Streit zwischen dem Libanon und Libyen eskaliert
Libyen/Libanon. Der
für das kommende Wochenende angesetzte Arabische Gipfel in Beirut soll ohne
Libyen stattfinden. Libyen droht mit Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Es
geht um den 1978 verschwundenen schiitischen Geistlichen Musa al-Sadr und um
den in Beirut gefangengehaltenen Hannibal al-Gaddafi.
Die Einladung Libyens zur Teilnahme am arabischen
Wirtschaftsgipfel in Beirut durch den libanesischen Präsidenten Michel Aoun hat
einen Konflikt zwischen ihm und dem Parlamentspräsidenten Nabih Berri, Führer
der schiitischen Amal-Bewegung, ausgelöst.
Ein Sprecher der schiitischen Amal-Bewegung bzw. Amal-Partei
untersagte der libyschen Delegation die Einreise in den Libanon zu dem am
19./20. Januar 2019 stattfindenden arabischen Gipfeltreffen für wirtschaftliche
und soziale Entwicklung. Es sollte eine landesweite Protestaktion gestartet und
der Flughafen von Beirut blockiert werden. Die Amal-Bewegung will unter allen
Umständen verhindern, dass sich die Beziehungen zwischen Libyen und dem Libanon
normalisieren.
Libyen wurde jetzt von libanesischer Seite nahegelegt,
freiwillig auf die Teilnahme am arabischen Gipfeltreffen zu verzichten. Die Amal-Bewegung
veröffentlichte ein Video, das zeigt, wie schiitische Demonstranten eine
libysche Flagge herunterreißen, darauf herumtrampeln und anschließend die
Flagge der Amal-Bewegung hissen.
Dies löste in Libyen einen Proteststurm aus und das
Außenministerium erklärte, das Gipfeltreffen in Beirut boykottieren zu wollen.
Ein Einfrieren der diplomatischen Beziehungen wird erwogen. Auch das libysche
Parlament in Tobruk verurteilte das respektlose Vorgehen der libanesischen
Demonstranten und die Schändung der libyschen Flagge und forderte die Arabische
Liga und die libanesischen Behörden auf, zu diesen Vorgängen Stellung zu
nehmen. In Tripolis haben aufgebrachte Libyer gegen den Libanon demonstriert
und das Schild an der libanesischen Botschaft zerstört.
Vordergründig geht es dabei um die Aufklärung des Verbleibs
von Musa al-Sadr, der 1974 die Amal-Bewegung ins Leben gerufen hatte, und im August
1978 zusammen mit seinen Begleitern Muhammad Jacob und Abbas Badreddine während
eines offiziellen Besuchs in Libyen verschwand. Muammar al-Gaddafi erklärte
damals, die Verschwundenen seien in Libyen in ein Flugzeug gestiegen und nach
Rom geflogen. In Rom hieß es, sie seien dort nie angekommen. Am 31. August 2001
veröffentlichte Amnesty International einen ersten Bericht über die Vorgänge um
das Verschwinden des Imams und stützte die Behauptung Libyens, dass der Imam
und seine Begleiter Libyen verlassen hätten.[1]
Doch die Amal-Bewegung wirft Libyen heute noch vor, damals für das Verschwinden
verantwortlich gewesen zu sein und sich bei der Aufklärung des Falles nicht
kooperativ zu zeigen.
Nach der Machtergreifung Khomeinis im Jahre 1979 kam es zu
einer Annäherung zwischen dem Iran und Libyen und es wurden diplomatische
Beziehungen zwischen den beiden Ländern aufgenommen. Im Libanon sah sich die
schiitische Hisbollah in der wirklichen Nachfolge von Imam Sadr und spaltete
sich später von der Amal-Bewegung ab.
Seit 2015 wird Hannibal Gaddafi im Libanon gefangen
gehalten.[2]
Laut seiner Ehefrau, einer Libanesin, wurde er am 11. Januar 2015 von einer
bewaffneten Miliz in Syrien entführt und mit Gewalt über das Bekaa-Tal in den
Libanon verschleppt. Während der sieben Tage, in denen er sich in Gewalt dieser
Miliz unter der Führung von Hassan Jacob befand, wurde er physisch und
psychisch misshandelt. Er sollte Informationen über den Verbleib von Musa
al-Sadr und seiner Begleiter geben. In einem von der Gruppe Amal Movement
veröffentlichten Video musste der durch Folterspuren gezeichnete Hannibal in
einer Botschaft fordern, dass alle Beweise bezüglich des Falles Mussa Sadr
unverzüglich veröffentlicht werden.[3]
Hannibal Gaddafi war zur Zeit des Verschwindens von Musa-al-Sadr gerade einmal
zwei Jahre alt. Nachdem den Entführern klar war, dass Hannibal über keinerlei
der geforderten Informationen verfügte, übergaben sie ihn auf der Straße von
Baalbek libanesischen Sicherheitskräften, die ihn ohne Haftbefehl gefangen
nahmen. Anschließend wurde er einem Untersuchungsrichter vorgeführt. Die
Verhaftung und Vernehmung Hannibal Gaddafis erfolgte ohne richterliche
Anordnung. Erst vor wenigen Tagen wurde er zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis
sowie zur Zahlung von zwei Millionen libanesischer Lira wegen Missachtung der
Justiz verurteilt.
Anfang Januar 2019 wurden in den sozialen Medien Nachrichten
über eine bevorstehende Freilassung Hannibal Gaddafis ohne Wissen der Familie
Gaddafi veröffentlicht. Russland soll sich eingeschaltet und in Beirut für eine
Freilassung Hannibal Gaddafis plädiert haben.
Auch die Unterstützer von Saif al-Islam Gaddafi fordern die
sofortige und bedingungslose Freilassung des Gefangenen. Und die ehemalige
Vizepräsidentin des obersten Verfassungsgerichts in Ägypten, Tahani al-Dschabali,
sagte, dass die Entführung von Hannibal Gaddafi und seine Inhaftierung im
Libanon für jeden Araber traurig und beschämend seien. Es sei inakzeptabel,
dass der Libanon Hannibal Gaddafi gefangen hält, um sich an seinem Vater
Muammar al-Gaddafi zu rächen. Hannibal Gaddafi habe niemals Libyen regiert.
Al-Dschabali appellierte an den libanesischen Präsidenten Michel Aoun und alle libanesischen
Führer, unabhängig von ihrer konfessionellen und ideologischen Herkunft, diese
Akte endlich zu schließen und Hannibal Gaddafi unverzüglich freizulassen.
Mit dem Boykott konnte Libyen sein Gesicht wahren und der
Gipfel soll nun tatsächlich am Wochenende stattfinden, ohne Libyen und auch
ohne Syrien, das erst gar nicht zu dem Treffen eingeladen wurde, obwohl eines
der dort diskutierten Hauptthemen der Wiederaufbau Syriens sein soll.
A. Gutsche
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