Saif al-Islam Gaddafi fordert baldige Präsidentschaftswahlen
Libyen. Wahlen sind
die einzige Möglichkeit, um die unhaltbaren Zustände in Libyen zu beenden. Doch
die jetzigen politischen Akteure fürchten den Verlust ihrer Macht.
Saif al-Islam Gaddafi, Sohn Muammar al-Gaddafis, spricht
sich laut Mohamed al-Kailoushi, einem seiner Stellvertreter, dafür aus, so
schnell wie möglich Präsidentschaftswahlen in Libyen abzuhalten. Der Vorschlag von
Ghassan Salamé, des UN-Sondergesandten für Libyen, die Präsidentschaftswahlen
bis mindestens Ende 2019 zu verschieben, stoße bei Saif al-Islam Gaddafi auf
harsche Kritik.
Al-Kailoushi: „Jede weitere Verzögerung schafft neue
Probleme. Die einzige Lösung sind Wahlen: Die Aufrechterhaltung der
gegenwärtigen politischen Situation ist nicht im Interesse des libyschen
Volkes.“
Bei einem Gipfeltreffen im November letzten Jahres in
Italien wurde ein Wahltermin in der ersten Jahreshälfte 2019 ins Auge gefasst.
Nun äußerte sich Salamé in einem Interview dahingehend, dass keine Präsidentschaftswahl
vor Ende des Jahres stattfinden könne: „Zuerst sollten Parlamentswahlen, dann
eine Volksabstimmung zum Verfassungsentwurf und erst anschließend
Präsidentschaftswahlen – so Gott will bis Ende des Jahres – durchgeführt
werden.“
Bereits im letzten Monat führte ein Gesandter Saif al-Islam
Gaddafis in Moskau Gespräche und bat um politische Unterstützung. Später ließ
ein hochrangiger russischer Diplomat verlauten, Saif sollte zur Wahl antreten
können, wenn er dies wünsche. Russland unterhält auch Kontakte zu General
Hafter, dem militärischen Machthaber im Osten des Landes, und zur sogenannten
‚Einheitsregierung‘ in Tripolis unter Sarradsch.
Auch wenn noch immer ein ungerechtfertigter Haftbefehl gegen
Saif al-Islam Gaddafi vom IStGH aufrechterhalten wird, könnte er an der Wahl in
Libyen teilnehmen, um das zerrissene und kriegszerstörte Land wieder zu
vereinen und aufzubauen.
Für die europäischen Länder stellt sich die Frage, was ihnen
wichtiger erscheint: Libyen zu stabilisieren, auch wenn der neue Präsident
wieder Gaddafi heißen sollte, oder Präsidentschaftswahlen weiterhin zu
behindern und damit die Spaltung des Landes sowie das Chaos und die Herrschaft
der Warlords in Kauf zu nehmen, mit allen negativen Konsequenzen, die dies
nicht nur für die Menschen in Libyen, sondern auch für die europäischen Länder
bedeutet, wie zum Beispiel das Migrantenproblem mit der nachfolgenden
Destabiliserung der gesamten EU, sowie die Stärkung dschihadistischer Kräfte
und die Ausbreitung des IS, und das nicht nur in Libyen.
Wie laut dem britischen Guardian
der ehemalige libysche UN-Diplomat Ibrahim Dabbashi berichtet, sind die im Moment
auf der politischen Bühne und vom Westen unterstützten Parteien in Tripolis
nicht an Wahlen interessiert und boykottieren die dazu notwendigen, wichtigen
Gespräche. Es geht dabei um eine sogenannte nationale Konferenz, die unter der
Federführung Salamés organisiert werden soll und deren Abhaltung hintertrieben
wird.
Da die ‚Einheitsregierung‘ und die Politiker in Tripolis von
den Menschen als das gesehen werden, was sie sind, nämlich Marionetten des
Westens, verantwortlich für das libysche Chaos, wären sie bei Wahlen ohne jede
Chance. Sie würden ihre Macht verlieren.
Die Situation innerhalb Tripolis ist mehr als
unübersichtlich. So sagte der erst im Oktober neu ernannte Innenminister Fathi
Bashagha gegenüber BBC Arabic, dass
Teile der Tripolis-Milizen innerhalb seines Ministeriums eine parallele
Organisation bildeten, die eigene Operationen außerhalb der Regierungsgewalt
durchführe: „Sie sind keine Miliz, sondern illegale Gruppen, die zu Chaos und
mangelnder Sicherheit beitragen. Sie handeln für fremde Nationen.“ Welche
Nationen er meinte, das sagte er nicht.
Innerhalb der radikal-islamistischen Kreise spielen Katar,
die Türkei, die Moslembruderschaft sowie Geheimdienste von CIA bis Mossad eine
wichtige Rolle. Sie alle haben kein Interesse, dass Libyen als eigenständige
Nation wiedererstarkt.
Seit 2011 ist Katar der Hauptlieferant für Waffen und der
größte Unterstützer der radikal-islamistischen Milizen in Libyen. Eine wichtige
Rolle bei den Waffentransfers spielten Ali al-Salabi und sein Bruder Ismail
al-Salabi, die enge Verbindungen zu al-Kaida pflegen. Ali al-Salabi führte
diesen Januar Gespräche mit dem Chefberater des türkischen Präsidenten Erdogan in
Istanbul.
Aus dem Osten droht Gefahr von General Hafter, der
ankündigte, das Land mit militärischer Gewalt wieder vereinigen zu wollen. Ihm
schwebt wohl eine Art militärischer Herrschaft à la Ägyptens al-Sisi vor.
Eventuell könnte sich der Westen damit arrangieren. Nur: Sollte Hafter seine
Drohung wahrmachen und gen Westen marschieren, dürften in Libyen neue Kämpfe
und noch größeres Chaos drohen.
Auch der USA dürfte es schwer fallen, ihre Interessen in
Libyen zu behaupten, sollte es dort wieder eine souveräne Regierung geben. Sie
unterhält in Libyen inzwischen zwei Militärstützpunkte. Auch wenn Donald Trump
letzte Woche meinte, die Entfernung Gaddafis sei eine Katastrophe gewesen. Dem
Land würde es besser ergehen, wenn Gaddafi noch an der Macht wäre. Dem Land
würde es auch besser gehen, wenn wieder ein Gaddafi an der Macht wäre, diesmal
demokratisch gewählt.
A. Gutsche
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