzeit erst nach vier Tagen. „Was wir heute in dieser einen Haftanstalt sehen, ist symptomatisch für ein ungerechtes und rücksichtsloses System, das keinerlei Kontrollen unterliegt und Migranten in Lebensgefahr.“
Die libyschen Behörden wurden aufgefordert, die in Sabaa inhaftierten Personen, von denen fast die Hälfte seit über sechs Monaten gefangen gehalten wird, freizulassen.

 A. Gutsche 





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