Martin Kobler als ‚Nation Builder‘ krachend gescheitert
Die neuesten
Vorkommnisse in Libyen deuten darauf hin, dass Martin Kobler seiner Rolle als
Sondergesandter der UN für Libyen nicht gewachsen ist. Das Misstrauen gegen
ihn, die Vereinten Nationen und die ‚Internationale Gemeinschaft‘ steigt
weiter.
Das Gespräch, das der
ehemalige Bürovorsteher von Joschka Fischer und heutige Sondergesandte der UN
für Libyen, Martin Kobler, mit dem Anführer der Miliz ‚Petroleum Facilities
Guards‘ (Wächter der Erdölanlagen), Ibrahim Dschedhren, am 21. Juli führte,
schlägt hohe Wellen.
Der Vorsitzende der Nationalen Ölgesellschaft (NOC) mit Sitz in Tripolis, Mustafa Senella, protestierte gegen das Treffen mit einem geharnischten Brief an Kobler. Darin heißt es, „wenn Sie sich mit einer der am meisten verachteten Personen in Libyen zusammentun, wird diese ihre Reputation und die der gesamten Vereinten Nationen in Libyen ernsthaft gefährden. Ihre weitere Arbeit wird dadurch nicht gerade erleichtert.“[1]
Senella zeigte sich auch bestürzt darüber, dass mit der
Anerkennung Dschedhrens durch Kobler und die UN ein Präzedenzfall geschaffen
werde, der für andere als Ermutigung dienen könnte, ebenfalls eigene Milizen
anzuheuern, um damit Ölhäfen, Pipelines oder Häfen unter ihre Kontrolle zu
bringen, um die Politik damit zu erpressen.
Laut Senella vertritt Dschedhren einzig und allein seine
eigenen Interessen. Durch ihn seien Libyen in den letzten drei Jahren über 100
Milliarden Dollar an Öleinnahmen entgangen. Senella warnte Kobler, dass –
sollten der Sarradsch geführte Präsidialrat beziehungsweise der
UN-Sondergesandte für Libyen Dschedhren unterstützen – man sie vor Gericht
haftbar machen würde. Mit Dschedhren würde Kobler einer der unheilvollsten
Gestalten im Land den Rücken stärken. Dschedhren hätte sogar Anfang des Jahres
dem IS erlaubt, die von ihm bewachten, sprich besetzten Häfen zu zerstören.
Senella hätte es so verstanden, dass der Präsidialrat eine
beträchtliche Summe an Dschedhren zahlen wolle, damit dieser die Häfen öffne.
Die Arbeiter würden sich nun fragen, warum Geld an Dschedhren bezahlt werden
könne, während Geld, das zur Aufrechterhaltung der Produktion in den Ölanlagen
dringend benötigt wird, fehle. Es gäbe dort nicht einmal Geld, um die Arbeiter
mit Trinkwasser zu versorgen.
Am Ende seines Schreibens erinnert Senella Kobler daran,
dass die National Oil Company NOC in Tripolis eine der ersten staatlichen
Institutionen gewesen ist, die den Präsidialrat anerkannt habe. Zum Dank würden
nun Mitglieder des Präsidialrats versuchen, die NOC zu übernehmen. Sollte dies
nicht unterbunden werden und sollten Gelder, die die NOC dringend benötigt,
tatsächlich stattdessen an Dschedhren fließen, könne die NOC auch eine der
ersten Institutionen sein, die dem Präsidialrat die Anerkennung wieder
entzieht.
Soweit das Schreiben Senellas an Martin Kobler.
Dschedhren kontrolliert inzwischen allerdings nur mehr die
im Osten Libyens gelegenen Ölverladehäfen. Mindestens elf der wichtigsten sich
im Landesinnern befindlichen Ölfelder und die dazugehörigen Pipelines werden
von den Stämmen kontrolliert. Die Stammesführer haben sich von jeder zwischen
Dschedhren und Kobler getroffenen Übereinkunft distanziert. Sollte Kobler
wollen, dass auf den Ölfeldern die Arbeit wieder aufgenommen wird, möge er
direkt mit ihnen Gespräche aufnehmen. Der Hohe Rat, der hinter der
Tobruk-Regierung steht, erklärte gegenüber Martin Kobler, „dass diejenigen, die
die Ölterminals kontrollieren, in keiner Hinsicht die Produktion, die
Verarbeitung und die Pumpstationen vertreten. Falls Herr Kobler über die
Wiederaufnahme der libyschen Ölproduktion sprechen möchte, muss er sich mit dem
Hohen Rat der Reservoirs in Verbindung setzen.“ Und: „Der Hohe Rat fühlt sich
den Vereinbarungen, die zwischen Herrn Kobler und dem ‚Petroleum Facilities
Guards‘ getroffen wurden, in keinster Weise verpflichtet.“[2]
Diese Aussagen stehen im krassen Widerspruch zu den
Äußerungen Koblers auf Twitter, in denen er verlauten ließ: „Glad to hear
support of PC/GNA from Ibrahim Jadhran and tribal leaders.“ (Freue mich, dass
Ibrahim Dschedhren und die Stammesführer dem Präsidalrat/der Einheitsregierung
ihre Unterstützung zusagen.)
Glaubt Kobler wirklich, mit so billigen Tricks und falschen
Tweeds durchzukommen? Seiner maßlosen Selbstüberschätzung ist es zuzuschreiben,
dass er Gespräche mit Dschedhren öffentlich auch noch so hoch gehängt hat. Niemand in Libyen kann diese
internationale Aufwertung eines erwiesenermaßen gewissenlosen Gangsters durch
die Vereinten Nationen, vertreten durch Kobler, verstehen oder gar gutheißen.
Sogar der Libyanherald fragt, ob
Kobler immer noch nicht verstanden habe, dass, will man die Ölproduktion in
Libyen wieder in Gang bringen, mit vielen Stämmen und Machtzentren
weitreichende Übereinkünfte erzielt werden müssen. Ein Ausschluss der Stämme
führe nur zu weiteren Misserfolgen und zu destruktiven Reaktionen. Das Vorgehen
Koblers könne zu keinem Erfolg führen.
Erfolg ist es aber, was Kobler, die Internationale
Gemeinschaft und die Sarradsch-„Regierung“ dringend benötigen. Da hilft auch nicht
die fröhliche Umtriebigkeit, die Kobler auch beim Treffen mit Dschedhren an den
Tag legte, und die der Bevölkerung so bitter aufstößt. Die Geduld der Libyer
ist erschöpft.
Siehe auch meinen Blog-Beitrag: „Libyen im Juni – 2016“,
unter 09.06. „Wer ist Ibrahim Dschedhren?“
25.7.2016
Angelika Gutsche
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