Freitag, 18. Januar 2019



Streit zwischen dem Libanon und Libyen eskaliert

Libyen/Libanon. Der für das kommende Wochenende angesetzte Arabische Gipfel in Beirut soll ohne Libyen stattfinden. Libyen droht mit Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Es geht um den 1978 verschwundenen schiitischen Geistlichen Musa al-Sadr und um den in Beirut gefangengehaltenen Hannibal al-Gaddafi.

Die Einladung Libyens zur Teilnahme am arabischen Wirtschaftsgipfel in Beirut durch den libanesischen Präsidenten Michel Aoun hat einen Konflikt zwischen ihm und dem Parlamentspräsidenten Nabih Berri, Führer der schiitischen Amal-Bewegung, ausgelöst.
Ein Sprecher der schiitischen Amal-Bewegung bzw. Amal-Partei untersagte der libyschen Delegation die Einreise in den Libanon zu dem am 19./20. Januar 2019 stattfindenden arabischen Gipfeltreffen für wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Es sollte eine landesweite Protestaktion gestartet und der Flughafen von Beirut blockiert werden. Die Amal-Bewegung will unter allen Umständen verhindern, dass sich die Beziehungen zwischen Libyen und dem Libanon normalisieren.
Libyen wurde jetzt von libanesischer Seite nahegelegt, freiwillig auf die Teilnahme am arabischen Gipfeltreffen zu verzichten. Die Amal-Bewegung veröffentlichte ein Video, das zeigt, wie schiitische Demonstranten eine libysche Flagge herunterreißen, darauf herumtrampeln und anschließend die Flagge der Amal-Bewegung hissen.
Dies löste in Libyen einen Proteststurm aus und das Außenministerium erklärte, das Gipfeltreffen in Beirut boykottieren zu wollen. Ein Einfrieren der diplomatischen Beziehungen wird erwogen. Auch das libysche Parlament in Tobruk verurteilte das respektlose Vorgehen der libanesischen Demonstranten und die Schändung der libyschen Flagge und forderte die Arabische Liga und die libanesischen Behörden auf, zu diesen Vorgängen Stellung zu nehmen. In Tripolis haben aufgebrachte Libyer gegen den Libanon demonstriert und das Schild an der libanesischen Botschaft zerstört.
Vordergründig geht es dabei um die Aufklärung des Verbleibs von Musa al-Sadr, der 1974 die Amal-Bewegung ins Leben gerufen hatte, und im August 1978 zusammen mit seinen Begleitern Muhammad Jacob und Abbas Badreddine während eines offiziellen Besuchs in Libyen verschwand. Muammar al-Gaddafi erklärte damals, die Verschwundenen seien in Libyen in ein Flugzeug gestiegen und nach Rom geflogen. In Rom hieß es, sie seien dort nie angekommen. Am 31. August 2001 veröffentlichte Amnesty International einen ersten Bericht über die Vorgänge um das Verschwinden des Imams und stützte die Behauptung Libyens, dass der Imam und seine Begleiter Libyen verlassen hätten.[1] Doch die Amal-Bewegung wirft Libyen heute noch vor, damals für das Verschwinden verantwortlich gewesen zu sein und sich bei der Aufklärung des Falles nicht kooperativ zu zeigen.
Nach der Machtergreifung Khomeinis im Jahre 1979 kam es zu einer Annäherung zwischen dem Iran und Libyen und es wurden diplomatische Beziehungen zwischen den beiden Ländern aufgenommen. Im Libanon sah sich die schiitische Hisbollah in der wirklichen Nachfolge von Imam Sadr und spaltete sich später von der Amal-Bewegung ab.
Seit 2015 wird Hannibal Gaddafi im Libanon gefangen gehalten.[2] Laut seiner Ehefrau, einer Libanesin, wurde er am 11. Januar 2015 von einer bewaffneten Miliz in Syrien entführt und mit Gewalt über das Bekaa-Tal in den Libanon verschleppt. Während der sieben Tage, in denen er sich in Gewalt dieser Miliz unter der Führung von Hassan Jacob befand, wurde er physisch und psychisch misshandelt. Er sollte Informationen über den Verbleib von Musa al-Sadr und seiner Begleiter geben. In einem von der Gruppe Amal Movement veröffentlichten Video musste der durch Folterspuren gezeichnete Hannibal in einer Botschaft fordern, dass alle Beweise bezüglich des Falles Mussa Sadr unverzüglich veröffentlicht werden.[3] Hannibal Gaddafi war zur Zeit des Verschwindens von Musa-al-Sadr gerade einmal zwei Jahre alt. Nachdem den Entführern klar war, dass Hannibal über keinerlei der geforderten Informationen verfügte, übergaben sie ihn auf der Straße von Baalbek libanesischen Sicherheitskräften, die ihn ohne Haftbefehl gefangen nahmen. Anschließend wurde er einem Untersuchungsrichter vorgeführt. Die Verhaftung und Vernehmung Hannibal Gaddafis erfolgte ohne richterliche Anordnung. Erst vor wenigen Tagen wurde er zu einem Jahr und drei Monaten Gefängnis sowie zur Zahlung von zwei Millionen libanesischer Lira wegen Missachtung der Justiz verurteilt.
Anfang Januar 2019 wurden in den sozialen Medien Nachrichten über eine bevorstehende Freilassung Hannibal Gaddafis ohne Wissen der Familie Gaddafi veröffentlicht. Russland soll sich eingeschaltet und in Beirut für eine Freilassung Hannibal Gaddafis plädiert haben.
Auch die Unterstützer von Saif al-Islam Gaddafi fordern die sofortige und bedingungslose Freilassung des Gefangenen. Und die ehemalige Vizepräsidentin des obersten Verfassungsgerichts in Ägypten, Tahani al-Dschabali, sagte, dass die Entführung von Hannibal Gaddafi und seine Inhaftierung im Libanon für jeden Araber traurig und beschämend seien. Es sei inakzeptabel, dass der Libanon Hannibal Gaddafi gefangen hält, um sich an seinem Vater Muammar al-Gaddafi zu rächen. Hannibal Gaddafi habe niemals Libyen regiert. Al-Dschabali appellierte an den libanesischen Präsidenten Michel Aoun und alle libanesischen Führer, unabhängig von ihrer konfessionellen und ideologischen Herkunft, diese Akte endlich zu schließen und Hannibal Gaddafi unverzüglich freizulassen.
Mit dem Boykott konnte Libyen sein Gesicht wahren und der Gipfel soll nun tatsächlich am Wochenende stattfinden, ohne Libyen und auch ohne Syrien, das erst gar nicht zu dem Treffen eingeladen wurde, obwohl eines der dort diskutierten Hauptthemen der Wiederaufbau Syriens sein soll.

A. Gutsche 


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