Moslembrüder in Libyen unbeliebt - Wahlen weiter verschoben
Libyen. Das Dilemma
der ‚internationalen Gemeinschaft‘ und der Vereinten Nationen offenbart sich in
einem ständigen Verschieben von Wahlterminen.
Eine nun bekanntgewordene Studie des International Centre for the
Study of Radicalisation (ICSR)[1]
mit dem Titel „Ghosts of the
Past: The Moslem Brotherhood and its Struggle for Legitimacy in Post Qaddafi
Libya“ („Geister der Vergangenheit: Die Moslembruderschaft und ihr Kampf um
Legitimation im Libyen nach Gaddafi“) kommt zu dem Schluss, dass die
Moslembruderschaft mit ihrem politischen Programm in Libyen nicht Fuß fassen
konnte und innerhalb der Bevölkerung kaum Akzeptanz findet.
Dies wurde schon bei
den Parlamentswahlen des Jahres 2014 deutlich, als von den 188 Sitzen, deren
Verteilung am 22. Juli 2014 bekanntgegeben wurde, die Islamisten gerade 30
Sitze gewinnen konnten und alle 158 anderen Sitze an säkulare Kandidaten
gingen. Diese Ablehnung der Moslembruderschaft dürfte sich seitdem noch
verstärkt haben.
Was in dieser
Situation tun? Diese Frage entschied der Obermoslembruder Khalid Al-Mishri,
Vorsitzender des Hohen Staatsrats[2], mit
der Bekanntgabe seines Austritts aus der Moslembruderschaft, angeblich auch aus
ideologischen Gründen.
Was tun? Fragte sich
auch die UN-Sondermission für Libyen unter dem Vorsitz von Ghassan Salamé.
Seine Antwort lautete, alle Wahltermine in die ferne Zukunft verschieben.
Sollten wirklich irgendwann einmal in Libyen Wahlen nicht mehr zu verhindern
sein, könnte sich bis dahin eine neue politische Partei mit Moslembrüdern, die
nun offiziellen keine Moslembrüder mehr sind, etabliert haben und damit nicht
nur al-Mishri, sondern auch andere ehemalige Moslembrüder weiter an der Macht
beteiligt werden.
Seit 2011 von den
Vereinten Nationen und den kriegsunterstützenden westlichen und arabischen
Ländern – da deren Fußsoldaten – gepampert, bekommen die Moslembrüder nun auch
die Unterstützung bei ihrem ständigen Wunsch nach der Nichtabhaltung von
Wahlen. Sollten zunächst noch Parlaments- und Präsidentschaftswahlen bis
spätestens Ende 2018 stattfinden, wurde der Wahltermin für die
Präsidentschaftswahlen, der zunächst in der ersten Jahreshälfte 2019
stattfinden sollte, bis mindestens Ende diesen Jahres verschoben. So gerade von
Salamé bekanntgegeben.
Da die Moslembrüder
alles andere als an Wahlen interessiert sind, kommt es nicht nur zur
permanenten Verschiebung der Präsidentschaftswahlen, sondern auch zu einer
ständigen Verschiebung der Parlamentswahlen: Waren sie zunächst noch für das
Jahr 2018 geplant, wurden sie zunächst auf Anfang 2019 verschoben. Und nun
werden sie weiter von Monat zu Monat verzögert.
Noch vor den
Parlamentswahlen soll eine Libysche Nationalkonferenz abgehalten werden, bei
der die verschiedenen politischen Parteien sich auf den Ablauf der Wahlen und
die Anerkennung ihrer Ergebnisse einigen sollen. Was die Moslembrüder
selbstverständlich nicht tun werden, weil an Wahlen, die sie mit Sicherheit
verlieren würden, überhaupt kein Interesse besteht. Und was macht der UN-Gesandte
Salamé? Er erklärt, dass die Abhaltung der Nationalkonferenz, die bereits von
Januar auf Februar verschoben wurde, nun frühestens im März stattfinden soll.
Salamé will vorerst keinen Ort und keinen Termin sowie auch keine Teilnehmer
bekanntgeben.
In Bengasi haben
sich Demonstranten zu einer Kundgebung gegen Salamé zusammengefunden. Er wurde
aufgefordert, das Land zu verlassen, da er Islamisten bevorzugen würde. Und
erst kürzlich hatten Parlamentsabgeordnete in Tobruk gefordert, die
Moslembruderschaft auf die Terrorliste zu setzen.
Da 2014 die
Moslembrüder nicht gewillt waren, ihre Wahlniederlage einzugestehen, kam es zum
Bürgerkrieg. Die islamistischen Gruppierungen schlossen sich unter dem Namen Libyscher Fadschr (Morgendämmerung/Dawn)
in Milizen zusammen, der General Hafter mit säkularen Milizen unter dem Namen Karama (Würde/Dignity) entgegentrat. Fadschr behielt in Tripolis die Oberhand
und das gewählte Parlament musste in den Osten Libyens flüchten.
Seit 2014
kontrollieren Milizen des Fadschr die
libysche Hauptstadt Tripolis. Unterstützt werden sie dabei von der sogenannten
‚internationalen Gemeinschaft‘, die eine sogenannte ‚Einheitsregierung‘ unter
einem sogenannten ‚Premierminister‘ Sarradsch installierte, die keinerlei
wirkliche Macht hat und sich in kompletter Abhängigkeit von den Fadschr-Milizen
befindet, unter denen ständig Kämpfe um die besten Plätze an der Futterkrippe
ausbrechen.
In der Bevölkerung
sind diese Milizen alles andere als beliebt, da sie ein Schreckensregiment,
eine Willkürherrschaft aufgebaut haben, in der Entführungen und Morde an der
Tagesordnung sind, während die Hauptstadt im wahrsten Sinne des Wortes zu
zerbröseln droht. So steht wegen Unterspülung die Uferstraße in Tripolis kurz
vor dem Zusammenbruch, was aber niemanden zum Handeln veranlasst. Von den Müll-
und Versorgungsproblemen der Hauptstadt gar nicht zu sprechen.
So haben die
Moslembrüder in der Zeit seit dem Fall der Dschamahirija-Regierung 2011 nicht
nur bewiesen, dass sie weder Willens noch in der Lage sind, das Land zu
regieren, sondern auch, dass Demokratie wirklich nicht ihr Ding ist.
Nichtsdestotrotz sind sie die Lieblinge der ‚internationalen Gemeinschaft‘. So
sieht sie also aus, die Demokratie, mit der die Nato 2011 die libysche
Bevölkerung beglückt hat.
Wie lange werden die
Menschen in Libyen diesem Treiben noch zuschauen?
Unter dem
Titel „Ghosts of the Past: The Moslem Brotherhood and its Struggle for
Legitimacy in Post Qaddafi Libya
The
International Centre for the Study of Radicalisation (ICSR) is a world-class
and internationally acclaimed academic research centre based in the Department
of War Studies at King’s College London.
30.01.2019 Eine
Studie von ICSR (International Centre for the Study of Radicalisation) kommt zu
dem Schluss, dass die Moslembruderschaft im Nach-Gaddafi-Libyen nur wenig
Unterstützung von der libyschen Bevölkerung erhält.
27.01.2019 Der
Präsident des Hohen Staatsrates (HCS), Khaled Al-Mishri, gab seinen Rücktritt
und seinen Austritt aus der Organisation der Muslimbruderschaft aus nationalen
und ideologischen Gründen und aus Gründen der Überzeugung und der Transparenz
bekannt. Al-Mishri betonte, dass er seine politische und parteiische Arbeit
fortsetzen werde, und betonte weiterhin seinen Respekt für die Gruppe der
Muslimbruderschaft und ihre Mitglieder.
Mishri wurde im April 2018 zum Vorsitzenden des HSC gewählt und löste Abdelrahman Swehli ab. Der HSC ist ein nicht ausgewähltes beratendes Gremium, das 2015 mit dem von der UN vermittelten libyschen politischen Abkommen (LPA) gegründet wurde. Es besteht aus ehemaligen Mitgliedern des General National Congress (GNC).
Der Rückzug könnte strategisch begründet sein, weil die Moslembruderschaft bei den bevorstehenden Wahlen sowieso keinen Blumentopf gewinnen wird. Für die kommenden Wahlen haben sich eine große Anzahl neuer Parteien gegründet. Die unbeliebte Moslembruderschaft konnte so in einem neuen Gewand auftreten.
Mishri wurde im April 2018 zum Vorsitzenden des HSC gewählt und löste Abdelrahman Swehli ab. Der HSC ist ein nicht ausgewähltes beratendes Gremium, das 2015 mit dem von der UN vermittelten libyschen politischen Abkommen (LPA) gegründet wurde. Es besteht aus ehemaligen Mitgliedern des General National Congress (GNC).
Der Rückzug könnte strategisch begründet sein, weil die Moslembruderschaft bei den bevorstehenden Wahlen sowieso keinen Blumentopf gewinnen wird. Für die kommenden Wahlen haben sich eine große Anzahl neuer Parteien gegründet. Die unbeliebte Moslembruderschaft konnte so in einem neuen Gewand auftreten.
31.01.2019 Wie
Reuters berichtet, wird sich die Abhaltung der Libyschen Nationalkonferenz, die
zur Vorbereitung von Wahlen in Libyen dienen soll, wahrscheinlich verzögern, da
sie keine ausreichende Unterstützung durch die rivalisierenden Parteien
erfährt. Zunächst war vorgesehen, die Konferenz im Januar bzw. Februar
abzuhalten, jetzt soll sie auf März verschoben werden. Salamé will keinen Ort
und keinen Termin sowie auch keine Teilnehmer bekanntgeben.
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