Dienstag, 5. März 2019



Sarradsch: Ämterhäufung und Amtsanmaßung

Libyen. Fayez al-Sarradsch hat neben verschiedenen anderen Ämtern auch das Amt des ‚Präsidenten des Präsidialrats‘, des ‚Premierministers der Einheitsregierung‘, des ‚Oberkommandierenden der Streitkräfte‘ und des ‚Verteidigungsministers‘ inne.
Unter dem Titel „Ein neuer Diktator ist geboren“ veröffentlichte adresslibya.com am 26. Februar eine Auflistung der Titel und Ämter, mit denen Fayez al-Sarradsch in Tripolis aufwarten kann, und auf welch schamlose Art er Amtsanmaßung betreibt. 

Nach einem Treffen mit Fayez al-Sarradsch ernannte die Libysche Investitionsbehörde (Libyan Investment Authority - LIA) letzte Woche einen führenden Moslembruder zum neuen Mitglied des LIA-Verwaltungsrats. Damit kann ein islamistischer Hardliner mitbestimmen, wie die Erdöleinnahmen in Höhe von mehreren Milliarden Dollar ausgegeben werden. Doch damit nicht genug: Plötzlich hatte auch Sarradsch ein neues Amt inne: Er ist nun Mitglied des LIA-Kuratoriums.

Ein neuer Titel, mit dem sich Sarradsch schmücken kann. Sarradsch, der niemals von irgendjemanden gewählt wurde, stattdessen 2015 von der sogenannten ‚Internationalen Gemeinschaft‘ laut den Vereinbarungen des Skhirat-Abkommens, das niemals vom international anerkannten libyschen Parlament gebilligt wurde, eingesetzt worden war. Ohne jegliche Legitimation nennt sich Sarradsch seither einmal „Präsident des Präsidialrats“ oder „Premierminister der Einheitsregierung“.

Doch damit nicht genug. Von niemanden dazu ernannt, sieht sich Sarradsch auch als „Oberkommandierender der libyschen Armee“. In dieser Funktion hat er dutzende von Beförderungen in Führungspositionen und militärische Ernennungen ausgesprochen.

Im vergangenen September erließ Sarrasch die Resolution 270 (2018), mit der er sich selbst die Aufgaben und Befugnisse des Verteidigungsministers übertrug. Der gleiche Sarradsch, der stets seine Gegnerschaft zu Militärregierung und Militärdiktatur lautstark verkündet.

Als ob diese Ämter noch nicht reichen würden, hat sich Sarradsch auch zum Vorsitzenden der Generalversammlung der Libysch-Afrikanischen Flugholdingsgesellschaft (Libyan African Aviation Holding Company LAAHCO) ernannt. Die LAACO ist die größte afrikanische Luftfahrtgesellschaft und untersteht dem Transportministerium der ‚Einheitsregierung‘.

Auch in anderen Bereichen maßt sich Sarradsch ohne Rücksprache mit den anderen Präsidialratsmitgliedern weitreichende Befugnisse an. Er ernennt nach Gutdünken Minister und hochrangige Staatsbeamte oder setzt sie ab, ebenso wie Botschafter und Konsuln, die Libyen im Ausland vertreten. Selbstverständlich kommen durch Sarradschs Machtwort selbst die Präsidialratsmitgliedern ins Amt beziehungsweise werden daraus entfernt.

Sarradsch dürfte den Weltmeistertitel in der Disziplin Ämterhäufung gewonnen haben. Mit dieser vorgeblichen Machtfülle konnten weder der ehemalige König Idris aufwarten, noch Muammar al-Gaddafi, der kein formales Amt außer ‚Revolutionsführer‘ wahrgenommen hatte.

Süffisant wird erörtert, wie in Libyen wohl ein Treffen zwischen dem Präsidenten des Präsidialrats, des Verteidigungsministers und dem Oberkommandierenden der Streitkräfte ablaufen könnte. Vielleicht ohne Ergebnis, weil die Ansichten zu weit auseinanderlagen? Ein gefundenes Fressen für Satiriker aller Couleur.

Und libysche Blogger stellen die mehr als berechtigte Frage, wie das denn mit den Gehältern, Aufwendungsentschädigungen und Diäten aussieht, die Sarradsch aus all seinen Ämtern bezieht.

Doch trotz aller seiner Titel ist und bleibt Sarradsch ein nur vom Ausland aufgebauter und unterstützter Papiertiger, ohne Rückhalt in der libyschen Bevölkerung. So groß er auf internationalem Parkett herausgestellt wird, so klein ist sein Ansehen bei den Libyern. Er ist nicht einmal fähig, in der Hauptstadt Tripolis gegen gewalttätige Milizen, das organisierte Verbrechen und das allgemeine Chaos vorzugehen.

Wie lange will die internationale Gemeinschaft noch an Sarradsch als legitimen Präsidenten Libyens festhalten? Sie beruft sich dabei auf das niemals vom Parlament verabschiedete Skhirat-Abkommen (Libysche Politische Vereinbarung), von dem selbst die UN-Sondermission für Libyen und alle anderen politischen Parteien seit langem sagen, dass es komplett gescheitert sei.

A. Gutsche




Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen