Kurznachrichten Libyen 23.07. bis 30.07.2023
Hannibal al-Gaddafi setzt Hungerstreik fort / Das Parlament in Bengasi stimmt für das neue Wahlgesetz und den politischen Fahrplan / Die UNSMIL unter Bathily arbeitet im Auftrag des Westens gegen Wahlen / Angriffe auf den Justizrat
+ 24.07.: Hannibal
al-Gaddafi/Hungerstreik. Hannibal, Sohn von Muammar al-Gaddafi, wurde 2015
aus Syrien in den Libanon verschleppt und sitzt seither ohne Anklage und
Gerichtsverhandlung im Gefängnis. Seit einigen Wochen befindet sich Hannibal
aus Protest gegen seine jahrelange Inhaftierung im Hungerstreik. Bereits
mehrmals wurde er wegen seines sich verschlechternden Gesundheitszustands in
ein Krankenhaus eingeliefert.
Nun gab Hannibal eine Erklärung ab, in der er die libanesischen Behörden der
Korruption bezichtigte. Im Libanon seien die Politik und Justiz in einem
Korruptionssystem verflochten.
Laut Hannibal haben die libanesischen Behörden im Gegenzug für seine
Freilassung gefordert, Zugriff auf zwei Milliarden USD zu erhalten, die sich
auf libanesischen Konten befinden und Libyen gehören. Dies bedeute nichts
anderes als dass er seinen Hungerstreik fortsetzen werde.
Hannibals Anwalt erklärte, Hannibal werde als „politische Geisel für nicht
offen benannte Zwecke genommen“.
Menschenrechtsgruppen fordern die bedingungslose Freilassung von Hannibal
al-Gaddafi, dessen Gefangenschaft auch die Beziehungen zwischen Libyen und dem
Libanon stark belastet. Letzte Woche forderte der ehemalige libanesische
Justizminister und jetzige Parlamentsabgeordnete Ashraf Rifi die libanesischen
Behörden auf, Hannibal freizulassen. Rifi sagte: „Meiner Meinung nach ist es
völlig inakzeptabel, ihn acht Jahre lang ohne Gerichtsverfahren in Haft zu
halten. Das ist keine Gerechtigkeit, sondern wegen eines politischen
Standpunkts“. Die Verantwortung hierfür trügen die libanesischen Behörden.
https://libyareview.com/36346/hannibal-gaddafi-claims-lebanon-demanding-2-billion-for-his-release/
Fahrplan und Wahlen
+ Bathily/Wahlen. Der
UN-Sondergesandte Bathily sagte, dass es die Wahlgesetzte in ihrer jetzigen
Form nicht ermöglichen werden, erfolgreich Wahlen durchzuführen. Die
Gesetzesentwürfe müssten erst verbessert werden.
https://twitter.com/alwasatengnews/status/1683829325248733185
+ 6+6-Militärkomitee/Bathily.
Die Mitglieder des 6+6-Militärkomitees, das sich aus Parlaments- und
Staatsratsmitgliedern zusammensetzt, und das gerade in Paris tagte, fahren
schweres Geschütz gegen den UN-Sondergesandten Bathily auf. Bathily wird
beschuldigt, seine Sicht der Dinge durchsetzen zu wollen, eine Seite zu
bevorzugen und damit eine Spaltung des Landes voranzutreiben. Bathily wurde
aufgefordert, den von Parlament und Staatsrat vorgelegten Entwurf zu
unterstützen und die Vereinigung der Institutionen durch die Bildung einer
neuen Einheitsregierung zu fördern. Es sei der Wunsch des libyschen Volkes,
Präsidentschafts- und Parlamentswahlen abzuhalten.
https://libyareview.com/36349/libyas-66-committee-accuses-un-envoy-of-bias-in-elections/
Wie hinlänglich bekannt, sind die Dabaiba-‚Regierung‘ in Zusammenarbeit mit
dem Haftar-Clan fest entschlossen, Wahlen zu verhindern, um das Land weiter in
eine östliche und westliche Regierung, mit Dabaiba und Haftar an der Spitze, zu
spalten, während Parlament und Präsidialrat auf eine neue Regierung
hinzuarbeiten scheinen, die das Land zu Wahlen führt.
+ 26.07.: 5+5-Militärkomitee/Sicherheitsgruppe.
Im Beisein von Vertretern der UN-Sondermission hat in Bengasi die Sitzung der
Sicherheitsgruppe mit dem 5+5-Militärkomitee begonnen. Der Generalmajor der
„westlichen“ Region, Mukhtar an-Naqasa sagte, dass „die politischen Gremien,
die in den Medien Wahlen fordern, in Wirklichkeit diejenigen sind, die einer
Abstimmung im Wege stehen“. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass in naher
Zukunft Wahlen abgehalten werden können.
https://twitter.com/alwasatengnews/status/1683829325248733185
+ 25.07.: Stimmung. LibyaHerald
schreibt: „Lähmende Auswirkungen von Gewalt und Angst. Eines der größten
Hindernisse für politisches Engagement in Libyen ist die allgegenwärtige
Atmosphäre von Gewalt und Angst. Entführungen, Morde und Einschüchterungen
haben ein Umfeld geschaffen, in dem die Menschen Angst haben, ihre Meinung zu
äußern, sowohl online als auch offline. Social-Media-Plattformen, einst ein Ort
der freien Meinungsäußerung, sind nun zu einer Gefahrenquelle für diejenigen
geworden, die es wagen, den Status quo zu kritisieren oder Bedenken über die
aktuellen Herausforderungen im Land zu äußern.“
https://libyaherald.com/2023/07/op-ed-the-libyan-peoples-aspirations-navigating-political-apathy-amidst-societal-challenges/
In diesem Artikel wird eindeutig für die Nichtabhaltung von Wahlen plädiert,
weil das Volk dazu nicht reif sei. Dazu muss man wissen, dass LibyaHerald
ein britisches Onlinenachrichtenportal ist. Befürchtet wir wohl in erster
Linie, dass Wahlen nicht so ausgehen, wie es für den Westen und seine
Verbündeten wünschenswert wäre – sollten denn alle Kandidaten zugelassen
werden. Und über die Zulassung von Kandidaten wollen wiederum ausländische
Mächte bestimmen. Solange der Westen nicht über den Ausgang von Wahlen
bestimmen kann, sollen sie nicht abgehalten werden.
Witzigerweise werden anschließend Vorschläge gemacht, um die Situation in
Libyen für die Menschen zu verbessern. Aber hallo! Wenn das jemals das Ziel
gewesen sein sollte, dann war dazu seit 2011 Zeit – also zwölf Jahre – in denen
sich alles immer mehr verschlechtert hat.
+ 25.07.: Parlament/Wahlen. Das
Parlament in Bengasi hat den vom 6+6-Militärkomitee ausgearbeiteten Fahrplan,
der zu Wahlen führen soll, angenommen.
Das Parlament ist ermächtigt, der Regierung das Vertrauen auszusprechen.
https://en.alwasat.ly/news/libya/406143
+ 25.07.: Parlament/Neue Regierung.
Um Premierminister Dabaiba abzusetzen und eine neue Regierung zu bilden, die zu
Wahlen führen soll, ließ Parlamentspräsident Agila Saleh über den Mechanismus
zur Bestimmung dieser neuen Regierung abstimmen. Obwohl die UN-Sondermission
unter Bathily und westliche Länder weitere Konsultationen forderten, stimmte
die Mehrheit der libyschen Abgeordneten mit Ja, und die Angelegenheit wurde zur
Genehmigung an den Hohen Staatsrat verwiesen.
Bathily reagierte auf diese Entscheidung mit scharfen Worten und warnte vor
einseitigen Maßnahmen.
LibyaDesk, 28.07.2023
+ 08.07.: Wahlen/UN. Der
Parlamentarier Essam al-Dschehani warf der UNSMIL und Bathily vor, Fortschritte
im politischen Prozess zu behindern.
Die UNSMIL verhalte sich so, als vertrete sie eine eigene Partei. Sie wolle die
Krise verwalten, aber nicht lösen. Der politische Fahrplan müsse „durch eine
endgültige Einigung über die Wahlgesetze und die Bildung einer einzigen
Regierung, die in der Lage ist, die Wahlen zu überwachen, vervollständigt
werden“.
https://libyareview.com/36428/libyan-mp-accuses-un-of-hindering-political-progress/
+ 25.07.: Saleh/Parlament.
Parlamentspräsident Agila Saleh erklärte, dass „die Beschlüsse der Sitzung vom
26. Juni ungültig sind“.
Auf der Parlamentssitzung vom 26. Juni, die vom zweiten stellvertretenden
Parlamentspräsidenten Musbah Doma geleitet wurde, waren neue Vorsitzende für
die Verwaltungskontrollkommission und den Nationalen Planungsrat ernannt
worden. Die Abgeordneten stimmten auch über die Wahl des Präsidenten und die
Mitglieder des Verfassungsgerichts ab.
Etwa 40 Mitglieder des Parlaments protestierten gegen diese Beschlüsse und die
Rechtmäßigkeit der Sitzung und drohten mit einem Boykott.
https://en.alwasat.ly/news/libya/406147
Gewalt und Proteste
+ 27.07.: Oberster
Justizrat/Parlament. Das Parlament hat den von einer Miliz verübten Angriff
auf den Sitz des Obersten Justizrates in Tripolis verurteilt.
Die libysche Justiz werde immer stärker in die politischen Auseinandersetzungen
verstrickt.
https://libyareview.com/36383/libyan-parliament-denounces-attack-on-supreme-judicial-council-in-tripoli/
+ 27.07.: Oberster Justizrat.
Der Oberste Justizrat verurteilte die „brutale“ Erstürmung seines Sitzes und
lobte gleichzeitig die Position des Parlaments als Reaktion.
In der Erklärung wurden auch die „heftigen Angriffe der Medien“ verurteilt, die
sich gegen die Legitimität des Obersten Justizrates richteten, und es wurde
betont, dass er seinen Auftrag und die ihm übertragenen Aufgaben weiterhin
erfüllen werde.
https://en.alwasat.ly/news/libya/406348
+ 27.07.: az-Zawija/Proteste.
In der westlich von Tripolis gelegenen Stadt az-Zawija forderten Demonstranten
das Ende aller Übergangsphasen. Alle politischen Gremien sollten ihren
Rücktritt erklärten und zügig Wahlen abhalten.
Shaaban Hadiya (alias Abu Ubaidah az-Zawi) wies in seiner Abschlusserklärung
auf die Wichtigkeit der Einigkeit des Landes hin und erklärte, dass an diesem
27. Juli „die Stimmen aus dem Osten und dem Westen Libyens zusammenkamen und zu
einer gemeinsamen Haltung aufriefen“. Die Spaltung zwischen Ost und West müsse
beendet werden. Libyen befinde sich „in einem noch nie dagewesenen Zustand des
politischen Verfalls, des wirtschaftlichen Zusammenbruchs und der
katastrophalen Sicherheitsbedingungen“.
Es wurden Panzer gesichtet.
https://libyareview.com/36416/protesters-demand-end-to-libyas-transitional-phases/
+ 27.07.: Proteste.
Angestellte der Libyan Airlines protestierten vor dem Verwaltungsgebäude
des Unternehmens in Bengasi dagegen, dass ihnen seit 30 Monaten keine Gehälter
gezahlt werden. Das Unternehmen hat immense Schulden angehäuft, unter anderen
beim Sozialversicherungsfond 20 Millionen LD.
https://en.alwasat.ly/news/libya/406294
Libyen und das Ausland
+ 24.07.: Italien/Flugverkehr.
Italien hat den kommerziellen Flugverkehr mit Libyen nach zehn Jahren
Unterbrechung wieder aufgenommen. Es wird die Verbindung Rom – Tripolis
bedient.
https://twitter.com/smmlibya/status/1683461496284622848
+ 25.07.: Iran. Die
Außenministerin der Dabaiba-‚Regierung‘, Nadschla Mangusch, hat den Iran
besucht. Dies ist seit Jahren der erste hochrangige Kontakt zwischen den beiden
Ländern. Mangusch wurde von ihrem iranischen Amtskollegen Hossein
Amir-Abdollahian zu Gesprächen empfangen.
https://libyareview.com/36352/libyan-fm-visits-iran/
+ 26.07.: Erdöl/USA. Der
US-amerikanische Erdölkonzern Schlumberger hat nach Angaben der libyschen National
Oil Corporation (NOC) einen Vertrag über drei Ölbohrungen abgeschlossen.
Dies betrifft die Ölfelder Nasr und Wahat. Schlumberger wird mit der libyschen National
Company for Oil Wells Drilling and Maintenance zusammenarbeiten.
https://libyareview.com/36377/schlumberger-wins-subcontract-to-drill-three-oil-wells-in-libya/
+ 27.07.: Afrika-Gipfel/Russland.
Laut AgenziaNova stach unter den Reden der zum Gipfel nach St.
Petersburg geladenen Gäste die des Vorsitzenden des libyschen Präsidialrates,
Mohamed al-Menfi, hervor. Dieser sagte, Libyen „zähle auf die Hilfe Russlands
und der afrikanischen Länder beim Abzug ausländischer Truppen aus seinem
Territorium“.
Unter den bilateralen Treffen sei das Treffen zwischen Putin und dem Ägypter
as-Sisi erwähnenswert, bei dem Putin sagte: „Die Beziehungen zwischen Russland
und Ägypten sind seit Jahrzehnten von strategischer Natur. Wir haben viele
große gemeinsame Projekte“.
https://www.agenzianova.com/en/news/al-vertice-russia-africa-putin-promette-sostegno-su-grano-sicurezza-ed-energia/
+ 28.07.: Afrika-Gipfel/Russland.
Der russische Präsident Putin hat die Bedeutung der Zusammenarbeit mit Libyen
im Rahmen der OPEC+-Gruppe hervorgehoben. In seiner Rede sagte Putin, dieser
Schritt trage zur Stabilisierung des Energiemarktes bei. Er bekräftigte auch
die Unterstützung Russlands für die Souveränität Libyens.
Der Vorsitzende des Präsidialrats, al-Menfi, hatte auf dem Gipfel erklärt, dass
der Präsidialrat „Infrastrukturprojekte in Zusammenarbeit mit Russland
anstrebt“.
Außerdem hatte er auf die „historische Benachteiligung“ Afrikas im
UN-Sicherheitsrat hingewiesen und forderte eine Änderung bei der
Zusammensetzung der ständigen und nicht-ständigen Mitglieder.
https://libyareview.com/36434/putin-highlights-importance-of-opec-cooperation-with-libya/
+ 27.07. Niger. Der
Militärputsch im Niger hat die Nachbarländer in höchste Alarmbereitschaft
versetzt und Libyen dazu veranlasst, seine Grenzsicherung zu verstärken.
https://libyareview.com/36401/libya-bolsters-border-security-amid-tensions-in-niger/
+ 27.07.: Serbien. Serbien
weigerte sich, dem jüngsten EU-Beschluss zum Waffenembargo gegen Libyen
zuzustimmen. Der EU-Beschluss stellt eine Ergänzung zum Beschluss (GASP)
2015/1333 dar. Darin werden die Mitgliedstaaten beauftragt, die Entsorgung von
beschlagnahmten Waffen und damit zusammenhängendem Material im Namen von
EUNAVFOR MED IRINI zu erleichtern. Dabei handelt es sich um eine
Militäroperation zur Durchsetzung des UN-Waffenembargos auf hoher See in
Libyen.
https://libyareview.com/36389/serbia-rejects-eus-new-arms-embargo-measures-on-libya/
Migration
24.07.: Italien/Konferenz.
Die in Italien abgehaltene Migrationskonferenz befasst sich mit der illegalen
Einwanderung aus Afrika über nordafrikanische Länder, insbesondere
Libyen/Tunesien. Für Libyen nahmen al-Menfi (Präsidialrat) und Dabaiba
(Tripolis-‚Regierung‘) teil.
Merkwürdigerweise war auch der Präsident der VAE, Muhammad bin Zayid Al Nahyan,
anwesend.
https://en.alwasat.ly/news/libya/405925
+ 24.07.: Italien/Gelder.
Italien hat für 7,5 Millionen Euro für den Niger und 8,5 Millionen Euro für
Libyen bereitgestellt, um das Schleusertum zu bekämpfen und die
Migrationsströme zu steuern.
https://libyareview.com/36292/italy-allocates-e16-million-to-combat-migration-in-libya-niger/
+ 24.07.: Ansiedlung. Der vom
Parlament eingesetzte ‚Premierminister‘ Osama Hamad, warnt vor „jeglichen
Versuchen oder Initiativen“, Migranten in Libyen anzusiedeln.
https://twitter.com/alwasatengnews/status/1683269595765899270
+ 24.07.: Leichenfund. Die
Leichen von fünf Migranten aus Subsahara-Afrika wurden in einem unwirtlichen
Gebiet nahe der Grenze zu Tunesien geborgen.
https://libyareview.com/36343/libya-recovers-migrant-bodies-near-tunisian-border/
+ 28.07.: Algerien/Grenzgebiet.
Der Hohe UN-Flüchtlingskommissar (UNHCR) und die Internationale Organisation
für Migration (IOM) haben ihre tiefe Besorgnis über die Notlage Hunderter von
Migranten, zum Ausdruck gebracht, die an der Grenze zwischen Libyen und
Algerien festsitzen. Die Migranten, unter denen sich auch Frauen und Kinder
befinden, wurden von Tunesien abgeschoben.
https://libyareview.com/36453/un-concerned-over-migrants-stranded-on-libya-algeria-border/
Weitere Nachrichten aus Libyen
+ 23.07.: Roter Halbmond. Das
Deutsche Rote Kreuz und der Libysche Rote Halbmond haben ein
Partnerschaftsabkommen geschlossen.
https://libyareview.com/36280/libya-germany-sign-humanitarian-agreement/
+ 23.07.: Archäologie. In der
Gemeinde az-Zawiya wurde eine Begräbnisstätte freigelegt, die auf die Zeit der
Phönizier zurückgeht.
https://libyareview.com/36289/archaeological-cemetery-discovered-in-libyas-al-zawiya/
+ Rückblick. Es sollte niemals die Ermordung
Gaddafis durch die Nato und die Zerstörung Libyens, eines Landes, das damals
den höchsten Lebensstandard in Afrika hatte, vergessen werden.
Video: https://twitter.com/REVMAXXING/status/1684360533686845443
A. Gutsche
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen