Montag, 25. März 2019



Ein bisschen Souveränität kehrt zurück


Libyen. Die Nationalkonferenz wird vom 14. bis 16. April 2019 in Ghadames stattfinden. 
Es handelt sich dabei um die erste große, zukunftsbestimmende Konferenz, die innerhalb Libyens abgehalten wird, an der nur Libyer teilnehmen und bei der es keine Ausschlüsse von Gruppen oder Stämmen gibt.  

Dies gab der UN-Sonderbeauftragte für Libyen, Ghassen Salamé, gestern in einer Pressekonferenz bekannt, nachdem die europäischen Länder und die USA in den vergangenen Tagen noch einmal ihre Duftnoten in Libyen gesetzt hatten.[1]

Die hauptsächlich von Tuareg bewohnte Stadt Ghadames liegt an der Grenze zu Algerien und Tunesien, so dass auch Libyer, die sich momentan in diesen Ländern aufhalten, zur Libyschen Nationalkonferenz (Multaqa al-Watani) erwartet werden. Der Austragungsort Ghadames wurde von der Mehrheit der Teilnehmer bestimmt, deren Zahl 120 bis 150 Personen umfassen wird. Ebenso wurde von den Teilnehmern festgelegt, dass ausschließlich Libyer an der Konferenz teilnehmen werden. Laut Salamé sollen die Ergebnisse der Konferenz den Weg für Wahlen ebnen. Die Konferenzteilnehmer werden auch den Wahltermin festlegen. Es sollen aber keinesfalls neue Gremien geschaffen werden, sondern eine Konsenslösung gefunden und falls nötig neue Pläne für das weitere Vorgehen erstellt werden.

Bedenkt man, dass bisher alle Konferenzen unter internationaler Beteiligung in Tunis, Paris und Rom unter Ausschluss der Städte und Stammesvertretungen stattfanden, könnte diese Libysche Nationalkonferenz einen wirklichen Fortschritt bedeuten, der wohl nur unter dem militärischen Druck und dem Vorrücken der LNA zustande gekommen ist. Deren militärische Stärke dürfte auch eine Sicherheitsgarantie für die Teilnehmer darstellen.

Die Nationalkonferenz ist ein Schritt in die richtige Richtung und könnte denjenigen politischen Akteuren, die von der Spaltung des Landes und dem jetzigen Chaos profitieren und somit an einer Aussöhnung und Vereinigung kein Interesse haben, das Wasser abgraben.

Salamé spricht vor dem UN-Sicherheitsrat

Salamé äußerte sich auch in einer Videozuschaltung vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zur Lage in Libyen. Er sagte, dass Libyen an einem entscheidenden Wendepunkt angekommen sei. Über den Vormarsch der LNA im Süden Libyens meinte er, dass trotz einiger kleiner Zwischenfälle die Ankunft der LNA positiv aufgenommen wurde und zur Stabilität beitrage. Als die LNA die Kontrolle über Murzuq im Südwesten übernahm, hätten Tibu aktiv Widerstand geleistet. Bei anschließenden Kämpfen seien mindestens 18 Bewohner von Murzuq getötet und 29 verwundet, sowie 90 Häuser in einer Racheaktion durch LNA-Kämpfer niedergebrannt worden. Salamé vermutet, dass die LNA nur noch über begrenzte finanzielle Mittel verfügt.
Bezüglich der Städte Sirte und Misrata bestätigte Salamé eine Mobilmachung der LNA in Dschufra und Patrouillen der LNA nahe Sirte. Dies habe zu Spannungen mit Misrata-Milizen geführt, die Sirte noch immer kontrollieren.
In der im Osten gelegenen Stadt Derna seien die Kämpfe beendet.[2]
Im Westen Libyens, in Tripolitanien, hätten lokale Milizen aufgrund der gegenwärtigen Spannungen mobilisiert. Der Waffenstillhalt in Tripolis halte aber bisher.

Hinsichtlich der Verhandlungen zwischen General Hafter und Sarradsch erklärte Salamé, dass beide akzeptiert hätten, dass Libyen demokratisch regiert werden wird und der Übergang friedlich verlaufen muss, sowie dass die Armee unter eine zivile Kontrolle gestellt wird. Alle nationalen Institutionen sollen wieder zusammengeführt werden und Wahlen Ende des Jahres stattfinden.
Die UN rechnet damit, dass bald UN-Mitarbeiter nach Bengasi zurückkehren können.

Des Weiteren teilte Salamé mit, dass gegen Schmuggler 100 Haftbefehle ausgestellt und 115 Tankstellen beschlagnahmt worden seien.
Laut Salamé verschlechterte sich die Infrastruktur innerhalb Libyens in einem besorgniserregenden Tempo. Dies betreffe Basisdienstleistungen wie Gesundheitswesen, Wasser- und Stromversorgung. Vier wichtige Brunnen des Man-Made-Rivers könnten kein Trinkwasser fördern, so dass die Wasserversorgung im Westen droht, zusammenzubrechen.
Es wird geschätzt, dass in Libyen 823.000 Menschen, darunter Migranten und 248.000 Kinder humanitäre Hilfe benötigen.
Dann forderte Salamé Wirtschaftsreformen ein und zwar u.a. in Form von „Abschaffung der Subventionen“, da diese zu viel Geld kosten würden. Was die Milizen Geld kosten und was im Rahmen von Korruption und Betrug dem Land an Finanzmittel verloren gingen, darüber schweigt sich Salamé weitgehend aus. Es kann auch nicht Sache der Vereinten Nationen sein, über die Finanz- und Innenpolitik Libyens zu entscheiden. Der Wegfall der Subventionen würde doch wohl bedeuten, dass sich die Versorgungslage der Bevölkerung noch dramatischer verschlechtert als dies jetzt schon der Fall ist. Man kann nur hoffen, dass Libyen zur Finanzierung des Wiederaufbaus nicht in die Schuldenfallen des IWF und der Weltbank tappt und sich ein neoliberales Wirtschaftsmodell überstülpen lässt. Dann würde die libysche Bevölkerung noch lange für den Krieg des Jahres 2011 bezahlen.

A. Gutsche





[1] Siehe meinen Blog-Beitrag: https://www.freitag.de/autoren/gela/us-hubschrauber-ueber-tripolis-und-diplomatie
[2] Dort hatte die LNA die Stadt komplett von islamistischen Kräften zurückerobert.

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