Freitag, 18. Januar 2019



Saif al-Islam Gaddafi fordert baldige Präsidentschaftswahlen

Libyen. Wahlen sind die einzige Möglichkeit, um die unhaltbaren Zustände in Libyen zu beenden. Doch die jetzigen politischen Akteure fürchten den Verlust ihrer Macht.

Saif al-Islam Gaddafi, Sohn Muammar al-Gaddafis, spricht sich laut Mohamed al-Kailoushi, einem seiner Stellvertreter, dafür aus, so schnell wie möglich Präsidentschaftswahlen in Libyen abzuhalten. Der Vorschlag von Ghassan Salamé, des UN-Sondergesandten für Libyen, die Präsidentschaftswahlen bis mindestens Ende 2019 zu verschieben, stoße bei Saif al-Islam Gaddafi auf harsche Kritik.
Al-Kailoushi: „Jede weitere Verzögerung schafft neue Probleme. Die einzige Lösung sind Wahlen: Die Aufrechterhaltung der gegenwärtigen politischen Situation ist nicht im Interesse des libyschen Volkes.“
Bei einem Gipfeltreffen im November letzten Jahres in Italien wurde ein Wahltermin in der ersten Jahreshälfte 2019 ins Auge gefasst. Nun äußerte sich Salamé in einem Interview dahingehend, dass keine Präsidentschaftswahl vor Ende des Jahres stattfinden könne: „Zuerst sollten Parlamentswahlen, dann eine Volksabstimmung zum Verfassungsentwurf und erst anschließend Präsidentschaftswahlen – so Gott will bis Ende des Jahres – durchgeführt werden.“
Bereits im letzten Monat führte ein Gesandter Saif al-Islam Gaddafis in Moskau Gespräche und bat um politische Unterstützung. Später ließ ein hochrangiger russischer Diplomat verlauten, Saif sollte zur Wahl antreten können, wenn er dies wünsche. Russland unterhält auch Kontakte zu General Hafter, dem militärischen Machthaber im Osten des Landes, und zur sogenannten ‚Einheitsregierung‘ in Tripolis unter Sarradsch.
Auch wenn noch immer ein ungerechtfertigter Haftbefehl gegen Saif al-Islam Gaddafi vom IStGH aufrechterhalten wird, könnte er an der Wahl in Libyen teilnehmen, um das zerrissene und kriegszerstörte Land wieder zu vereinen und aufzubauen.
Für die europäischen Länder stellt sich die Frage, was ihnen wichtiger erscheint: Libyen zu stabilisieren, auch wenn der neue Präsident wieder Gaddafi heißen sollte, oder Präsidentschaftswahlen weiterhin zu behindern und damit die Spaltung des Landes sowie das Chaos und die Herrschaft der Warlords in Kauf zu nehmen, mit allen negativen Konsequenzen, die dies nicht nur für die Menschen in Libyen, sondern auch für die europäischen Länder bedeutet, wie zum Beispiel das Migrantenproblem mit der nachfolgenden Destabiliserung der gesamten EU, sowie die Stärkung dschihadistischer Kräfte und die Ausbreitung des IS, und das nicht nur in Libyen.
Wie laut dem britischen Guardian der ehemalige libysche UN-Diplomat Ibrahim Dabbashi berichtet, sind die im Moment auf der politischen Bühne und vom Westen unterstützten Parteien in Tripolis nicht an Wahlen interessiert und boykottieren die dazu notwendigen, wichtigen Gespräche. Es geht dabei um eine sogenannte nationale Konferenz, die unter der Federführung Salamés organisiert werden soll und deren Abhaltung hintertrieben wird.
Da die ‚Einheitsregierung‘ und die Politiker in Tripolis von den Menschen als das gesehen werden, was sie sind, nämlich Marionetten des Westens, verantwortlich für das libysche Chaos, wären sie bei Wahlen ohne jede Chance. Sie würden ihre Macht verlieren.
Die Situation innerhalb Tripolis ist mehr als unübersichtlich. So sagte der erst im Oktober neu ernannte Innenminister Fathi Bashagha gegenüber BBC Arabic, dass Teile der Tripolis-Milizen innerhalb seines Ministeriums eine parallele Organisation bildeten, die eigene Operationen außerhalb der Regierungsgewalt durchführe: „Sie sind keine Miliz, sondern illegale Gruppen, die zu Chaos und mangelnder Sicherheit beitragen. Sie handeln für fremde Nationen.“ Welche Nationen er meinte, das sagte er nicht.
Innerhalb der radikal-islamistischen Kreise spielen Katar, die Türkei, die Moslembruderschaft sowie Geheimdienste von CIA bis Mossad eine wichtige Rolle. Sie alle haben kein Interesse, dass Libyen als eigenständige Nation wiedererstarkt.
Seit 2011 ist Katar der Hauptlieferant für Waffen und der größte Unterstützer der radikal-islamistischen Milizen in Libyen. Eine wichtige Rolle bei den Waffentransfers spielten Ali al-Salabi und sein Bruder Ismail al-Salabi, die enge Verbindungen zu al-Kaida pflegen. Ali al-Salabi führte diesen Januar Gespräche mit dem Chefberater des türkischen Präsidenten Erdogan in Istanbul.
Aus dem Osten droht Gefahr von General Hafter, der ankündigte, das Land mit militärischer Gewalt wieder vereinigen zu wollen. Ihm schwebt wohl eine Art militärischer Herrschaft à la Ägyptens al-Sisi vor. Eventuell könnte sich der Westen damit arrangieren. Nur: Sollte Hafter seine Drohung wahrmachen und gen Westen marschieren, dürften in Libyen neue Kämpfe und noch größeres Chaos drohen.
Auch der USA dürfte es schwer fallen, ihre Interessen in Libyen zu behaupten, sollte es dort wieder eine souveräne Regierung geben. Sie unterhält in Libyen inzwischen zwei Militärstützpunkte. Auch wenn Donald Trump letzte Woche meinte, die Entfernung Gaddafis sei eine Katastrophe gewesen. Dem Land würde es besser ergehen, wenn Gaddafi noch an der Macht wäre. Dem Land würde es auch besser gehen, wenn wieder ein Gaddafi an der Macht wäre, diesmal demokratisch gewählt.

 A. Gutsche


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