Sarradsch: Ämterhäufung und Amtsanmaßung
Libyen. Fayez
al-Sarradsch hat neben verschiedenen anderen Ämtern auch das Amt des ‚Präsidenten
des Präsidialrats‘, des ‚Premierministers der Einheitsregierung‘, des ‚Oberkommandierenden
der Streitkräfte‘ und des ‚Verteidigungsministers‘ inne.
Unter dem Titel „Ein
neuer Diktator ist geboren“ veröffentlichte adresslibya.com am 26. Februar eine
Auflistung der Titel und Ämter, mit denen Fayez al-Sarradsch in Tripolis
aufwarten kann, und auf welch schamlose Art er Amtsanmaßung betreibt.
Nach einem Treffen mit Fayez al-Sarradsch ernannte die Libysche
Investitionsbehörde (Libyan Investment Authority - LIA) letzte Woche einen
führenden Moslembruder zum neuen Mitglied des LIA-Verwaltungsrats. Damit kann
ein islamistischer Hardliner mitbestimmen, wie die Erdöleinnahmen in Höhe von
mehreren Milliarden Dollar ausgegeben werden. Doch damit nicht genug: Plötzlich
hatte auch Sarradsch ein neues Amt inne: Er ist nun Mitglied des LIA-Kuratoriums.
Ein neuer Titel, mit dem sich Sarradsch schmücken kann. Sarradsch, der
niemals von irgendjemanden gewählt wurde, stattdessen 2015 von der sogenannten
‚Internationalen Gemeinschaft‘ laut den Vereinbarungen des Skhirat-Abkommens,
das niemals vom international anerkannten libyschen Parlament gebilligt wurde,
eingesetzt worden war. Ohne jegliche Legitimation nennt sich Sarradsch seither einmal
„Präsident des Präsidialrats“ oder „Premierminister der Einheitsregierung“.
Doch damit nicht genug. Von niemanden dazu ernannt, sieht sich Sarradsch
auch als „Oberkommandierender der
libyschen Armee“. In dieser Funktion hat er dutzende von Beförderungen in
Führungspositionen und militärische Ernennungen ausgesprochen.
Im vergangenen September erließ Sarrasch die Resolution 270 (2018), mit der
er sich selbst die Aufgaben und Befugnisse des Verteidigungsministers übertrug. Der gleiche Sarradsch, der stets seine
Gegnerschaft zu Militärregierung und Militärdiktatur lautstark verkündet.
Als ob diese Ämter noch nicht reichen würden, hat sich Sarradsch auch zum Vorsitzenden der Generalversammlung der
Libysch-Afrikanischen Flugholdingsgesellschaft (Libyan African Aviation
Holding Company LAAHCO) ernannt. Die LAACO ist die größte afrikanische
Luftfahrtgesellschaft und untersteht dem Transportministerium der ‚Einheitsregierung‘.
Auch in anderen Bereichen maßt sich Sarradsch ohne Rücksprache mit den
anderen Präsidialratsmitgliedern weitreichende Befugnisse an. Er ernennt nach
Gutdünken Minister und hochrangige Staatsbeamte oder setzt sie ab, ebenso wie
Botschafter und Konsuln, die Libyen im Ausland vertreten. Selbstverständlich
kommen durch Sarradschs Machtwort selbst die Präsidialratsmitgliedern ins Amt
beziehungsweise werden daraus entfernt.
Sarradsch dürfte den Weltmeistertitel in der Disziplin Ämterhäufung gewonnen haben. Mit dieser vorgeblichen Machtfülle konnten weder der ehemalige König Idris aufwarten, noch Muammar al-Gaddafi, der kein formales Amt außer ‚Revolutionsführer‘ wahrgenommen hatte.
Süffisant wird erörtert, wie in Libyen wohl ein Treffen zwischen dem
Präsidenten des Präsidialrats, des Verteidigungsministers und dem
Oberkommandierenden der Streitkräfte ablaufen könnte. Vielleicht ohne Ergebnis,
weil die Ansichten zu weit auseinanderlagen? Ein gefundenes Fressen für
Satiriker aller Couleur.
Und libysche Blogger stellen die mehr als berechtigte Frage, wie das denn
mit den Gehältern, Aufwendungsentschädigungen und Diäten aussieht, die
Sarradsch aus all seinen Ämtern bezieht.
Doch trotz aller seiner Titel ist und bleibt Sarradsch ein nur vom Ausland
aufgebauter und unterstützter Papiertiger, ohne Rückhalt in der libyschen
Bevölkerung. So groß er auf internationalem Parkett herausgestellt wird, so
klein ist sein Ansehen bei den Libyern. Er ist nicht einmal fähig, in der
Hauptstadt Tripolis gegen gewalttätige Milizen, das organisierte Verbrechen und
das allgemeine Chaos vorzugehen.
Wie lange will die internationale Gemeinschaft noch an Sarradsch als
legitimen Präsidenten Libyens festhalten? Sie beruft sich dabei auf das niemals
vom Parlament verabschiedete Skhirat-Abkommen (Libysche Politische
Vereinbarung), von dem selbst die UN-Sondermission für Libyen und alle anderen
politischen Parteien seit langem sagen, dass es komplett gescheitert sei.
A. Gutsche
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